Kapitel 41 - Kleine Unendlichkeit

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Wortlos öffnete ich die Tür und drehte mich sogleich wieder um. Wie erwartet war es James, der sich in mein Zimmer schob und leise die Tür hinter sich schloss. Ich stand mit dem Rücken zu ihm und traute mich nicht, mich zu ihm umzudrehen. Ich konnte ihm nicht ins Gesicht sehen. Nicht nachdem Steve unerwartet in unsere Welt geplatzt war und ich vor zehn Minuten noch auf James Schoß gesessen hatte. Ich gab vor ein paar Bücher zu sortieren und ignorierte ihn. Dabei lauschten meine Ohren jedem Geräusch das von ihm ausging. Mittlerweile kannte ich ihn gut genug, um zu wissen, dass er mir gleich etwas sagen würde. Doch es würde laufen, wie es jedes Mal in den Filmen lief, wenn sich das Mädchen einen Geliebten anlachte und dann doch wieder ihr langjähriger Freund auftauchte. Ich würde die Hand heben und Barnes zum Schweigen bringen, egal wie sehr er versuchen würde mir sein Herz auszuschütten. Wir waren von Anfang an zum Scheitern verurteilt gewesen. Ich hätte es besser wissen müssen. Niemand kann die Augen vor der Realität verschließen. Wir hatten es gewagt und waren kaum, dass wir es getan hatten von der Realität mitsamt ihrer Wahrheit eingeholt worden.  Doch das Leben würde weitergehen. Genau wie in den Filmen. Das Mädchen würde mit ihrem Freund glücklich werden und der Geliebte würde ein neues Mädchen kennenlernen. Eines, das vollkommen ihm gehörte. Verzweifelt schüttelte ich den Kopf über die dämlichen Gedanken, die sich in meinem Kopf angesammelt hatten. Das Leben war kein Film. Es war hart und gemein. Ganz gleich wie sehr man versuchte das zu verhindern.

"Hör auf." Eine Hand legte sich auf meine und ließ mich vor Schreck zusammenzucken. Meine Augen begegneten Buckys. Als hätte ich mich verbrannt zog ich meine Hand beiseite und brachte etwas Abstand zwischen uns. "Womit?", antwortete ich, tat als wäre nichts gewesen und knallte ein Buch schwungvoll in mein Bücherregal. "So zu tun als wäre es vorbei." Seine Worte trafen mich härter als sie sollten. Hätte ich nicht so viel Würde besessen, hätte ich mich beinahe gekrümmt, so sehr zog mich mein Herz in diesem Moment zusammen. "Es ist vorbei.", sagte ich und bemühte mich dabei um einen festen Unterton. Vergeblich. Wen wollte ich eigentlich bescheißen? "Das meinst du nicht so." Er streifte sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht und bedachte mich mit einem intensiven Blick. Ich wollte antworten "Doch. Es ist Steve. Er ist es schon immer gewesen.", doch stattdessen drehte ich mich von ihm weg, um mein verletztes Gesicht zu verstecken. Eine Träne fand ihren Weg und lief mir die Wange hinunter. Kurz bevor sie mir vom Kinn tropfen konnte, wischte Buckys Daumen sie fort. "Nicht.", warnte ich ihn und hob die Hand, ohne ihm dabei ins Gesicht zu sehen. Seine Berührungen ließen mich nur noch mehr spüren, was ich in dem Moment als Steve dieses Haus betreten hatte, verloren hatte. "Es muss nicht so enden Elle.", hörte ich James leise sagen. Plötzlich wandelten sich all die angestauten Gefühle in Wut und ich drehte mich schwungvoll zu ihm um. "Wie soll es das nicht Bucky?! Steve ist hier. Er ist verdammt nochmal nur ein paar Räume weiter. Was erwartest du von mir? Was hast du gedacht? Das wir hier für ewig feststecken und eine kleine Unendlichkeit gründen?" Ich atmete schwer und machte vor Schreck meines Ausbruchs einen Schritt zurück. Es vergingen ein paar Sekunden in denen ich dachte Barnes endgültig vergrault zu haben, doch das Gegenteil war der Fall. "Ich bin nicht bereit uns aufzugeben und ich weiß, dass du das auch nicht möchtest.", hielt er dagegen und schaute mir dabei unablässig in die Augen. Ich seufzte. "Ich bin es so leid James. Ich bin es leid mich dauernd schlecht zu fühlen, mich immer zu fragen ob es das richtige ist, was ich tue. Ich bin es leid Entscheidungen zu treffen, die andere verletzen. Ich will das nicht mehr und ich kann es auch nicht.", brach es aus mir heraus. Tränen kullerten mir über die Wangen. In diesem Moment war mir klar, wie James sich immer fühlte wann immer er mit seiner Vergangenheit konfrontiert wurde. Ich war verzweifelt. Und doch waren da zwei starke Arme, die sich um mich schlangen, eine Starke Brust, an die ich meinen Kopf lehnte, und ein Herz, das in diesem Augenblick nur für mich schlug. "Ich wollte dir nicht weh tun.", flüsterte ich und vergrub mein Gesicht tiefer an seiner Brust. Er legte seinen Kopf auf meinen ab und antwortete: "Ich weiß Elle..." Einige Minuten vergingen und ich wünschte dieser Moment würde für ewig andauern. Doch leider wusste ich, dass das niemals geschehen würde. Langsam löste ich mich von Bucky, doch er gab mich nicht frei. Seine Arme waren wie ein Käfig, um mich herum geschlungen, fest davon überzeugt mich nicht gehen zu lassen. "James.", sagte ich leise und schaute ihm traurig in die Augen. Er schüttelte den Kopf und bedeckte meine Lippen mit einem zärtlichen Kuss. Wieder hätte ich zurückweichen, ihn endgültig abweisen müssen, doch ich war wie festgefroren. Eine wohlige Wärme breitete sich in mir aus und sorgte dafür, dass ich mich wieder enger an Bucky presste. Es war wie eine Sucht. Ich konnte ihn nicht wegstoßen. Zu groß war das Verlangen nach seiner Nähe. Er lehnte seine Stirn an meine und legte beide Hände an meine Wangen. "Du bist das Beste, was mir jemals passiert ist Eleanor Stark.", meinte er leise. Der Blick, den er mir gab war so intensiv, dass ich das Gefühl hatte er würde mir direkt in die Seele schauen und mein Innersten zu Tage befördern. "Ich wünschte es wäre einfacher für uns." Meine Worte waren mit Bedacht gewählt, versuchten ihn darauf vorzubereiten, was in der kommenden Zeit sowieso eintreten würde. Wir würden uns voneinander trennen müssen und jeder würde an seinen Platz zurückkehren. Doch jetzt, wo sowieso alles dabei den Bach runterzugehen, sollten wir diesen kleinen Moment für uns nutzen, denn wir mussten beide davon würden nicht mehr viele auf uns warten. "Was wäre das Leben ohne ein bisschen Risiko.", murmelte Barnes und ein kleines Lächeln umspielte seine Lippen. Auch wenn ich wollte, ich konnte nicht zurück lächeln, sondern quälte mich. "Ein letztes Mal Elle.", versprach er mir und legte seine Lippen sanft auf meine. Ich wollte widersprechen, doch ich hatte mich bereits in seinem Bann verloren. Ich ließ mich von ihm in Richtung Bett dirigieren und schnappte zwischen unseren feurigen Küssen immer mal wieder nach Luft. Ein letztes Mal trat meine Vernunft hervor, bevor sie sich schließlich vollständig verabschiedete. "Bucky.", keuchte ich. "Was ist mit Steve?", fügte ich hinzu und seufzte erneut als er seine Lippen auf meinen Hals legte. "Er schläft im Wohnzimmer. Ich habe gesagt ich schlafe in Tonys Zimmer." Gegen meinen Willen musste ich lachen und steckte Barnes damit an.

Es war ein letzter Moment der Unbeschwertheit als wir das intimste teilten, was zwei Menschen miteinander tun konnten. Und obwohl in diesem Augenblick keiner von uns daran dachte, wussten wir es beide. Wenn wir am nächsten Morgen durch meine Zimmertür treten würden, würde unsere gemeinsame Geschichte enden.

Desire - Bucky BarnesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt