𝐊𝐚𝐩𝐢𝐭𝐞𝐥 𝟏𝟕 - 𝐝𝐞𝐥𝐢𝐚

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(💗👀)

Ich sehe zu May, die in dem Moment abwechselnd in meine Augen und dann zu dem See hinter mir sieht. Sie scheint gedankenverloren, aber gleichzeitig gefasst zu sein und mein Blick folgt schon seit Sekunden ihren dunkelbraunen Augen, die nahezu rastlos umherwandern, immer wieder von mir wegsehen, um etwas anderes zu fokussieren.
"May?", spreche ich mein Gegenüber schließlich direkt an und erlange erst dadurch die volle Aufmerksamkeit der großen Frau mir gegenüber. May sieht mich an, wieder durchdringend und sobald ich mich mit meinem Blick in ihren dunkelbraunen Augen verliere, die im Sonnenlicht wie Gold wirken, durchläuft mich ein warmes Gefühl. So eines, welches manchmal vom Bauch und manchmal von Herzen ausgeht und dann in den ganzen Körper ausstrahlt und nicht nur Wellen an Glück und wohligen Gefühlen, sondern auch Hitze und Gänsehaut erzeugt. Es ist genau das Gefühl, welches ich in dem Moment habe, in dem wir uns dort gegenüber stehen und ich immer noch darauf warte, dass May endlich etwas sagt. Kurz seufze ich und sofort scheint May wieder meine eigentliche Frage einzufallen.
-"Ähm-... Ja... Also... Mir geht's gut", stottert sie und sieht mich dabei die ganze Zeit über an. Trotzdem bildet sich im Laufe ihres Satzes ein glückliches Lächeln auf ihrem Gesicht, welches auch danach nicht verschwindet. Dieses Lächeln wirkt herzlich und das erste Mal denke ich einen Gedanken in eine Richtung, in die ich mir bis jetzt nicht erlaubt habe, bei May zu denken; ihr Lächeln ist wunderschön. Ihre Augen leuchten warm und ihr ganzer glücklicher Gesichtsausdruck scheint sich sofort auf mich zu übertragen, denn ich merke, wie sich meine Mundwinkel ebenfalls anheben, während ich weiterhin in Mays Gesicht sehe. Das geht mehrere Sekunden lang so und erst, als May eine Gegenfrage an mich stellt, verschwindet das Lächeln langsam aus meinem Gesicht,
-"Und wie geht es dir, Delia?", fragt mich die braunhaarige Frau mit ruhiger und sanfter Stimme, behält ihr Lächeln dabei aber trotzdem bei, wirkt also immer noch freundlich. Ich sehe kurz zur Seite. Ich kann mir nicht wieder erlauben, zu sagen, dass alles 'Okay' sei. Zumal ich ihr dann sicherlich wieder sagen müsste, ob ich wirklich okay bin oder nur nicht über meine Probleme reden will. Und weil ich mir in dem Punkt immer noch nicht ganz sicher bin, sage ich einfach nur: "Mir geht's auch gut...", lächle und lenke dann mit einem "Wollen wir zum Steg... Oder so?" von dem eher schwierigen Gefühlsthema ab. May nickt kurz und lächelt mich an, bevor wir losgehen.
Es ist immer noch verdammt warm, auch wenn die Nähe zum Wasser, die am Steg auf jeden Fall gegeben ist, die Luft ein wenig frischer wirken lässt. Immerhin befindet sich aber zumindest der Anfang des Stegs in dem Schatten eines großen Baumes und genau dort setzen May und ich uns hin und sehen auf das Wasser hinaus.
-"Ich... Habe irgendwie vermisst, mit dir zu reden...", meint May nach ein paar stillen Sekunden auf einmal und ich sehe sie an. Nicht, dass ich entsetzt bin, ich habe schließlich ebenfalls solche Gefühle gehabt, was sie betrifft, aber die Art und Weise, wie sie es anspricht, kommt plötzlich, aber ebenso ruhig. Ich kann nicht anders, als zur Antwort auf ihre Worte zu lächeln.
"Ich auch, May", kommt, ohne dass ich es wirklich merke aus meinem Mund und ich realisiere erst einen Moment später, dass ich nicht nur irgendwas gesagt habe, sondern genau das, was in dem Moment in meinem Kopf ist. Ich sehe zu der Person rechts neben mir, welche mich immer noch herzlich anlächelt und ich kann auf ihrem gebräunten Gesicht erkennen, dass eine leichte Röte in ihre Wangen steigt, wobei ihre Augen mich anleuchten. So tief und so warm wirken diese und ich merke, dass ich mich für immer in ihnen verlieren könnte. Während dieses Gedankens wird mir immer wärmer und ich merke, wie mein Herz mit jeder Sekunde schneller schlägt. Kurz knacke ich nervös mit meinen Fingern, wodurch ich wieder Mays volle Aufmerksamkeit erlange.
-"Tut dir das gar nicht weh?", fragt May entsetzt und sieht auf meine Hände, macht kurz Anstalten, diese mit ihren Fingern zu berühren, wird aber im letzten Moment von irgendetwas abgehalten. Ich schüttele mit dem Kopf und May lächelt: "Okay... Na dann..." und sieht wieder weg. Es dauert ein paar Sekunden, bis sie dann wieder anfängt, zu sprechen.
-"In den Klassen, die ich unterrichtet habe, haben das so einige Schülerinnen und Schüler gemacht...", meint sie leise, fast schon beiläufig auf das Fingerknacken bezogen, welches ich mir in meiner Grundschulzeit angewöhnt habe. "In meiner Klasse bin ich die einzige, die so seltsam ist", lache ich und sehe May an, die immer noch ein leichtes Lächeln im Gesicht, aber ebenso einen warmen und ruhigen Ausdruck in ihren Augen hat.
-"Das ist nicht seltsam... Vermutlich einfach nur eine Strategie, die Anspannung, die man nicht anders verarbeiten kann, abzubauen...", erklärt May mit sanfter Stimme und es klingt schon fast professionell. Trotzdem beschleunigt sich mein Herzschlag und mein Atem zittert ein wenig, als ich der braunhaarigen Frau, die mich während ihrer Erklärung durchgängig angeschaut hat, in die ihre dunkelbraunen Augen sehe, die im Sonnenlicht wieder so hell und warm wirken. Ich nicke einfach, anders kann ich in dem Moment nicht auf die Aussage von May reagieren. Danach ist es leise zwischen uns. Mehrere Sekunden lang und fast zwangsläufig fühlt es sich so an, als würden wir beide darauf warten, dass die jeweils andere irgendetwas tut, irgendeinen Schritt wagt. Dieser Ausdruck in meinen Gedanken, die schon seit Stunden sowieso nur noch um May kreisen, trifft es perfekt. Ich rücke ein Stückchen näher an May heran und sehe zu ihr. Ich weiß nicht, warum und kann es mir auch nicht erklären, aber irgendetwas gibt mir ein warmes Gefühl, sobald ich May näher komme und auch, dass es nicht an ihrer Körperwärme liegt, sondern an einer anderen Sache, die ich in dem Moment einfach nicht definieren kann. Nachdem sich unsere Blicke wieder für mehrere Sekunden lang getroffen und tief ineinander getaucht haben, sehe ich in den blauen Himmel. Keine einzige Wolke befindet sich an dem hellblauen Himmelszelt und die Sonne scheint immer noch in kräftigen Strahlen auf die Erde hinab. Dadurch, dass May und ich uns jedoch im Schatten eines großen, knorrigen Baumes befinden, sind wir nicht komplett der Hitze der Sonne ausgesetzt, sondern es sind nur kleine vereinzelte Sonnenstrahlen, die sich ihren Weg durch die Baumkronen bahnen. Aus dem Augenwinkel kann ich erkennen, dass May ebenfalls gedankenverloren in den Himmel starrt, dabei kurz auch ihre Augen schließt, ihr Blick im nächsten Moment aber sofort wieder mir gilt.
-"Ich sehe doch, dass du mich anguckst, Delia", stellt sie ruhig fest und ich kann mir nicht wirklich erklären, wieso, aber es kommt mir so vor, als würde mein Körper immer dann, wenn May meinen Namen ausspricht, ein wohliges Gefühl zusammen mit einem warmen Zittern auslösen. Ich muss automatisch lächeln und sehe dann auch zu May, die sich mir nun wieder komplett zugewandt hat. Langsam stütze ich mich mit meinen Ellenbogen auf dem alten Holz unter mir ab, begebe mich somit in eine mehr oder weniger gemütliche Rückenlage und sehe May an, welche wieder ihr wunderschönes Lächeln im Gesicht trägt. Kurz seufzt sie schwer, verliert dabei fast ihr Lächeln, während sie mich ansieht. Ich starre in ihre dunklen, aber so facettenreichen Augen, die schon die ganze Zeit über etwas so tiefes, warmes und vertrautes an sich haben. Und ohne zu merken, was ich dort überhaupt denke, frage ich mich, wie es sein muss, diesen Augen und somit ihrem ganzen Gesicht auf das Äußerste nahezukommen. Ich spinne den Gedanken weiter, ohne, dass mich mein Verstand stoppt. Wie würde es sich anfühlen, May zu umarmen, ihre warme Haut ganz dicht an meiner zu spüren? Wie wäre es, würde ich ganz nahe bei ihr sein?
Erst nach mehreren Sekunden bringt mich mein Verstand zurück. Ich gebe mir recht, denn ich habe mich mehr oder weniger in die junge Frau mit den wunderschönen, warmen Augen verliebt, aber dass ich direkt Gedanken in diese Richtung wage, ist wirklich nur selten so. Dabei würden sich mein Unterbewusstsein und mein Herz in dem Moment nichts anderes wünschen, als dass ich May einfach ganz nahe bei mir habe.
-"An was denkst du gerade?", reißt mich mein Gegenüber dann aus meinen Gedanken, die ich mir trotz meines Eingeständnisses vor mir selbst immer noch verbiete. Ich kann May echt nicht sagen, woran ich denke. Sie ist mir in dem Moment, in dem sie die Frage gestellt hat, zwar um einiges näher gekommen und lächelt mich vertraut an, aber zugeben, dass ich daran gedacht habe, wie es wäre, sie ganz dicht bei mir zu haben, kann ich nicht einfach so.

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