Kapitel 35 - Ich bin da

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Es vergingen ein paar Tage in denen es uns wieder ins Haus zog. Ich hatte keine Ahnung welches Datum wir mittlerweile hatten. "Fest steht, es wird kalt.", hatte Bucky geantwortet als ich ihn nach danach gefragt hatte. Und damit sollte er recht behalten. Längst hatten die Bäume um uns herum ihre Blätter verloren und ein eisiger Wind pfiff ums Haus herum. Doch nicht nur die Kälte bereitete mir Sorgen, auch unsere Vorratskammer sah mit jedem Tag mickriger aus. Zwar rissen wir uns zusammen und beschränkten unser Essverhalten nur auf das Nötigste, aber ein normaler Mensch brauchte trotzdem mindestens eine vernünftige Mahlzeit am Tag. Bucky war es durch seine Zeit bei Hydra zwar gewohnt seine eigenen Bedürfnisse hinten anzustellen, aber auch er stieß an seine Grenzen. "Immerhin haben wir beide nach der Aktion hier wahrscheinlich unser Wunschgewicht erreicht.", witzelte er als ich ihm half ein paar Holzstücke ins Wohnzimmer zu tragen. Ich war mir zwar immer noch nicht sicher, ob es eine gute Idee war den Kamin anzuschmeißen, doch auch ich wollte in der Kälte nicht weiter frieren. Gemeinsam einigte ich mich mit Bucky darauf nur Feuer zu machen, wenn es bereits dunkel war. Andernfalls fürchtete ich im Hellen von jemandem entdeckt zu werden, wobei es mir ohnehin schon ein Rätsel war, wie uns bisher noch niemand entdecken konnte.

"Schmeckt ungewöhnlich, aber irgendwie...lecker." Bucky schnupperte an der Tasse vor sich und nahm dann noch einen kleinen Schluck. Als ich die Vorratskammer durchwühlt hatte, um wirklich die letzten Lebensmittel hervor zu befördern, war mir eine Dose mit Teebeuteln in die Hände gefallen. Als Barnes mir schließlich beichtete, dass er noch nie in seinem Leben Tee getrunken hatte, fackelte ich nicht lange und setzte heißes Wasser auf. Belustigt beobachtete ich ihn wie er erneut an dem Getränk nippte. "Hör auf zu lachen.", kam es augenrollend von ihm. "Ich lache doch gar nicht richtig!", protestierte ich und musste mich zusammenreißen nicht loszulachen. "Aber du würdest gerne.", gab er zurück und stellte die Tasse auf dem Couchtisch ab. "Das halte ich für eine bösartige Unterstellung.", antwortete ich und setzte mich im Schneidersitz neben ihn. Bucky dagegen lehnte sich zurück und schaute in das prasselnde Kaminfeuer. Wären wir nicht so in Lebensmittelnot gewesen, wäre es tatsächlich sehr gemütlich gewesen. "Mach dir nicht immer so viele Sorgen. Das ist ungesund.", unterbrach Barnes meine Gedanken. Ich warf ihm einen skeptischen Blick zu. "Mittlerweile merke ich es sofort, wenn du so nachdenklich bist.", erklärte er und zwinkerte mir zu. Ich lächelte leicht. In den letzten Tagen hatten wir weder gestritten, noch waren wir aneinander geraten. Es war eher so als würden wir all die Gemeinsamkeiten entdecken, die wir hatten. Wir lachten viel, sprachen über Bücher die wir beide gelesen hatten oder ich spielte Bucky ein paar Musikstücke von etwas älteren CD's vor, die mir gefielen. Es war beinahe so, als wäre endlich Harmonie eingekehrt und doch wussten wir beide, dass wir uns langsam etwas einfallen lassen mussten, wenn wir hier überleben wollten. Wasser kam aus dem Hahn, aber Essen, das ließ sich nicht so einfach auftreiben. "Du tust es schon wieder Eleanor.", bemerkte er. Ich schüttelte augenrollend mit dem Kopf. "Ich bin nur irgendwie...erschöpft.", gestand ich. Ich hatte in letzter Zeit viel nachgedacht. Nicht nur über unsere Situation, sondern vor allem über Steve. Und doch war ich zu keinem Ergebnis gekommen. Ich fühlte mich immer noch schuldig, auch wenn Bucky über uns beide kein Wort mehr verloren hatte. Damit würde ich jedoch leben müssen. Müde gähnte ich und fasste mir an die Stirn. Bucky warf mir einen verständnisvollen Blick zu. "Geh ruhig. Ich lasse das Feuer noch ausbrennen." Erst zögerte ich, doch dann stand ich auf, blieb jedoch vor Barnes stehen. "Gute Nacht Barnes." Er zeigte mir ein schiefes Lächeln. "Schlaf gut.", erwiderte er. Zufrieden drehte ich mich um und tapste in mein Zimmer. Sofort fröstelte es mich und ich sprang schnell unter meine Decken. Bucky hatte schon vor ein paar Tagen versucht mich davon zu überzeugen ebenfalls im Wohnzimmer zu schlafen, doch ich wollte ihm nicht zumuten, dass er auf dem Boden schlafen musste, auch wenn er es mir angeboten hatte. Ich hatte mir noch ein paar Decken aus Tonys Schlafzimmer geholt, die mir die Kälte zum Glück relativ gut vom Leib hielt. Allerdings wusste ich, dass das keine Dauerlösung war. Leider hatte das Haus nur im Wohnzimmer einen Kamin. Das hieß, wenn es hart auf hart kommen würde, würde das der Raum sein indem wir uns die meiste Zeit aufhalten würden. Mit einem Seufzen ließ ich mich in mein Kissen sinken und fiel wenig später in einen traumlosen Schlaf.

Mitten in der Nacht schreckte ich jedoch hoch und lauschte in die Dunkelheit. Zuerst dachte ich, ich hätte mir das zarte Klopfen an meiner Tür nur eingebildet, doch dann vernahm ich es ganz deutlich. Sofort war ich mit einem Satz aus dem Bett und mit zwei schnellen Schritten an der Tür. Vorsichtig öffnete ich sie und erschrak erneut. "Bucky.", flüsterte ich leise und schaute den völlig verstörten Mann vor mir mit großen Augen an. "Hattest du wieder einen Alptraum?", fragte ich. Er nickte stumm, unfähig etwas zu sagen. Eine Welle von Mitleid durchflutete meinen Körper. Ohne nachzudenken griff ich vorsichtig nach seiner Hand, wohl darauf bedacht nicht seinen Metallarm zu berühren, und zog ihn in mein Zimmer. Ich deutete auf mein Bett und legte mich anschließend neben ihn. Sein Gesicht war dem meinem so nah, dass ich das Gefühl hatte seine Augen könnten mir von seinen Träumen selbst erzählen. "Es tut mir so leid.", stieß mein Gegenüber hervor und unterdrückte einen Schluchzer. Ich spürte ein heftiges Stechen in meiner Brust, so leid tat er mir. Zitternd nahm ich all meinen Mut zusammen und streichelte ihm sanft über die Wange. "Es ist okay. Ich bin hier.", wiederholte ich immer und immer wieder die beruhigenden Worte. Buckys ganzer Körper bebte und ich spürte förmlich, dass es ihn innerlich zerriss. Sowas schlimmes hatte ich noch nie erlebt und ich konnte nichts weiter tun, als für ihn da zu sein, ihn zu halten und ihm das Gefühl zu geben nicht alleine zu sein. "Schhhh.", flüsterte ich und streifte erneut über seine Wange, mein klopfendes Herz ignorierend. "Ich wollte dich nicht wecken, ehrlich.", versuchte Bucky sich unter schnellem Atem zu rechtfertigen. "Es ist alles gut Bucky, hörst du. Ich bin froh, dass du zu mir gekommen bist.", antwortete ich leise und drückte seine Hand. Die Vorstellung das er sich so schon jahrelang alleine durch diese Nächte kämpfte, bescherte mir einen Knoten im Hals, der mir beinahe selbst die Luft abschnürte. "Ich bin da.", wiederholte ich meine Worte und fuhr mit dem Daumen hauchzart über seine Wange. "Du musst mich ansehen.", forderte ich ihn sanft auf und schaffte es, dass er mir in die Augen sah. Wieder spürte ich die Verletzlichkeit, die in seinen Augen lag. Er hatte das nicht verdient. "Alles wird gut.", meinte ich und nahm nicht eine Sekunde den Blick von ihm. Es dauerte weitere Minuten, doch dann ebbte das Beben seines Körpers langsam ab. "Ich möchte nicht, dass du dich unwohl fühlst.", stieß er hervor und schnappte sofort wieder nach Luft. Ich schüttelte den Kopf und legte ihm den Zeigefinger auf die Lippen. das war wirklich das letzte woran ich gerade dachte. "Ich habe Angst einzuschlafen.", gestand er ein paar Minuten später, nachdem sich sein Atem wieder beruhigt hatte. "Versuch zu schlafen. Ich bin bei dir, gleich hier. Versprochen.", versicherte ich ihm und drückte erneut seine Hand. Er nickte und schloss zögerlich, aber erschöpft die Augen. Nun war ich es die versuchte ihre Atmung unter Kontrolle zu bringen. Es war mitten in der Nacht und wieder lagen wir gemeinsam in einem Bett. Erinnerungen, die längst vergessen sein sollten krochen wieder an die Oberfläche, doch dieses Mal war es anders. Ich war es Bucky schuldig. Ich wollte ihm helfen. Er verdiente es. Ein paar Sekunden später erklang Buckys gleichmäßiger Atem und ich seufzte erleichtert auf. Jetzt konnte ich ebenfalls wieder zur Ruhe kommen. Ich betrachtete ihn ein letztes Mal, bevor ich ebenfalls die Augen schloss. Doch ich bekam noch mit wie Bucky einen Arm um mich schlang und mich fester zu sich heranzog. Vorsichtig kuschelte ich mich in seine Umarmung. "Du hättest nicht anklopfen müssen. Du kannst immer zu mir kommen.", flüsterte ich in die Dunkelheit.

Desire - Bucky BarnesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt