chapter 60

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Sobald sich meine Hände um den Anhänger schlossen, wusste ich, was ich in der Hand hielt. Und Layken wusste es auch. Seine Augen waren schockgeweitet. Seine Konturen wurden immer undeutlicher, während ich aufstand. Blut lief mir über die Stirn und meine Knöchel pochten erwartungsvoll. Im Vorbeigehen streifte ich Ramiels Hand. Sie war eiskalt. Wieder hörte ich in mich und dieses Mal antwortet meine Magie mit einem Brüllen, das mir Angst machen sollte. Erinnerte sie mich eigentlich an das Abbild eines schimmernden Sees im Mondschein glich sie jetzt einem Taifun. Einem mächtigen Tiefdruckgebiet. Einem Wirbelsturm. Zerstörerisch. Wütend. Voller Hass. Und unkontrollierbar. Laykens Gesichtsausdruck wechselt von verständnislos zu besorgt.

„Ale, bring mir das Amulett."
„Ramiel." Meine Magie hielt Layken an Ort und Stelle, während ich mich zu ihm umdrehte. Ramiels Augen waren pechschwarz. Kein onyxfarbenes Funkeln und erst recht kein smaragdgrünes. Schwarze, bodenlose Leere. Er sah mich an, doch da war nichts. Keine Regung. Kein Erkennen. Er legte den Kopf schief, erwiderte meinen Blick, bevor sich seine Lippen zu einem genüsslichen Grinsen verzogen.

„Oh, endlich", seufzte er und packte mich. „Endlich fühle ich gar nichts mehr, wenn ich dich ansehe." Cael hinter mir schluchzte auf. Er begriff bereits, was ich nicht zu begreifen bereit war. „Du hast ihn verloren." Der falsche Ramiel lachte. Unsere Verlobungsringe an seinem Oberarm waren verblasst, verschwunden und das machte es wirklich real. „Weißt du, Viona. Bisher fühlte er sich immer merkwürdig in deiner Gegenwart. Als wären alle Gefühle, die du dir vorstellen kannst, chaotisch durcheinander gewürfelt. Dabei sollte er eigentlich gar nichts fühlen. Nichts, was dermaßen kompliziert ist. Nur Grundgefühle Wut natürlich, Hass, Angst, Verlangen. Mehr nicht. Und das war auch so. Wenn du nicht da warst. Und ab jetzt?"

Er lachte triumphierend. „Ab jetzt ist das der Dauerzustand. Und das für immer." Sein Lachen wurde lauter. Ich wollte zurückweichen, aber er hielt mich fest und hob mich hoch. Als ich mich nach Ale umsah, bemerkte ich Laykens zufriedenes Grinsen. Kurzerhand ballte ich meine Magie und knallte ihm fest eine. Ich verstand nicht alles, aber ich verstand genug. Er hatte mich betrogen, mich benutzt, mich manipuliert, um Ramiels Seele zu zerbrechen. Wut und Hass waren gar keine Ausdrücke mehr für das, was ich empfand. Er wird so leiden. Der Begriff Höllenqualen wird ihm im Gegensatz zu dem, was ihn erwartet, wie Ferien vorkommen.

„Ich finde es toll, wenn du so blutrünstig bist." Der falsche Ramiel sah mich aufmerksam an. Er sonnte sich in seinem Triumph.
Ich sah Ale näherkommen. „Was war das da oben mit der Frau?", fragte ich leise.

„Du meinst Acrasia? Die Fae Prinzessin?" Er stellte mich zurück auf den Boden. „Kommt ganz drauf an, was du gesehen hast. Oder meinst gesehen zu haben." Seine Antwort war trocken und sein Blick landete auf Layken. „Gute Arbeit", lobte er ihn und Layken neigte den Kopf.
Hass brodelte in mir. War kurz davor überzuschäumen. „Was... was meinst du damit?" Meine Stimme zitterte. Ale war fast neben mir.

„Ich meine damit, dass der liebe Layken da drüben dir eine Droge untergemischt hat, die du eigentlich inzwischen allzu gut kennen solltest. Folge davon sind Halluzinationen und optische Täuschungen." Drogen. Layken hatte mich unter Drogen gesetzt. Der Typ mit dem ich geschlafen hatte. Mit dem ich eigentlich befreundet war. Wer zur verdammten Hölle war er?

„Also hat er die Fae nicht geküsst?"
„Pah." Der falsche Ramiel machte eine wegwerfende Handbewegung. „Er war vollkommen außer sich, weil er dich mit ihm gesehen hat. Er ist mit der Fae in den Raum, aber nur um nicht überzureagieren."
„Achtung, Prinz", rief Layken, der verdammte Verräter. Er hatte das Amulett in Ales Hand gesehen, aber es war zu spät. In dem Moment, wo ich es berührte, brach die Hölle los.

Der Club begann zu beben. Die Lichter flackerten unkontrolliert und ein magisches Summen lag in der Luft. Dem falschen Ramiel verging augenblicklich das Lächeln. Gut so.

„Nur ein Fürst kann..." Layken stotterte. „Das ist unmöglich." Wie oft ich diese Worte schon gehört hatte. Wann verstanden sie endlich, dass in dieser Welt so gut wie nichts unmöglich war? „Der Teufel... unser Herrscher..." Er brabbelte weiter.

Die Macht in mir war ohne ihres gleichen. Sie war kein Fluss, wie sonst. Sie war kein Meer. Sie war ein Ozean. Sie war alle Ozeane. Sie war ohne Grenzen, unendlich und sie gehörte mir. Ich teleportierte uns alle in den Thronsaal. Weg aus der Welt der Menschen und mitten in die Hölle. Augenblicklich stieg die Temperatur, wie sie es schon einmal getan hatte. Das Gold wurde flüssig wie Wachs. Ich legte einen Schild um alle, bis auf Layken und Ramiel. Das Gold begann zu brodeln und zu kochen. Die Flammen der Fackeln loderten bläulich. Alle waren von mir abgerückt und das sollten sie auch.

„Luzifer." Ich erkannte meine eigene Stimme nicht. „Komm kurz her." Wie schon einmal breitete ich meine Magie aus. Anstatt nach Leviatha zu suchen, durchsuchte sie jedes Reich, jede Ebene, jeden Höllenkreis nach dem Teufel. Meine Magie wanderte tiefer und das Summen wurde lauter. Ich suchte ihn, bis ich ihn fand. Dann zerrte meine Magie ihn zu mir in den Thronsaal.

„Hand", befahl ich. Der Teufel zögerte und meine Magie formte sich zu einer Klinge und schnitt sie ihm ab. Er schrie, war völlig überrumpelt, doch ich ignorierte ihn. Der falsche Ramiel wich zurück. „Hiergeblieben." Meine Magie drängte ihn zu mir zurück. Seine Haare hingen ihm verschwitzt in der Stirn. Sein Hemd klebte an ihm. Er röchelte. Das Gold um uns herum schlug Blasen und köchelte. Dann wurde es von einem bläulichen Schimmer überzogen. Über meinem Kopf spürte ich meine Magie brennen. Im flüssigen Gold erkannte ich, dass sie eine Krone aus blauem Feuer formte.

Ich spürte wie ich zu schweben begann, wie meine Magie mich hochhob, als ich den Splitter von Laykens Anhänger und das Amulett zusammenbrachte. Alle drei Insignien waren jetzt vereint. Ich spürte, wie die Machtverhältnisse in der Hölle sich verschoben.

Der Blick des Teufels zuckte wild umher. „Nein. Nein. Nein." Sein Stammeln ging im Tosen der Magie unter. Sie formten sich in meiner Hand zu einer Klinge. Einer Klinge mit dem roten Feuerstein in der Mitte des Griffs und dem Spiegel Splitter direkt darunter.

Ich nahm die abgeschlagene Hand des Teufels und trieb die Klinge in den Smaragd Ring. Der seelenlose Ramiel wandte sich gegen meine Magie, doch er hatte keine Chance. Das smaragdgrüne Schimmern, das vorsichtig aus dem Ring aufstieß, ließ mich einen Moment innehalten. Ich strich mit meinen Fingerspitzen sanft über die Energie und ein warmes Prickeln durchfuhr mich augenblicklich. „Hallo Liebling", flüsterte ich, während die Seele zu ihrem Besitzer zurückschwebte.

Ich richtete den Blick zurück auf den Teufel. Seine Augen schienen fast aus ihren Höhlen zu quellen. So ungläubig sah er aus. „Aber du... du solltest das nicht können." Ich lachte leise. Die Magie hatte mir eine der Wahrheiten eröffnet, über die ich immer wieder gestolpert bin, aber nie ganz verstanden habe. „Wir hatten einen Plan..."

„Lucifer." Ich seufzte schwer. „Du hast es ja immer noch nicht verstanden." Mein Ton war derart herablassend, dass ich mich fast vor mir selbst fürchtete. Oder mich selbst amüsierte.
„Alle Vorbereitungen... alles umsonst." Der Teufel war blass geworden.
„Ich bin dein Ende."

Das schien ihn wach zu rütteln, denn er begann zu zucken. Amüsiert zu zucken. Dann brach das Lachen aus ihm heraus. „Du bist eine Nepeheline. Eine starke, das gebe ich zu. Du hast meine Rachepläne sehr gut erfüllt und mich immer mal wieder überrascht. Was nicht oft passiert. Ich hätte dir bis zum heutigen Abend alles durchgehen lassen. Für das große Ganze, weißt du?" Seine Magie baute sich auf. Sie war erdrückend und schwer wie Pech. Sie brannte wie heißes Pech und stank wie Fäule. Sie war alle Todsünden vereint.

„Ich habe es dir versprochen, erinnerst du dich?", fragte ich ihn lauernd und kam näher. „Ich habe dir versprochen, dich zu töten."
Der Teufel brach in Gelächter aus. Die Klinge in meiner Hand begann zu summen. Um uns herum wogte flüssiges Gold. Sein Gesichtsausdruck veränderte sich. „Du wirst es bereuen, dich gegen mich gewendet zu haben, Viona Cartwright." Aber seine Magie flachte ab.
„Das glaube ich nicht."

„Viel Glück." Er ergab sich. Ich konnte es nicht anders beschreiben und das ließ mich innehalten. „Ach komm schon, Viona. Ich habe deinem Seelengefährten seine Seele genommen. Habe deine Mutter gefoltert, nachdem ich dafür gesorgt habe, dass die Engel deinen Vater umbringen. Habe dich benutzt, wie andere eine Klobürste benutzen um meinen Dreck wegzuwischen. Ganz davon zu schweigen, welche Schmerzen ich ihm angetan habe. Welche Qualen, welches Leid. Du hast es gesehen, oder? Die Wunden, die Narben. Hast du auch seine Schreie gehört?"

Throne of BloodWo Geschichten leben. Entdecke jetzt