chapter 6

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„Guten Abend die Damen." Eine dröhnende Stimme ertönte hinter mir und ich wirbelte herum. An den Kaminsims gelehnt, stand ein junger Mann. Er hatte kohlrabenschwarze Haare, die bläulich schimmerten und auffällige Augen, die an ein Reptil erinnerten. Seine Kleidung passte nicht zu diesem Jahrhundert, denn er trug einen anthrazitfarbenen Frack, lederne Stiefel und altmodische Hosen. Und er war nahezu überirdisch schön. Wir verharrten regungslos, bis Sumi es irgendwann schaffte ihre Kinnlade hochzuklappen.

„Wie sind Sie hier reingekommen?" Laut Ramiel lag schließlich ein Bann um das Dorf, der es jedem übernatürlichem Wesen unmöglich machte es zu betreten.
„Oh, es gibt eine Art Geheimtür. Schließlich musste die societas iustitiae, wie sie sich unpassender Weise nannten, schließlich irgendwo ihre Spione empfangen."

„Und sie waren...", begann Sumi, wurde aber von einer abrupten Geste unterbrochen.
„Nein." Er verzog das Gesicht. „Doch ich habe meine Quellen."
„Und was wollen Sie von uns?" Ich hatte meine Stimme endlich wiedergefunden und funkelte ihn nun wütend an, während ich mein Schild überprüfte.

„Von mir geht keine Gefahr aus, Viona. Ich habe eher etwas zu sagen, das euch interessieren dürfte." Die alte Intelligenz, die in seinem Blick lag, passte nicht zu seiner jugendlichen äußerlichen Erscheinung.

„Wer bist du?", fragte ich und mein Blick wanderte zu einer goldenen Brosche mit einem merkwürdigen Zeichen darauf zu seinen schwarz lackiert Fingernägeln und zu den protzigen Ringen an seinen Fingern. Er richtete seinen Kragen und einen Moment konnte ich einen Blick auf einen schimmernden Stein werfen, der an einer Kette, um seinen Hals hing.

„Spielt keine Rolle. Ich wollte euch nur sagen, dass ihr, wenn ihr heute eurer üblichen Abendbeschäftigung nachgeht, ein sehr interessantes Treffen beobachten werdet."
Ich setzte zu einer Erwiderung an, doch im nächsten Moment war vor dem Kamin nur noch eine Rauchwolke zu sehen, die bläulich schimmerte.

„Was zur Hölle?", entfuhr es Alex und sprach damit aus, was wir alle dachten. Ich warf einen Blick auf Ellie, die zum Glück nur entgeistert, aber keineswegs ängstlich erschien. Sumi dachte angestrengt nach. Zwischen ihre Augenbrauen hatte sich eine steile Falte gebildet und ihre Finger fuhren die Umrisse ihres Ohrrings nach.

„Oh mein Gott. Wisst ihr, wer das gewesen sein muss?" Sie sah uns vollkommen entzückt an.
Alex schnaubte ungeduldig, als Sumi tatsächlich auf eine Antwort von uns wartete. „Sag es uns einfach!"
„Ein Hexenmeister. Das muss ein Hexenmeister gewesen sein."
„Ich dachte, die sind alle tot?", erwiderte Ellie.
„Angeblich haben die Dämonen doch alle anderen übernatürlichen Wesen umgebracht", pflichtete ich Ellie bei.

„Das stimmt, aber das, was wir gerade gesehen haben, sagt was anderes. Vielleicht sind doch welche entkommen."
Ellie erstarrte. „Du meinst, es könnte sein, dass es außer Dämonen noch andere Wesen gibt?"
Sumi nickte, war aber immer noch in Gedanken. „Vielleicht gab es unentdeckte Nachfahren oder die Hexenkunst wird nicht über eine Blutlinie, sondern wahllos vererbt." Sie spinnte weiter. „Dann könnte es sein, dass Vampire nie ausgestorben sind, sondern nur gelernt haben, sich besser anzupassen", dachte sie laut, stockte dann aber abrupt und erstarrte.

„Oh mein Gott." Sie sah Ellie und Alex an. „Die Frau, von der wir gesagt haben, dass sie aussieht, als wäre morgen Halloween. Sie könnte eine Vampirin gewesen sein! Und der bärtige Riese könnte... Da waren auch ein kleiner Mensch und ein weißhaariger Mann mit spitzen Ohren." Sumi sprach weiter, während Alex Ellie beruhigte und meine Gedanken zum Devils Dreams wanderten. Eindeutig hatte der Hexenmeister von dem Club gesprochen. Nur war die Frage, ob wir ihm soweit vertrauen sollten, dass wir seiner Empfehlung nachkommen.

„Wie läuft es mit Jessi?", fragte ich Alex neben mir, während ich den Wagen aus Sumis Einfahrt steuerte.

„Ziemlich toll", schwärmte they. „Letztes Wochenende waren wir mit ihren Eltern essen. Die Stimmung war zwar nicht angenehm, aber es hätte viel schlimmer sein können und Jessi war so glücklich, dass ich es auch als Erfolg ansehe." Alex verzog das Gesicht. „Auf dem Rückweg zum Auto hat uns nur so ein Idiot hinterhergepfiffen und dann haben seine Freunde anzügliche Bemerkungen gemacht. Nur weil wir Händchen gehalten haben. Wir haben uns nicht einmal geküsst und dennoch sexualisieren sie uns so krass. Das ist einfach nicht fair." Alex schnippte Staubkörnchen von ihrem Rock.

„Da hast du sowas von recht!"
„Erzähl ihr, was du dann gemacht hast", forderte Sumi they auf. Ellie sah grinsend nach vorn.
„Ich war irgendwie auf Konfrontationskurs an dem Tag. Naja, jedenfalls bin ich stehen geblieben, woraufhin die verstummt sind und bin dann zurückgegangen. Ich habe mich ganz ruhig vor sie gestellt. Dann habe ich gesagt, wie unangenehm das für mich war und sie gebeten, so etwas in Zukunft zu unterlassen. Sie haben kein Wort rausgekriegt und ich bin davon gerauscht."

„Wow! Ich meine, du bist nicht verantwortlich dafür diese Idioten auf ihr Fehlverhalten aufmerksam zu machen und sie aufzuklären, aber das war total mutig von dir."

„Und es hat sich richtig gut angefühlt, auch wenn ich weiß, dass ich nicht immer die Kapazität für eine Auseinandersetzung habe. Zudem hätte es halt auch ganz anders laufen können." Bevor das mit Ramiel geschah, hatte ich gerade erst wieder von einem Angriff auf einen queeren Club gehört. Man konnte schnell vergessen, wie gefährlich das Leben auch heutzutage noch für LGBTQIA+ Menschen war.

„Also, mit Vio können wir zwar nicht mithalten, aber wir werden mit unseren Outfits jedenfalls nicht negativ auffallen", bemerkte Alex, während they über den Schlitz des kurzen schwarzen Rocks strich, den they trägt. Dazu ein transparentes schwarzes Oberteil und Alex war glücklich. Ich war bei meinem Höllenoutfit geblieben und hatte nur die Stiefel gegen mein schwarzen Doc Martens gewechselt.

Es regnete noch immer und ich warf immer wieder einen Blick auf die Rückbank, um zu sehen, ob Ellie ihre Entscheidung mitzukommen, bereute. Doch sie schien gelöst und erzählte von Tyrone und dem Mädchen, das er gerade datete.

„Es dauert nicht mehr lange." Ich lächelte Ellie an und sie lächelte zurück.
„Ich zähle die Tage, bis zu seinem achtzehnten Geburtstag!"
Als wir in die Straße einbogen, stachen mir die rot leuchtenden, flackernden Buchstaben des Devils Dream sofort ins Auge. Das D und s leuchtete erst ein paar Takte nach den anderen Buchstaben wieder, sodass da alle paar Sekunden nur evil Dream stand. Ich parkte im Schatten auf der gegenüberliegenden Straßenseite, weit entfernt von den Straßenlaternen und machte das Auto aus.

Vor dem Eingang hatte sich eine kleine Schlange gebildet und zwei große Gestalten kontrollierten den Einlass.
„Also wie sicher sind wir uns, dass das keine Falle ist?" Ich band meine Haare mit einer Klammer zusammen.
„Fifty-fifty?" Alex grinste.

„Ich vertraue ihm." Sumi zupfte zweimal an ihrem Ohrring mit dem koreanischen Schriftzeichen für Liebe, dann dreimal an dem für Mut. Ihre persönliche Glücksbringergeste.
„Glücksbringerinnen wäre auch ein passender Name für euch drei." Ich grinste meine Besties an. Dann schnappte ich mir Alex Handy und änderte unseren Gruppennamen.

„Und wie sollen wir dich nennen?" Ellie sah mich an. Ein Grinsen zupfte an ihren Lippen, als sie meinen fragenden und etwas überrumpelten Blick sah. „Hmm." Sie tippte sich ans Kinn. „Wie nennt man die Freundin des Kronprinzen der Hölle? Eure Hoheit vielleicht?" Ellie konnte ihr Lachen nicht länger zurückhalten und Sumi verbarg ihr breites Grinsen hinter ihren Händen, bevor sie eine Verbeugung andeutete.

„Ihr seid so verrückt."
Alex versuchte im Sitzen einen Knicks zu machen und mir blieb nichts anderes übrig als in Gelächter auszubrechen. Ich hatte es gewusst. Dass die Nähe zu diesen drei mir unheimlich guttun würde. Und den Schmerz verblassen lassen, ohne dass ich etwas dafür tun musste.

Throne of BloodWo Geschichten leben. Entdecke jetzt