chapter 3

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„Kaffee, ihr Süßen." Ale stürmte das Schlafzimmer und rümpfte missbilligend die Nase. „Ihr müsst dringend aufhören, euch hier drin zu verkriechen." Sie riss die Decke weg und ich versuchte nicht einmal sie festzuhalten. Aus den Kissen neben mir ertönte ein genervtes Grummeln, bevor Cael sich aufrichtete und die Augen rieb.

„Brüderchen." Ale strich über Azaels zerknautschte Wange, der auf der Chaiselongue schlief und wie immer schwer wach zu kriegen war. Der Zusammenhang zwischen Ramiels Macht und der drei aus seinem Haus war mir noch nicht so ganz klar. Aber es war kaum zu leugnen, dass die drei nicht annähernd so mächtig waren, wie in Ramiels Gegenwart. Ich hatte sogar die Vermutung, dass ihre Macht von seiner abhing. Azaels weißblonde Haare standen in alle Richtungen ab, als er sich schließlich aufrichtete und seiner Schwester Platz machte. Er begann ihre Haare zu flechten und ich kuschelte mich schnell wieder ein, nachdem Cael die Decke zurückgeholt hatte. Ich ahnte, dass Ale uns nicht mehr lange Ruhe gönnen würde. Und so war es, ich hatte meine Augen gerade wieder zugeklappt, da stand sie auf und hievte mich in eine sitzende Position.

„Also Leute", begann sie. Ihre schwarzen Haare glänzten im Licht der goldenen Wände. Azael hatte ihr hübsche Zöpfe geflochten und sie trug Kajal und Eyeliner. Ale sah also genauso perfekt aus wie immer. Fast jedenfalls. Sie hatte, wie wir auch, Ringe unter den Augen, die vorher nie da gewesen waren und eine Traurigkeit im Blick, die mich immer wieder erschütterte.

„Ihr wisst, dass es gesund ist, seine Gefühle auszuleben. Traurig zu sein, wenn man traurig ist und es nicht mit falscher Fröhlichkeit überspielt. Sich zurückzieht und tagelang nichts weiter macht, als Löcher in die Wand zu starren. Ihr stellt euch euren Gefühlen und lebt sie aus und das ist bewundernswert. Doch ich sehe auch, wie ihr drei aufgebt. Wie euch eure Trauer gefangen nimmt und von innen heraus auffrisst. Und das kann ich nicht zulassen." Sie blinzelte Tränen weg.

„Wir haben vieles versucht, aber noch nicht alles und ich finde es ist an der Zeit zu drastischeren Maßnahmen zu greifen." Ale funkelte uns entschlossen an.
„Die da wären?" Cael blinzelte erschöpft und ahnte anscheinend ebenfalls nichts Gutes.
„Wir werden einen Mord begehen."

Nach einem kurzen, totstillen Moment schnaubte ich amüsiert und nippte an meinem Kaffee. Azael und Cael begannen lautstark mit Ale zu diskutieren.
„Wen willst du umbringen?"
„Bassel, Masariel, Alicia, spielt keine Rolle."
„Masariel?", echote ich.
„Sie ist die Befehlsgeberin der Hohen Garde." Ale schmunzelte.

„Das war nicht der Offizier?"
„Nein, die Hohe Garde besteht aus Soldaten, sie führen Befehle aus. Sie geben sie nicht. Das habe ich dir alles schon mal erklärt, Vio."
„Und die Hochzeit?" Meine Stimme war leise geworden und ich wich dem Blick der anderen aus. Es war das erste Mal, dass ich über diesen Tag sprach.

„Da hat er eigenmächtig und hinter Masariels Rücken gehandelt. Er hat es riskiert, weil es unumkehrbar gewesen wäre. Wenn er nicht tot wäre, würde sie ihm eine schöne Strafe verpassen."

„Und wieso willst du sie umbringen?"
„Sie wird Baseel unterstützen, wenn er Anspruch darauf erhebt, dein Meister zu sein."
Uff. Ich schaute etwas perplex in die Gesichter der anderen. „Ihr macht euch schon länger Gedanken darum?" Sie nickten widerstrebend. Und ich fluchte. Ich hatte etwas entscheidendes vergessen. Schlimmer geht immer.

„Okay." Ich setzte mich aufrecht hin. „Was haben wir für Lösungen?" Die Überraschung der drei übersah ich geflissentlich und leerte meinen Becher. Cael rutschte ebenfalls bis zum Kopfteil und Azael und Ale machten es sich am Fußende des Bettes gemütlich.

„Also", begann Azael, „wir haben die alten Bücher quergelesen und allem Anschein nach gibt es drei Möglichkeiten, um ihm diesen Anspruch zu verwehren. Jemand anderes erhebt einen gültigen Anspruch, eine Hochzeit oder wir beweisen, dass du keinen Meister brauchst. Dazu haben wir nur einen einzigen Fall gefunden, bei dem es funktioniert hat, aber wir haben das Protokoll dieser Zeremonie."

„Wenn ich schon dieses Wort höre", ätzte ich und ließ meinen Kopf gegen das Polster sinken. Eine Zeremonie in der Hölle hat für mich noch nie etwas Gutes bedeutet.
„Ich weiß." Ale nickte mitfühlend. „Eigentlich sind die meisten Zeremonien echt schön. Wenn zum Beispiel neue Dämonen geboren werden, gibt es eine, oder wenn sie von anderen Dämonen aufgenommen werden, wie es bei Azael und mir der Fall war, dann gibt es eine richtige Feier."

„Weil es nicht oft vorkommt", ergänzte Cael. „Die meisten jungen Dämonen wachsen in einer Art Internat auf und werden dann verschiedenen Magistern und Lehrmeisterinnen zugeteilt, bis ihre Ausbildung abgeschlossen ist. Die wenigsten kennen ein anderes zuhause als dieses Internat. Die meisten Dämonen sind einfach zu selbstbezogen, um familiäre Werte zu schätzen."

„Stimmt, aber zurück zum Thema", würgte Ale ihn entschieden ab. „Wir sollten einen Mord begehen, damit wir endlich ihre Aufmerksamkeit haben. Damit sie uns ernst nehmen. Wir wissen, dass wir jünger und unerfahrener sind, aber dennoch sagt das nichts darüber aus, wie kompetent wir wirklich sind. Bestes aktuelles Beispiel. Der menschengemachte Klimawandel zerstört die Erde. Wälder verbrennen, der Meeresspiegel steigt, unzählige Tier- und Pflanzenarten sind vom Aussterben bedroht oder bereits ausgestorben, Flüsse und Seen trocknen aus.

Und die, die die Entscheidungsgewalt innehaben, nehmen es nicht ernst genug. Sie erkennen die Folgen nicht. Sie weigern sich einzusehen, dass die Erde, wie sie sie kennen bald nicht mehr existieren wird und dass die Menschheit in ihrer Existenz bedroht ist. Die jüngeren Menschen haben das schon eher erkannt. Sie sind diejenigen, die in achtzig Jahren mit den Folgen leben müssen. Doch niemand hört auf sie."

„Das ist leider absolut richtig." Mehr als ihr recht geben konnte ich nicht. Es war unangenehm und gruselig sich mit den Folgen des Klimawandels zu beschäftigen, aber wenn wir es nicht tun würden, jetzt in dieser entscheidenden Zeit, würde das Leben, wie wir es kennen, genauso wie Millionen von Menschen sterben.

„Und genauso ist es auch bei uns. Wir müssen das jetzt in die Hand nehmen, wir müssen jetzt etwas tun, sonst gibt es bald nichts mehr, was wir tun können und niemanden, der uns mehr helfen kann."

Throne of BloodWo Geschichten leben. Entdecke jetzt