chapter 18

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Ramiel

Ich hörte ihre Stimme. Spürte ihre Hände auf meinem Rücken. Wie sie über meine Wunden strich, schmeckte das Salz ihrer Tränen in dem wohligen Geschmack ihres Blutes. Spürte die Wahrheit ihrer Worte in dem Geschmack ihres Blutes. Spürte ihre Wahrhaftigkeit.

Doch der Schmerz in meinem Inneren. Der nagende Hunger war so viel größer. Sie wirkte unbedeutend gegen ihn. Alles wirkte unbedeutend im Anbetracht meines Hungers. Ich registriere die Dämonin in unsere Nähe, die wimmernd auf dem Boden lag. Hörte ihr dunkles Blut, durch ihre Adern rauschen. Sie war leichte Beute. Und mein Hunger kannte keine Grenzen.

Ihre Hände fielen reglos von meinem Rücken. Es war nicht mehr viel Blut übrig. Etwas begann zu glühen und ich hielt erstaunt inne.

Auf ihrer Brust leuchtete ein Zeichen. Ein Zeichen, dass mir etwas sagen sollte, das wusste ich genau. Sie bewegte sich nicht. Sie atmete kaum noch.

Die Dämonin kam krabbelnd näher. Sie griff das Messer, das direkt neben ihr lag und schnitt sich in die Hand. Ihr Blut roch verlockend und ich beobachtete die Dämonin interessiert dabei, wie sie mir ihren ausgestreckten Arm hinhielt.

Auf meinem Rücken begann es zu brennen und ich brüllte und bäumte mich auf. Glühend heißes Feuer versenkte meine Haut und ich stürzte mich auf die Dämonin in der Hoffnung dem Schmerz zu entkommen. Es waren auch immer Erinnerungen, die mich quälten, zusätzlich zu dem physischen Schmerz. Erinnerungen, die mich in Sicherheit wähnten, bis mich der Schmerz überwältigte. Doch dieses Mal blieb mein Blick klar. Er blieb klar auf sie gerichtet, während ich die Dämonin aussaugte und ihre Magie mein Blut zum Leben erweckte. Doch das dämonische Blut war nicht so mächtig, nicht so wohltuend wie ihres.

Ich blickte hoch und musste mitansehen, wie sie sich auflöste. Wie die Stelle, an der sie gerade noch gelegen hat, plötzlich leer war. Ich brüllte und ein Schmerz, der alles, was ich jemals gefühlt hatte, überschattete, fraß sich durch meinen Körper. Er setzte mich in Flammen, ihr Blut verbrannte in mir. Ich stand in Flammen. Ewigwährenden Flammen der Schuld und sie loderten immer höher, verbrannten alles, was ich jemals gewesen war und alles, was ich hätte sein können.

Da war der kleine Junge, der einst existiert hat. Der es liebte mit seinen Brüdern und seiner Schwester zu spielen. Der es liebte zu lesen und auf einer Fensterbank in einer Bibliothek zu sitzen.

Da war der Sohn, der von seinem Vater misshandelt und diszipliniert wurde. Der sich dennoch ein Stück seiner selbst bewahren konnte. Der gewann und gewann, jedes Mal triumphierte, wenn sein Vater dachte, er hätte ihn endlich gebrochen.

Da war der junge Dämon, der von Hexen verflucht wurde und bis zur Besinnungslosigkeit trank, weil er merkte, dass er etwas verloren hatte, von dem er gar nicht wusste, dass es existierte.

Da war der Kronprinz der Hölle, der ein Mädchen mit rosa Haaren auf einer Party beobachtete. Der sich gegen jede Wahrscheinlichkeit in sie verliebte. In dieses Mädchen mit den schweren Stiefeln, den goldenen Ringen, den rosa Haaren, das nach Büchern und Birkenblüten roch. In das Mädchen, dass ihre Freundinnen mehr liebte, als sich selbst, dass Mädchen, das die Hölle überlebte, die Finsternis, das mutig genug war, einen Dämon umzubringen. Ein Mädchen, das zu einer unglaublichen jungen Frau wurde, mit einem einzigartigen Lachen und den schönsten Meerblauen Auge, die er je gesehen hatte.

Er hing in Ketten in einer Zelle. Und er war noch immer nicht gebrochen. Er glaubte, es geschafft zu haben. Dass er durch ihre Liebe, durch die Liebe, die er empfand, unbesiegbar wurde. Schlussendlich war sie es, die seinem Vater zu seinem Ziel verhalf. Die dafür sorgte, dass der Prinz für immer verloren war. Gebrochen in Teile, die nie wieder zusammengefügt werden konnten.

Sie alle starben in diesem Moment. Mit ihr zusammen.

Er wachte in seiner Zelle auf, wünschte sich so sehr, wie er sich noch nie etwas gewünscht hatte, dass es eines der kranken Spiele seines Vaters war. Eine der verdrehten Erinnerungen, mit denen er gequält wurde. Doch er konnte ihr Blut noch schmecken, ihre Stimme noch hören, ihre Berührung noch fühlen, wie sie sich gegen ihn gewehrt und dann aufgegeben hatte. Und er brüllte, bis er sicher war, dass ihn alle Höllenkreise gehört hatten. Er wusste nicht, was er brüllte. Er wusste nicht, wer seinem Ruf folgen würde.

„Es tut mir leid, mein Sohn. Es musste sein. Eines Tages wirst du es verstehen. Wirst du mich verstehen." Dann schloss sich die Dunkelheit wieder um ihn und er hieß sie willkommen. Mit all ihrer Pein und ihren Schmerzen. Er war verloren. Ein Prinz, der einmal alles hatte und nun nichts mehr, der alles verloren hatte.

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Wärst du noch bereit für ein weiteres Kapitel heute Nacht?💛

Throne of BloodWo Geschichten leben. Entdecke jetzt