Kapitel 31 - Ändern

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"Bucky. Ich habe das nicht so gemeint." Ich streckte eine Hand nach ihm aus, doch er wich zurück. "Doch hast du.", entgegnete er und drehte sich von mir weg. Verzweifelt raufte ich mir die Haare und kam mir dabei völlig bescheuert vor. "Ich wollte dir nicht weh tun.", stieß ich zaghaft hervor, obwohl ich genau wusste, dass das nicht die Wahrheit war. "Du lügst, aber das ist okay. Ich habe es nicht anders verdient.", antwortete er ohne mich anzusehen. Sein Blick war starr auf die unzähligen Bäume, die sich vor uns erhoben, gerichtet. "Das darfst du nicht denken Bucky. So ist es nicht.", beteuerte ich und schaffte es endlich, dass er mich anschaute. "Du hast doch keine Ahnung wie das ist.", gab er zurück und ich spürte, dass sich zwischen uns wieder eine unsichtbare Mauer aufrichtete, doch ich war bereit sie wieder einzureißen. Unser Gespräch hatte sich innerhalb von ein paar Minuten eine völlig andere Richtung eingeschlagen und das meinetwegen. Vielleicht war es an der Zeit endlich ehrlich miteinander zu sein, so wie wir es von Anfang an hätten sein sollen. "Wie "was" ist?", hakte ich nach und machte einen Schritt auf ihn zu. "Wenn alle dich verachten, für das was du getan hast, für das was du bist und für das was du immer sein wirst.", sagte er leise und ließ mir eine Gänsehaut den Rücken hinaufkrabbeln. "Ein Mörder und Verbrecher.", fügte er hinzu. In diesem Moment empfand ich nichts als pures Mitleid für ihn, doch trotzdem hatte ich ihn so von mir gestoßen und ihn dort getroffen, wo es ihm am meisten weh tat. "Du weißt, dass diese Zeit lange hinter dir liegt.", meinte ich und legte ihm sanft eine Hand auf die Schulter. Er zuckte unter meiner Bewegung zusammen und schielte auf meine Hand. "Das heißt noch lange nicht, dass ich sie vergessen habe." Er schaute wieder zu den Bäumen vor uns. "Vor allem, wenn man ständig daran erinnert wird." Ich nickte stumm und drückte dabei seine Schulter. Das Schlimmste waren nicht die Menschen wie ich, die ihm öfter gemeine Dinge an den Kopf warfen und in rasender Wut Sachen unterstellten. Das Schlimmste war, dass er sich selbst ein Leben lang verachten würde, weil er das Gefühl hatte nicht genug zu sein. Eine Weile herrschte Stille zwischen uns. Es war als wäre der Streit um unsere gemeinsame Nacht in den Hintergrund gerückt. "Ich kann deinen Schmerz spüren.", flüsterte ich nach ein paar Minuten des Schweigens. Bucky schaute mich von der Seite aus an. "Wie meinst du das?", fragte er. "Erinnerst du dich noch an die erste Nacht im Haus? Du hattest einen Alptraum. Ich weiß nicht...aber mir hat noch nie jemand so schrecklich leid getan wie du in dieser Nacht. Es war, als könnte ich deinen Schmerz wirklich fühlen.", gestand ich. Vielleicht fühlte ich mich jetzt gerade deshalb so mies, weil ich wusste, wie sehr er unter seiner Vergangenheit litt und trotzdem hatte ich seinen Schmerz vertieft. "Ich weiß, dass du das jetzt nicht hören möchtest, aber mir tut es wirklich leid, was ich gesagt habe. Ich...ich schätze ich wollte dich einfach so verletzen, wie ich mich heute morgen gefühlt habe.", meinte ich und spürte, wie er sich versteifte. "Wut ist eine gefährliche Sache. Lass nicht zu, dass du Menschen damit weh tust. Du wirst dich dadurch nur schlechter fühlen.", bemerkte er und ich verstand was er mir damit sagen wollte. Er hatte seine Wut nicht unter Kontrolle halten können und hat dadurch einige gravierende Fehler begangen, die er nicht mehr korrigieren konnte. "Bereust du es?", fragte ich ihn leise und versuchte dabei meine zitternden Finger unter Kontrolle zu bringen. "Was genau?" Er schaute mich wieder an. "Gestern Nacht.", stieß ich hervor und sah ihm direkt in die Augen. Wieder einmal hatte ich das Gefühl er würde sich ein Stück öffnen. Wenn ich jetzt einen Fehler begehen würde, würde ich das bitter bereuen. "Nein.", antwortete er schüttelte zur Bestätigung mit dem Kopf. "Ich fühle mich aber schuldig." Jetzt war ich es, die mit dem Kopf schüttelte. "Das musst du nicht. Es ist meine Schuld. Ich hätte besser aufpassen und mich kontrollieren müssen.", hielt ich dagegen, denn genau das war, was ich mir selbst vorwarf. "Nein Eleanor. Ich habe es mit diesem Spiel provoziert, aber ich schwöre dir, es war nicht meine Absicht dich ins Bett zu bekommen." Es schockierte mich, dass er dachte ich würde sowas von ihm denken. Doch dann wurde mir wieder bewusst, wie sehr ich ihn mit meinen Worten verletzt hatte. Barnes war so unglaublich selbstreflektiert. Eine Eigenschaft, die erst jetzt zu Tage trat und die ich vorher nie bemerkt hatte. "Zu sowas gehören immer zwei. Das könnte ich niemals von dir denken Bucky, ehrlich.", antwortete ich und meinte es auch wirklich so. Er war vielleicht manchmal ein Macho und ein elendig arroganter... Aber er würde mich niemals zu etwas drängen, was ich nicht wollte, oder eine böse Absicht mir gegenüber verfolgen. Sonst hätte er mir nicht das Leben gerettet und dabei sein eigenes aufs Spiel gesetzt. "Ich weiß auch nicht...Du hast mir das Leben gerettet und ich sollte dir mehr als dankbar sein. Stattdessen habe ich meine Wut an dir ausgelassen, obwohl ich eigentlich sauer auf mich und enttäuscht von mir bin. Es war nicht richtig, was ich getan habe und das weiß ich jetzt. Ich hätte nicht abhauen, sondern mit dir sprechen sollen, so wie ich es jetzt auch tue." Nachdem ich geendet hatte, holte ich tief Luft. Das hatte ich nämlich vergessen, als ich meinen Gefühlen Luft gemacht hatte...Naja zumindest einen Teil davon. Bucky antwortete nicht gleich, sondern schien über meine Worte nachzudenken und es breitete sich erneut Stille aus. Dieses Mal kam es mir schon wesentlich friedlicher vor und ich konnte zum ersten Mal seit meiner Flucht die Natur genießen, die mich sonst immer entspannen ließ. Es tat gut mich auszusprechen, auch wenn es nur ein kleiner Teil von dem war, was mein Herz belastete.

Plötzlich griff Bucky nach meiner Hand. Erschrocken zuckte ich zusammen und begegnete seinem durchdringenden Blick. "Eleanor, ich weiß ich bin nach dieser Nacht nicht in der Position Forderungen zu stellen und wir müssen auch nicht weiter über sie sprechen, wenn du nicht möchtest. Aber ich will dir beweisen, dass ich mich ändern kann, das ich nicht der bin, den alle verachten. Letzte Nacht war vielleicht ein Fehler, aber ich bereue sie nicht. Sie hat mir gezeigt, dass ich... dich mag und das in mir doch ein Funken Gefühl steckt, woran ich arbeiten muss. Ich weiß auch, dass es nicht gerade einfach mit mir ist, aber... Alles worum ich dich bitte ist eine zweite Chance, damit ich dir beweisen kann, dass ich es ernst meine. Ich will mich ändern, aber dazu brauch ich deine Hilfe. Bitte." Seine Worte berührten mich und ließen mich für einen Moment vergessen, dass ich letzte Nacht die Kontrolle verloren hatte. Ich hätte mich umdrehen und ihn stehen lassen können, aber das wäre nicht richtig gewesen und auch mein Herz sagte mir, dass ich etwas anderes tun sollte. Statt erneut wegzulaufen, erwiderte ich seinen Blick, ergriff seine Hand und nickte.

Desire - Bucky BarnesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt