𝐊𝐚𝐩𝐢𝐭𝐞𝐥 𝟐𝟐 - 𝐦𝐚𝐲

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(Sorry, falls dieses Kapitel etwas zu viel ist... Ich habe mich glaube ich zu sehr in Mays Gedankenwelt fallen lassen 😅)

-"Sorry... Ich-... Meine Mutter wartet auf mich... Tut mir leid, May", meint Delia mit leiser Stimme, nachdem wir gefühlt eine Ewigkeit lang still schweigend auf den See gesehen haben. Dabei ist meine Hand die ganze Zeit über keine einzige Sekunde lang von der von Delia weg gewichen. In der Stimme der jungen Frau mit den wunderschönen rotblonden Haaren habe ich eine ziemlich starke Spur von Trauer wahrnehmen können. So eine Trauer, die mir fast selbst im Herzen wehtut. Doch ich ermahne mich im nächsten Moment, Delia nicht wieder und nicht noch mehr emotional und generell zu sehr an mich heranzulassen. Auch, wenn ich weiß, dass es irgendeine Form von Verbindung zwischen ihr und mir gibt, die es mir nahezu unmöglich macht, meine Gedanken von ihr abzulassen.
Eine gefühlte Ewigkeit starre ich noch auf den Weg, den sie vor einigen Augenblicken entlanggegangen und dann inzwischen den großen Bäumen verschwunden ist. In mir kommt die Frage auf, was Delia jetzt gerade tut und worüber sie mit ihrer Mutter redet. Ich frage mich, was ihre Mutter allgemein für ein Mensch ist, denn sie scheint ziemlich streng mit ihrer Tochter zu sein, welche mehr oder weniger schon eine erwachsene Frau ist. Und zwangsläufig frage ich mich deswegen auch, was mit ihrem Vater ist. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass kaum streng ist und sie sich gut mit ihm versteht. Aber vielleicht liegt das daran, dass ich selbst auch eher immer ein Papa-Kind gewesen bin und ich mit meiner Mutter oft relativ wenig anfangen konnte.
Als ich zurück in meine Hütte gehe, ist es kurz nach 21 Uhr und es dämmert bereits ein wenig. Die Sonne ist ziemlich plötzlich verschwunden und draußen türmen sich graue Wolken auf, die mich selbst an mein Inneres erinnern. Es fühlt sich fast so an, als wäre eine dieser großen, schweren Wolken in meinem Brustkorb, denn ich spüre klar und deutlich diese plötzliche Schwere in meinem Oberkörper und habe das belastende Gefühl, dass sich mein Herz schmerzhaft zusammenzieht.
Es liegt an Delia. Das sagt meine eine Seite, die sich eingesteht, wie wichtig mir die hübsche junge Frau mit den rotblonden Haaren und den grünblauen Augen und dem interessanten Charakter mittlerweile geworden ist. Noch dazu merke ich immer wieder, dass ich sie irgendwie beschützen will, obwohl ich keine Ahnung habe, wie genau ich das anstellen soll, ohne mich selbst zu überlasten.
Es liegt an irgendeinem unnötigen Grund, den ich nicht definieren kann und über den es sich nicht lohnt, nachzudenken. Das sagt die andere Seite, welche mir davon abrät, mich auf Delia einzulassen und in ihr nichts anderes sieht, als eine nette Bekanntschaft, die keine besonderen Folgen haben könnte. Außerdem ist es auch diese Seite, welche mir immer und immer wieder erzählt, dass ich nicht hier bin, um mich emotional auf jemanden einzulassen, sondern genau für das Gegenteil - um Ruhe zu finden und wieder klarzukommen.
Ich seufze und lasse mich auf das dunkle Sofa fallen. Plötzlich muss ich unwillkürlich wieder an meinen leichten Zusammenbruch denken, den ich in der Nacht nach meinem ersten Zusammentreffen mit Delia hatte. Es ist kaum vier Tage her. Und genau so, wie dort lasse ich mich langsam fallen, bis ich auf dem Rücken liege und an die hölzerne Zimmerdecke starre. Wieder wird mir kalt und ich zittere und wieder einmal rast mein Herz ohne einen wirklichen Grund, was meinen Körper noch mehr zu einem Panikzustand treibt. Ich spüre zwar, wie eisig kalt meine Hände und Füße sind, aber dennoch sind diese schweißnass. So kommt es mir zumindest vor. Langsam versuche ich, mich aufzusetzen, aber mir wird sofort schwindelig und ich habe immer noch Angst, dabei weiß ich gar nicht genau, wovor eigentlich. Ich kauere mich auf dem Sofa zusammen und trotz meiner nassen Hände ist mir kalt und ich zittere immer noch am ganzen Körper. Das Zittern kommt immer wieder in Wellen und langsam öffne ich meine Augen. Mein Blick fällt sofort auf das Fenster, welches sich direkt neben dem Sofa befindet. Ich sehe von draußen die Lichterketten auf meinem Balkon hineinscheinen und obwohl ich weiß, dass ich diese kleinen Dekorationen irgendwann mal für wenig Geld in irgendeinem Laden erworben habe, fixiert sich mein Blick auf das warme Licht dieser. Mein Zittern und der Schwindel verschwindet allmählich wieder, aber dieses unwohle Kältegefühl, sowie mein um einiges beschleunigter Herzschlag bleibt. Ich versuche mich zusammenzureißen, wie ich es immer tue, obwohl mir mittlerweile bekannt ist, wie schlecht dieses Verhalten ist und dass es in Situationen wie dieser auch schnell das Gegenteil bewirken kann. In meinem Kopf schwirrt die Frage umher, ob das bei mir auch der Fall wäre und wie es ausgehen würde. Wer würde mich finden, falls ich mit meinen Nerven endgültig am Ende bin? Und plötzlich frage ich mich auch, was wäre, wenn Delia nun hier wäre. Genau in diesem Moment. Würde es mir besser gehen und würden wir miteinander reden und uns irgendwie gegenseitig aufbauen und helfen? Oder würde es sie überfordern und verängstigen, wie ich hier zusammengekauert auf dem Sofa liege und mich zusammenreißen muss, nicht in jedem Moment wie ein kleines Kind zu heulen? Mein Herz bekommt einen kleinen Riss, als ich mir sicher werde, dass eher das zweite der Fall sein würde. Sie ist noch so jung, vielleicht gerade einmal achtzehn Jahre alt und auch, wenn ich ihr schon einiges über mich erzählt und mein Burnout erwähnt habe, wäre sie sicherlich überfordert und geschockt, mich so zu sehen, wie ich jetzt gerade bin. So wie ich sie kennengelernt habe, würde sie selbst ebenfalls emotional werden und dann dementsprechend auf mich reagieren und ich weiß ganz genau, dass ich das nicht aushalten könnte. Ich kann es mir nicht erklären, aber ich habe den Gedanken, dass ich Delia, wenn es ihr schlecht geht und sie Angst hat oder weint, beschützen müsste. Schon seitdem ich sie vor knapp vier Tagen kennengelernt habe, sagt mir etwas, dass ich für Delia da sein muss, dass ich ihr helfen und ihr immer und immer wieder durch liebe Worte und sanfte Berührungen zeigen kann, dass ich da bin und dass sie gesehen wird. Ich kann mir nicht erklären, warum mir das so wichtig ist, denn schließlich gibt es weder in meinem, noch in ihrem Leben einen Anlass dazu, ihr das Gefühl geben zu müssen, dass jemand da ist und dass sie gesehen wird. Trotzdem fühle ich mich, als müsste es so sein. Und dann kommt noch dazu, dass auch meine generellen Gefühle irgendwie verrückt spielen. Sicherlich auch wegen Delia. Meine Gefühle für sie oder generell meine Empfindungen ihr gegenüber kann ich immer noch nicht definieren. Denn obwohl ich mich fast so fühle, als wäre ich in sie verliebt, wäre sie einfach nicht der Typ Mensch, mit dem ich beispielsweise ins Bett steigen würde. Niemals! Nicht, dass ich im Allgemeinen etwas dagegen habe oder Delia nicht anziehend finden könnte, aber irgendetwas an dieser Vorstellung fühlt sich für mich falsch an. Und diese Antwort meines Gehirns auf diese vielen Gedanken und Vorstellungen ist nur eine weitere Verunsicherung.
Aber das Bild in meinem Kopf, was wohl wäre, wäre Delia nun in diesem Moment hier, bleibt. Und ich frage mich nicht mehr, wie sie auf mich reagieren würde, was sie möglicherweise denken könnte. Ich maße mir an, zu vermuten, dass sie bei mir bleiben und mit mir reden würde. Wir würden wie schon die letzten Abende über alles Mögliche reden. Ich würde wieder in ihre beruhigenden Augen schauen können und wahrscheinlich würden wir hier zusammen auf dem Sofa sitzen und wortlos an die Wand starren und dabei würden sich wieder unsere Hände berühren und bei mir das auslösen, was Berührungen von Delia bei mir auslösen.
In der Realität bleibt das Ganze aber nur eine Vorstellung, mit der ich mir vormache, dass alles gut sein könnte und mit der mein Gehirn sich der gefährlichen Idee hingibt, dass Delia so für mich da sein könnte, wie ich mir wünsche, es ebenso für sie sein zu können.

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