III

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Ramiel

Sie hatte es getan. Vio hatte es geschafft das Unmögliche zu vollbringen, meine Seele zu befreien, nachdem ich sie verloren glaubte. Nachdem alle sie verloren glaubten.

Die Klinge in ihrer Hand leuchtete. Der blutrote Stein und die Scherbe des Spiegels funkelten im Schein des flüssigen Golds um uns herum. Aber es war nicht nur die Klinge, Vio selbst verstrahlte ein überirdisches Funkeln. Um sie herum schlugen die Flammen immer höher. Sie vereinten sich über ihrem Kopf zu einer Krone. Einer Krone aus Feuer. Blauweißes, grelles Feuer.

Der Teufel war schockiert, wie ich es noch nie gesehen hatte. Er stierte sie ungläubig an, stammelte wirres Zeug, bis Vio ihm verkündete: „Ich bin dein Ende."

Er fing an zu lachen, zischte Worte, die ich nicht verstehen konnte, weil das Brausen seiner Magie durch den Thronsaal jagte. Die Magie, die ich viel zu gut kannte und die seit Anbeginn meines Lebens mit Schmerzen verbunden war. Sie roch nach verbranntem Fleisch, nach endlosen Qualen, nach der dunkelsten Finsternis. Der Teufel lachte Vio aus. Lachte sie und ihre Klinge aus.

Layken lag am Boden, von unsichtbaren Ketten ihrer Magie gefesselt, beobachtete er das Geschehene ungläubig. Der Teufel zischte Vio weiter sein Gift entgegen, bis es ihr genug war und sie zustach. Sein Lachen würde mich für immer verfolgen, genau wie dieser Moment. Das Gold um uns herum schlug Blasen, drückte gegen das Schild, das sie um Ale, Azael und Cael gelegt hatte. Es fraß sich in Laykens Haut, nur um mich machte es einen kleinen Bogen. Ließ die Stelle, an der ich stand, unberührt und ich fragte mich, ob Vio wusste, wie instinktiv sie inzwischen ihre Magie beherrschte. Wie viel Kontrolle sie besaß.

Leviatha erschien und stieß leere Drohungen aus. Es war merkwürdiges Timing von ihr jetzt aufzukreuzen. Direkt, nachdem der Teufel umgebracht wurde. Mein Blick schnellte zu Layken. Einem Dämon, aber nicht irgendeinem. Leviatha war nicht ohne Grund hier. Sie war hier, um ihren Sohn zu beschützen. Azalee packte mich am Arm, zog mich Richtung Ausgang als die Fürstin endgültig zu Boden sank. Der Onyx Dolch, der zu meinem Haus gehörte, steckte in ihrer Brust. Das Brausen seiner Magie wurde ohrenbetäubend laut. Sein Blut vermischte sich mit dem flüssigen Gold. Mit seinem letzten Atemzug sah der Teufel von der Höllenfürstin zu Layken und in dem Moment wusste ich es.

Ich war meinen Dämon losgeworden, den bösen Zwilling, der mich kontrolliert hatte und stattdessen hatte ich einen Bruder bekommen. Einen Bruder, dessen Gesicht voller Wut und Trauer war.

Ich wollte in ihrer Nähe sein. Die ganze verdammte Zeit. Aber sie ging mir aus dem Weg. Mied meine Gemächer, pendelte zwischen ihrem Wohnheimzimmer, dem Studierzimmer und meiner Bibliothek hin und her. Sie hatte seit zwei Tagen nicht geschlafen, sich keinen Moment der Ruhe genommen.

Sobald ich die Bibliothek betrat, spürte ich sie. Und noch mehr vernahm ich ihre Anspannung. Sie kratzte über meine Haut, über meine Seele. Vio saß mit dem Rücken an der Wand. Genau hinter ihr befand sich ein Geheimzimmer, das ich ihr unbedingt noch zeigen wollte. Aber nicht jetzt. Nicht wenn es so vieles gab, über das wir sprechen mussten.

Sie sah nicht hoch als ich näherkam und ich unterdrückte den aufkommenden Schmerz. Ich wollte ihr nah sein, aber wenn sie das Bedürfnis nach Abstand hatte, war ich der Letzte, der das nicht respektierte. Oder nicht verstehen konnte. Ich wollte ihr Zeit geben, doch auch wenn ich uns nicht in akuter Gefahr sah, war ich zum Handeln gezwungen. Einige Vorbereitungen waren bereits getroffen, aber wir mussten mehr tun. Ich hatte mich nur noch nicht dazu durchringen können, es auszusprechen. Es wahr zu machen. Als ich gerade entschieden hatte, wie ich beginnen wollte, fragte sie mich nach Azael.

„Vio...", versuchte ich es erneut und ging vor ihr auf die Knie. Ich sog die Luft ein, als ich das unsichere Schimmern ihrer Seele vernahm. Sie hatte Schmerzen, sie litt und ich wusste nicht, was ich tun konnte. „Ich muss dir was sagen." Meine Schatten reagierten auf den Schmerz in ihrer Stimme, auf die Angst, die in Wellen von ihr ausging. Sie nahm meine Hand und ein Teil von mir jubelte erleichtert. Dann sah sie endlich, endlich zu mir hoch und ihr Blick brachte mich zum Wanken.

„Als ich aus dem Saal gerannt bin..." Ihre Stimme stockte und alles in mir ging in höchste Alarmbereitschaft über. „Da hat Luzifer etwas gesagt. Zu Layken." Die Erinnerung an diesen Moment verfolgte mich die ganze Zeit. Ich stöhnte innerlich auf. Ich hatte ihr Zeit geben wollen, dabei hat sie es die ganze Zeit gewusst. „Er hat ihn Sohn genannt."

Ich betrachtete meinen Siegelring an ihrem Finger. Den Onyxdolch an ihrer Hüfte. Ihren vorsichtigen Blick und ich presste einen entschuldigenden Kuss auf ihre Handinnenfläche, bevor ich unsere Hände miteinander verschränkte.

„Ira petit sanguinem", versprachen wir uns.

Und dann standen wir in diesem Thronsaal, gefangen in dem schlimmsten Alptraum, ohne Zugriff auf meine Magie und bewegungsunfähig. Vio verschwand vor unseren Augen ebenso wie die Abordnung des Zirkels.

Laykens Blick war triumphierend. Ich konnte förmlich sehen, wie er analysierte, wen er als erstes ausschalten musste, um mich zu schwächen. Er versuchte sich festzukrallen, aber ich würde ihn abschütteln. Er hatte das schlau eingefädelt, ihr noch ein paar Morde untergeschoben und sie so zur Feindin gemacht.

Meine Position war aufgrund der vergangenen Monate nicht die stärkste, aber ich war immer noch der Kronprinz und hatte das mächtigste Haus hinter mir. Das hier wird schwer, aber ich werde sie befreien. Es gab keine andere Option. Und ich sah an Azalees Gesichtsausdruck und den entschlossenen Mienen von Cael und Azael, dass es ihnen genauso ging. Vio gehörte zu uns. Und wir würden sie zurückholen. Layken kannte mich nicht und nach allem, war ich mehr als bereit der Dunkelheit in mir ein Stück nachzugeben. Er wird leiden, dafür werde ich sorgen. Dafür werden wir sorgen.

ENDE

Throne of BloodWo Geschichten leben. Entdecke jetzt