chapter 39

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Chimi hatte es gewusst. Natürlich. Ich schmiegte mich an die Schlange und ließ mich auf einem der samtgrünen Sessel fallen. Ich war wie betäubt und versuchte mich auf die Einrichtung des Arbeitszimmers zu konzentrieren. Das Stimmengewirr wurde immer lauter, während ich das dunkle Holz der Bücherregale, den großen Schreibtisch und die Leseecke begutachtete. Doch egal, wie sehr ich mich konzentrierte, das Bild von Ale ging mir nicht aus dem Kopf. Ich konnte nicht glauben, dass sie tatsächlich in Gefahr war, verletzt, mit gebrochenen Knochen. Es war so unrealistisch. Die starke, kriegerische Ale. Gefangen und auf den Knien. Und wir? Ich sah die anderen an. Gefangen in unserer eigenen Hilflosigkeit.

Die Generäle diskutierten lautstark. Cael bestürmte Barbados mit Fragen. Genau wie drei andere Mitglieder seines Hauses. Nakir hielt sich abseits und redete mit einer blonden Soldatin. Zwei andere schrien sich an. Ale würde wissen, was zu tun ist. Genau wie Azael. Wenn Ramiel hier wäre, würde es diese Situation nicht geben. Nur ich war vollkommen verloren. Meine Magie war noch da, aber sie hatte sich zurückgezogen. War genauso erschrocken wie ich. Meine Entschlossenheit war wie weggeblasen.

Chimi schlängelte sich von mir weg und schwebte durch den Raum auf Barbados zu. Er schafft es kaum eine abwehrende Haltung anzunehmen, da hatte sie sich ihm auch schon um den Hals gewickelt. Er wurde blass und dann lief er innerhalb von Sekunden rot an. Eine Person nach der anderen verstummte. Bis es still war. Dann lockerte Chimi ihren Würgegriff und sah mich an.

Ich seufzte innerlich, riss mich dann zusammen und stand auf. „Ihr beide." Ich deutete auf die beiden Soldaten, die sich gerade noch angeschrien haben. „Ihr seid dafür verantwortlich, dass ihr allen Mitgliedern erzählt, dass wir uns gerade beraten und eine Versammlung einberufen wird, sobald wir fertig sind." Sie senkten kurz den Kopf, zum Zeichen, dass sie verstanden hatten und gingen zur Tür. „Eins noch", hielt ich sie auf. „Kein Wort." Ich sah Barbados demonstrativ an. „Zu niemandem." Meine Stimme war leise, Chimi zischte, als würde sie die Drohung, die in meinen Worten steckte, unterstreichen. Wieder senkten sie den Kopf. Tiefer dieses Mal.

Sobald die Tür wieder verschlossen war, verstärkte ich den Schutzschild, den ich vorhin auf die Schnelle um den Raum geworfen hatte und sah die Versammelten an. „Setzt euch." Ich bedeutete Barbados neben mir Platz zu nehmen. Cael holte noch zwei Sessel aus dem angrenzenden Raum und ich wartete, bis alle sich gesetzt hatten. „Erklär uns bitte, wie es dazu kam, dass du im Thronsaal Ramiels Gestalt angenommen hast. Du bist Hiras Botschafter, welche Rolle spielt euer Haus dabei."

Mephistopheles zuckte leicht zusammen. Er und die anderen auch, hatten vergessen, wer da in unsere Mitte stand, während das Chaos ausbrach.

„Wir hatten vor einigen Nächten die Ehre Ramiel und seine Mitreisenden an unserem Hof willkommen zu heißen. Ihr müsst wissen, dass wir in unserem Reich die Tage und Nächte künstlich simulieren", fügte er hinzu. „Ramiel und meine Fürstin zogen sich in langwierige Beratungen zurück. Gestern reiste er ab und heute kam eine Reiterin, geschickt von Ramiel herangeprescht." Er hob bedeutungsvoll die dunklen Brauen, obwohl ich keine Ahnung hatte, was er damit aussagen wollte. „Sie berichtete uns von den Umständen hier und Hira entschloss sich dazu, euch zu helfen und mich auszusenden." Erst jetzt nahm ich den für Haus Gier typischen Geruch wahr. Er lag irgendwo zwischen einer zu oft angefassten Münze und dem Geruch einer Schatzkammer, die seit Jahrhunderten nicht betreten wurde.

„Und worüber...", begann Cael. Ich räusperte mich und warf ihm einen kurzen Blick zu. Er verstummte. Wir konnten es uns nicht leisten durchblicken zu lassen, dass wir nicht wussten, um was es in den Verhandlungen ging.
„Wie habt ihr es so schnell hierhergeschafft?", lenkte ich Barbados Aufmerksamkeit zurück auf mich.

„Mit dem Pferd." Seine Augen leuchteten auf.
„Einem Höllenpferd?" Nakirs Blick war fassungslos.
Barbados nickte zufrieden. „Genau dem. Ihr könnt euch nicht vorstellen, was für eine Freude es ist, durch die Reiche zu reiten, zu fliegen trifft es eigentlich eher."

Diese Neuigkeiten schlugen ein, wie eine Bombe. Ich fing Caels unsicheren Blick auf und erwiderte seine stumme Frage mit einem kaum merklichen Schulterzucken. Ich hatte keine Antwort darauf. Denn wenn er über ein Höllenpferd gebieten kann, wieso ist er dann nicht selbst gekommen?

Astaroth war inzwischen noch blasser geworden. Seine Miene war verkrampft und versprach nichts Gutes. Ich lenkte Nakirs Aufmerksamkeit auf mich und formte mit den Lippen Azaels Namen. Sie verstand und verließ lautlos den Raum.
„Wo ist das Pferd jetzt?", meldete sich die blonde Soldatin zu Wort, mit der Nakir geredet hatte.

„Ihr werdet es kaum glauben. Sobald ich abgesessen bin, ist ein schwarzer Rauch aufgestiegen und als er sich verzogen hatte, war von dem Pferd keine Spur mehr zu sehen." Barbados Augen leuchteten. Es war gut zu wissen, dass auch dämonische Wesen noch zu beeindrucken waren. „Und meine Fürstin ist einem Verbündeten zu Hilfe geeilt." Ich glaubte nicht, dass es einfach nur eine noble Geste war, wie er es andeutete. Aber darüber zu diskutieren, würde uns gerade nicht weiterbringen.

Ich überlegte Barbados zu danken und konnte Mephistopheles erschrockenen Blick schon detailgetreu vor mir sehen, entschied mich aber dagegen, weil ich so ein Gefühl hatte, dass wir so oder so dafür bezahlen würden. „Es tat jedenfalls gut dich zu sehen." Die Generäle betrachteten mich misstrauisch. Ich umging ihre Regeln, ohne direkt gegen sie zu verstoßen.

Barbados nickte. Der Geruch nach Münzen wurde stärker. „Meine Fürstin ruft nach mir. Ich mache mich jetzt lieber auf den Weg." Er nickt in die Runde und verließ dann das Zimmer.

„Ich möchte, dass die beiden Soldaten, die Zapharias überwachen regelmäßig Bericht erstatten", wandte ich mich an die Generäle. „Wir brauchen einen Plan." Ich sah in die Runde. „Irgendwelche Ideen?"

Mephistopheles riss das Ruder mit aller Gewalt an sich und ich überließ es ihm. Die Diskussion gestaltete sich zäh. Meine Gedanken waren bei Azael und bei Ale, bei Ramiel und ich kam mir immer verlorener vor. Wie kann es sein, dass er nicht zurückkommt? Was könnte wichtiger sein?

Als Nakir in der Tür erschien und mir ein Zeichen gab, erhob ich mich, Chimi war um meine Taille gewickelt und ich verließ den Raum. „Er ist nicht bei Bewusstsein, aber Varaine sagt, er wird vermutlich in den nächsten Stunden aufwachen. Sie konnten die Wunden schließen." Ich atmete erleichtert aus. „Wie ist die Lage?" Sie nickte in Richtung des Arbeitszimmers.

„Schwer zu sagen. Ich glaube nicht, dass sie eine Einheit zusammenstellen werden, um Ale zu holen. Sie wollen das Risiko nicht ohne Ramiels Befehl eingehen."
„Aber du nimmst doch seine Position ein." Nakirs dunkle Augenbrauen zogen sich ärgerlich zusammen.

Ich seufzte. „Aber nicht offiziell. Sie werden es nicht anerkennen."
Die Dämonin schnaubte. Ihre Augen blitzten angriffslustig. „Dann machen wir es ohne sie."
„Uns bleibt wohl nichts anderes übrig", stimmte ich ihr zu. Sie nickte und ihre Entschlossenheit färbte auf mich ab. „Wir beraten uns mit Azael, sobald er wach ist, dann stellen wir eine Einheit zusammen und machen sie fertig." Chimi zischte zustimmend und meine Magie erschauerte vorfreudig.

Nakir sah mich an und ich spürte, dass sie noch etwas sagen wollte. „Was geht dir durch den Kopf?"
„Es war viel los in den letzten Tagen, aber dennoch..." Sie war nervös, was untypisch für sie war. „Ramiel benimmt sich merkwürdig." Ihre Stimme war so leise, dass ich sie gerade so verstehen konnte. Nakir erwiderte meinen Blick. Unsicher, vorsichtig.

„Ich war mir nicht sicher", gab ich zu. „Weil ich ihn nicht als Kronprinz kannte, aber seit er wieder da ist, wirkt er auf mich wie ein Fremder." Ich kam mir vor, wie eine Verräterin und warf Chimi einen vorsichtigen Blick zu. Doch die Schlange schmiegte sich nur enger an mich.

Nakir blinzelte. Angst und Sorgen stand in ihren Augen, genau wie in meinen. „Er war nie so, wie er es jetzt ist. Ich glaube, irgendetwas stimmt nicht mit ihm."

Throne of BloodWo Geschichten leben. Entdecke jetzt