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In den letzten Minuten hat das warme und wohlige Gefühl in meinem Herzen nicht nachgelassen, es hat sich eher vermehrt. Und wenn ich Delia in die Augen schaue, dann finde ich auch ziemlich schnell den Grund dafür. Die Tiefe ihrer grünblauen Augen, die dieselbe Farbe wie das Wasser des Sees vor uns haben, ist einfach atemberaubend, stelle ich ein weiteres Mal fest, obwohl Delia mich in dem Moment nicht einmal anschaut. Sie sieht eher ein wenig gedankenverloren, wenn auch lächelnd auf das blaugrün glitzernde Wasser neben dem Steg. Ich spreche sie an, versuche sie somit aus ihrem gedankenverlorenen Zustand herauszuholen.
"An was denkst du gerade?", frage ich sie und ich stelle fest, dass meine Stimme ein wenig kratzig klingt. Ich muss mich räuspern, wodurch ich Delias Aufmerksamkeit erst wirklich gewinne. Ich versuche, zu lächeln, denn schließlich glaube ich, dass ich so ihr Vertrauen besser gewinne, falls sie mir irgendetwas von sich erzählen will. Und im nächsten Moment frage ich mich, ob ich ihr Vertrauen nicht schon längst gewonnen habe. Denn so tief wie ihr Blick bis in meine Seele reicht und so, wie sie sich verhält und Tag für Tag auf mich zukommt, um mit mir zu reden, könnte ich es mir gut vorstellen. Ich muss weiterhin lächeln. Delia jedoch starrt mich nur noch an, während ihr Lächeln langsam verschwindet.
-"Ich... Also... Ich habe... Nicht an etwas Besonderes gedacht...", stottert sie plötzlich so schüchtern und ich sehe, wie ihre Wangen rot werden, ohne dass sie es wahrscheinlich will. Ich kann mir absolut nicht erklären, warum, aber ihr schüchterner Blick und ihre Unsicherheit lösen sofort irgendetwas in mir aus. Ein Gefühl, welches die junge Frau mit den rotblonden Haaren beschützen und auf sie aufpassen will, sie gleichzeitig aber auch einfach nur in den Arm nehmen und sie bei sich spüren will. Ich versuche, nicht zu viel dieses Gefühls in meine Aussage zu legen.
"Ach ja?", frage ich fast schon aufdringlich, wie ich im nächsten Moment feststelle und füge deswegen schnell hinzu: "Ist aber okay..." und beziehe es nicht auf irgendetwas direkt, sondern eher auf ihre schüchterne, unsichere Art, in der sie eben gesprochen hat.
-"Und woran denkst du so, May?", fragt Delia mich direkt, was wieder warme Schauer durch meinen Körper fließen lässt und das Tempo meines Herzschlags um so einiges erhöht. Dabei weiß ich gar nicht so genau, warum das so ist. Mir ist klar, dass ich vor nicht einmal einer Minute ziemlich viele Dinge gedacht habe, die ziemlich vielfältig deutbar sind. Ich habe mir nämlich eingestanden, dass Delia in mir ein ziemliches Beschützergefühl auslöst, aber mir ebenso klargemacht, dass es ebenso gut noch mehr sein könnte, als nur das. Schließlich habe ich mir vorgestellt, wie es wohl sein muss, sie zu umarmen und sie bei mir zu spüren.
"Ach... An so vieles und gleichzeitig an nichts...", gebe ich Delia seufzend meine Antwort, mit der ich nicht gerade falsche Aussagen treffe. Trotzdem bemerke ich sowohl den seltsam philosophischen Unterton in meinen Worten, ebenso wie der ernste, tiefe Blick von Delia, wegen welchem ich mich in dem Moment kaum noch auf etwas anderes konzentrieren kann, als ihre tiefen grünblauen Augen. Der Blickkontakt geht lange, fast zu lange und ich kann mir vorstellen, dass wir bei fast einer Minute liegen, als Delia wegsieht und sich schließlich vollständig auf den Rücken legt und in den Himmel sieht. Hinter den Baumkronen der knorrigen Eiche ist der hellblaue Himmel nur leicht zu erkennen. Dafür tut die heiße und helle Sonne nicht so sehr auf der Haut und in den Augen weh, wie dann, wenn man sich nicht im Schatten befindet. Eine ganze Weile lang beobachte ich Delia dabei, wie sie etwas gedankenverloren in den Himmel sieht und ich nehme währenddessen alle kleinen Details an ihren Körper wahr. Ihre rötlichen Haare liegen ästhetisch auf dem alten Holz des Stegs und ihr Gesicht ist trotz der Sonneneinstrahlung in den letzten Tagen ziemlich hell. Das erste Mal erkenne ich sowohl die facettenreichen Grün- und Blautöne ihrer Augen, als auch unwahrscheinlich niedliche Sommersprossen, die ihre Nase und ihre immer noch etwas geröteten Wangen leicht sprenkeln. Allgemein wirkt ihr junges Gesicht auf mich nahezu perfekt. Immer wieder, zwischendurch, erlaube ich mir einen Blick ihren Körper entlang. Ich habe zwar schon bemerkt, dass sie knapp einen Kopf kleiner ist, als ich, trotzdem aber wirkt ihr Körper ziemlich lang und noch dazu ziemlich dünn. Nicht, dass ich davon ausgehe, sie könnte krankhaft dünn sein. Vor allem ihre Taille, ihre Hüfte und ihre Beine sind nun einmal sehr schmal.
Erst nach mehreren Sekunden bemerke ich, dass Delia ihren Blick von den Baumkronen abgewandt hat und jetzt zu mir sieht, die bis vor einer Millisekunde noch auf die dünnen, langen Beine der jungen Frau gestarrt hat.
-"Ist was mit meinen Beinen?", fragt Delia mit einem teils interessierten, teils aufdringlichen Unterton in ihrer Stimme, der es mir noch schwerer macht, irgendetwas Plausibles zu antworten.
"D-Das... Soll jetzt keinesfalls falsch klingen...", beginne ich und sehe zu Delia, die mich aus ihrer Position interessiert und fast schon etwas ängstlich ansieht. Ich rede schnell weiter: "Aber... Du bist eine sehr hübsche junge Frau, Delia...". Die Person, welche links neben mir auf dem alten Holz des Stegs liegt, lächelt automatisch und sieht von mir weg und wieder in die Baumkronen, dann flüstert Delia nur ein leises, schüchternes, fast schon überhörbares "Danke, May...". Ich muss auch wieder lächeln, spüre auch, wie mein Herz wieder einmal rast, dieses Mal allerdings eindeutig in einem positiven Sinne.
Knapp eine halbe Stunde später befinden wir uns immer noch dort, am Anfang des Stegs und im Schatten des großen Baumes. Das einzige, was sich geändert hat, ist, dass ich mich mittlerweile auch, wenn auch eher ein wenig schwerfälliger, als Delia in eine Rückenlage begeben habe und nun ebenfalls in den blauen Himmel sehe, vor den sich zumindest aus unserer Sicht die Baumkronen der großen und sicherlich schon alten Eiche geschoben haben. Die ganze Zeit schon, in der Delia und ich nur wenig und komischerweise eher oberflächlich geredet haben, habe ich nach oben gesehen und traue mich jetzt erst nach mehreren Minuten, zu Delia zu schauen, die links neben mir liegt. Ich stelle in dem Moment verwundert fest, dass sie ebenfalls zu mir schaut und dies auch schon seit mehreren Sekunden bis Minuten zu tun scheint. Es ist erkennbar, wie ihre Augen meinen Oberkörper und mein Gesicht praktisch scannen. Ihr Blick wandert fast verwirrt durch die Gegend, immer zwischen meinen eigentlich unspektakulären Augen und meinem Oberkörper, der auch nicht allzu spannend sein dürfte, hin und her.
-"Du bist wirklich schön, May... Vor allem mit den leichten Sonnenstrahlen im Gesicht...", meint Delia schließlich und klingt dabei nicht einmal unsicher oder zögernd, sondern eher neutral und ich weiß irgendwie, dass sie es auch mit mehr Emotion hätte sagen können. Ob das aber besser gewesen wäre, weiß ich nicht. "Danke...", stottere ich einfach nur und sehe Delia weiterhin an. Und dabei gilt mein Blick vor allem ihren grünblauen Augen, die für mich in dem Moment aus unerklärlichen Gründen verdammt einladend wirken, mit meinem Blick nur noch tiefer in ihnen zu baden. Erst, als ich Delia wieder für Sekunden so tief in die Augen starre, realisiere ich die eigentliche Intention, sowie den eigentlichen Inhalt ihrer Aussage. Sie hat fast schon zu offensichtlich aus einem Gefühl heraus gehandelt und geredet, welches ich mir bei Delia so gut wie es geht verbiete, oder es immerhin versuche, weil ich weiß, wie schlecht es meinem mentalen Zustand tun würde, jetzt auch noch verliebt zu sein.
-"Also... Das eben... War nicht so gemeint... Also weißt du... Nicht so", versucht Delia mir nach einigen Sekunden der Stille zu erklären und ich kann mir gut vorstellen, dass ihre Unsicherheit daraus gründet, dass ich nach meinem Dank nichts mehr gesagt habe, sondern es zwischen uns mehrere Sekunden vollkommen leise war. Ich habe gemerkt, wie sie ihre stockende Erklärung eben betont hat und kann mir gut vorstellen, dass sie damit sagen will, dass sie es nicht so gemeint hat, als würde sie mir damit ein Kompliment mit romantischem Interesse machen. Dabei merke ich nicht nur ihre generelle Gratwanderung zwischen Nervosität und Entspannung in meiner Gegenwart, nicht nur ihre tiefen Blicke und die pulsierenden Pupillen in ihren wunderschönen Augen, sondern spüre noch viel mehr. Ich spüre Delias Gefühle irgendwo ganz tief in meinem Herzen. Und das muss schon etwas heißen.
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Fading
Teen Fiction🧡🌈🌱 Delia ist siebzehn Jahre alt und fährt in den Sommerferien gemeinsam mit ihrer Mutter, einer strengen, eher gefühlskalten Person in den Urlaub an einen See. Dass Delia dort jedoch auf eine Person trifft, deren Herzenswärme und Geborgenheit si...