chapter 36

161 17 1
                                    

Nachdem ich erfolgslos versuchte hatte zu schlafen, las ich die letzten Seiten in Kingdom of the Wicked und schickte danach ein fünfminütiges begeistertes Audio in unsere Gruppe. Sobald die Besuchszeiten begonnen, war ich bei meiner Oma. Heute las ich ihre Neuerzählung zu Dornröschen vor. Um herzukommen hatte ich einen Umweg über die Hölle gemacht. Denn auch wenn ich noch nicht innerhalb einer Welt teleportieren konnte, konnte ich in die Hölle teleportieren und dann zu einem Ort meiner Wahl in unserer Welt. Es fühlte sich ein bisschen an wie mogeln, aber es war vorerst die beste Lösung.

Als die Besuchszeit für das Mittagessen endete, verabschiedete ich mich von meiner Oma. Nakir, die ihren Vorgänger abgelöst hatte, war nun hier postiert, um auf meine Oma aufzupassen. Wir tranken noch kurz einen Kaffee. Ich musste nicht fragen, wie es ihr ging. Ihr Hijab war schwarz. Das war aussagekräftig genug.

„Nimm dich vor ihm in Acht. Er wirkt harmlos, aber das ist er nicht", warnte sie mich zum Abschied.
Ich nickte. „Das befürchte ich auch."

Die Gänge im Goldenen Palast wirkten verlassen wie eh und je. Doch im Gegensatz zu meinem ersten Besuch, wusste ich jetzt, dass das nur eine Täuschung war. Es war alles da. Türen, Tore, Zimmer. Es war nur versteckt.

Ich stieg die Treppen zu Ramiels Gemächern hoch, als mich etwas hart im Gesicht traf. Meine Lippe platzte auf und Blut lief über mein Kinn. Ich riss meinen Schutz hoch, doch trotzdem wurde ich wieder getroffen. Dieses Mal in die Seite.

„Findest du es witzig, mich auszutricksen?" Zaphs Stimme war vor Wut verzerrt. Er griff nach meinem Oberarm und teleportierte uns.
„Ich weiß nicht, was du meinst", zischte ich und wehrte seinen nächsten Schlag ab. „Was ist das?" Ich versuchte den Stock zu greifen, mit dem er mich erneut angriff. Wir waren mitten in der Sandwüste gelandet.

„Na, was wohl." Er traf mich wieder. Dieses Mal an meiner Schulter. „Eine magieresistente Waffe." Er amüsierte sich eindeutig. Ich war jetzt diejenige, die richtig wütend wurde.

„Ich bin gerade nicht in Stimmung zu trainieren", knurrte ich. Zaph lachte leise und der nächste Schlag holte mich von den Beinen. Mir lag ein Fluch auf den Lippen, aber ich war zu beschäftigt damit, seinen nächsten Schlägen, die auf mein Gesicht zielten, auszuweichen und wieder auf die Beine zu kommen.

Ich sammelte meine Magie und feuerte eine beträchtliche Ladung in seine Richtung. Er legte den Kopf schief und grinste. „Mir scheint, du hast noch viel zu lernen, Prinzessin. Wie gut, dass ich mich deiner angenommen habe."
„Kriege ich auch so einen?" Ich deutete auf den Stock und ließ ihn nicht aus den Augen.
Sein überhebliches Grinsen wurde breiter. „Das wäre ja noch schöner. Nein, den muss man sich verdienen."

Mir brach der Schweiß aus. Meine Lippe pochte. Überall dort, wo der Stock mich getroffen hatte, prickelte es unangenehm. Das Höllenfeuer glühte über uns und mein T-Shirt war innerhalb von Sekunden schweißgetränkt. Meine Magie spielte verrückt. Sie regulierte nicht mehr meine Körpertemperatur und sie machte auch keine Anstalten meine Verletzungen zu heilen.

Zaphs Grinsen war teuflisch. Als er erneut angriff, fiel es mir noch schwerer seinen Schlägen auszuweichen. Ich versuchte es, doch er traf mich immer wieder. Ich fiel, rappelte mich wieder hoch, schützte irgendwann nur noch mein Gesicht und lenkte die härtesten Schläge ab. Unzählige Male versuchte ich ihm den Stock zu entwinden. Erfolglos.

Ich schaffte es nicht ihm einen einzigen Schlag zu verpassen, weil er mich mit dem Stock auf Abstand hielt. Das war so frustrierend, dass ich in Tränen ausbrechen könnte. Nicht wegen den Schmerzen, aus denen mein ganzer Körper bestand, sondern weil es niederschmetternd war, so haushoch besiegt zu werden.

Als Zaph endlich von mir abließ und verschwand blieb ich auf dem Rücken liegen, den Blick nach oben gerichtet und versuchte wieder zu Atem zu kommen. Tränen liefen über mein Gesicht und sickerten in den trockenen Boden. In meinem Mund knirschte es und mein Hals war so trocken, dass jedes Schlucken eine Qual war.

Ich verfluchte Zapharias und seine gesamte Existenz und mich. Wie konnte es sein, dass er mich so leicht schlagen konnte? Ich konnte es nicht abstreiten, es kratzte beträchtlich an einem Ego, von dem ich noch gar nicht gewusst hatte, dass es existierte.

Der Pfoten Abdruck auf meiner Schulter begann zu jucken, genau wie die Haut über meinem Sternum. Ich richtete mich auf und sah misstrauisch in alle Richtungen. Doch es war nichts zu sehen. Nichts und niemand. Ich tastete nach meiner Magie und ließ mich erleichtert wieder nach hinten sinken, als ich sie spürte.

„Vioo", hallte plötzlich ein Echo von Ales Stimme durch meinen Kopf.
„Ale?"
„Oh, meine Hölle, endlich! Du musst herkommen. Es ist etwas passiert." Sie klang trügerisch ruhig, zu gefasst.
„Ähm." Ich stand vorsichtig auf.
„Was ist los? Ist alles okay bei dir?" Ich verfluchte ihre Aufmerksamkeit. Ihre Gemächer blitzten vor meinem inneren Auge auf.

„Ich bin so schnell wie möglich da. Wir reden gleich." Ich unterbrach die Verbindung und setzte vorsichtig einen Schritt vor den anderen. Mich zu teleportieren, versuchte ich erst gar nicht. Denn das Risiko zwischen den Welten verloren zu gehen, weil meine Magie nicht ausreichte, wollte ich wirklich nicht riskieren. Ich folgte meinem Instinkt. Er hatte mich bereits mehrmals aus der Sandwüste herausgeführt. Ich bettete darum, dass es dieses Mal nicht anders sein würde.

Im Gegensatz zu den letzten Malen setzten jetzt allerdings meine menschlichen Bedürfnisse ein. Ich hatte das Gefühl zu verdursten. Ich war unnormal müde. Und auf Toilette musste ich nur nicht, weil ich alles ausschwitzte. Meine Wunden machten immer noch keine Anstalten zu heilen. Nicht einmal meine Lippe hörte auf zu bluten und immer mal wieder fiel ein Tropfen auf den sandigen Wüstenboden.

Ich kämpfte mich Schritt für Schritt immer weiter und wieder dachte ich an Olivia im Zirkel. Gefangen in einer endlosen Schleife, waren unsere Situationen gerade gar nicht so unterschiedlich. Ob sie auch hoffte, einen Ausweg zu finden, so wie ich? Das Ziel zu erreichen? Doch im Gegensatz zu ihr, wusste ich, dass es für mich ein Ziel gab.

Meine Füße wurden immer schwerer. Ich spürte, dass meine Wange angeschwollen war und genauso pochte, wie meine Lippe. Wahrscheinlich war auch noch eine bis vier von meinen Rippen gebrochen, dem dunkelblauen Bluterguss zu folge, der sich an meiner Seite ausgebreitet hatte. Eine weitere besonders anschwellende Stelle war die Rückseite meiner Oberschenkel. Er hatte mich mehrmals dort getroffen und von den Beinen geholt und ich wollte gar nicht wissen, welche Farbe die Flecken dort annahmen.

Noch immer war keine Turmspitze, kein goldenes Funkeln am Horizont zu sehen und das machte mir so langsam Sorgen. Vielleicht wäre es doch schlauer gewesen, an Ort und Stelle zu warten, bis meine Magie regeneriert war und ich mich sicher genug fühlte, um zu teleportieren.

Meine Jeans scheuerte an den Wunden und als der Boden plötzlich zu beben anfing, verlor ich sofort das Gleichgewicht und landete auf den Knien. Mit einem matten Lächeln dachte ich an die Ironie, als das letzte Mal die Erde gebebt hatte und ich in der Sandwüste herumirrte. Ich blieb auf den Knien, die Hände auf den Boden gestützt und fragte mich, ob mir wieder eine Rune erscheinen würde, die mich retten würde. In all den letzten Wochen hatte ich nicht oft darüber nachgedacht, aber hier wurde die Erinnerung nur wieder allzu deutlich.

Plötzlich war mir so, als würde das Beben näherkommen. Ich drehte mich um und sah, wie etwas meinem Weg folgte. Wie es den Sand aufwühlte und eine Staubwolke hinterließ. Es war schnell. Ich schaffte es nicht einmal aufzustehen, bis es plötzlich bei mir war.

Ich erkannte, was es war, zum Glück rechtzeitig, bevor mein Herz vor Panik aussetzte und als es sich um meine Taille wickelte, um meinen Hals schlang und vor der brennenden Hitze schützte, verlor ich vor Erschöpfung augenblicklich das Bewusstsein.

Throne of BloodWo Geschichten leben. Entdecke jetzt