chapter 28

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Meine Wut ließ meine Magie zittern, als ich durch die Ávila University schritt und den Studierenden mit einem Blick klar machte, dass ich keine Lust auf Reden hatte. Ich sah auf meine Uhr und erstarrte. Es war gleich zehn. Was nicht sein konnte, denn es war taghell. Und die Studierenden gingen geschäftig von einem Vorlesungsraum zum nächsten, mit Kaffeebechern und Gebäcktüten aus unserem Café ausgerüstet.

Eine ungute Vorahnung erfasste mich, als ich mit noch schnelleren Schritten weiterging. Dabei tastete ich nach meinem Handy und fluchte dann lautstark. Ein paar Studentinnen sahen mich an, als hätte ich nicht mehr alle Latten am Zaun. Die Wut war augenblicklich zurück, dieses Mal jedoch nur auf mich gerichtet. Ich hatte ihn verpasst. Tys achtzehnten Geburtstag.

In unserem Wohnheimzimmer angekommen, verpuffte sich meine Hoffnung, dass Ellie hier sein würde, augenblicklich in Luft. Und es war noch schlimmer. Ihre Schranktür stand offen, was sonst nie der Fall war. Wegen einem Horrorfilm, den sie mal gesehen hatte, hatte sie diesen Tick entwickelt, dass Türen immer geschlossen sein mussten. Es fehlten einige von ihren Sachen, ihre liebsten und neuesten Handletterings, ihre Lieblingspullover, ihr Koffer.

Ich rief unseren Gruppenchat auf, tippte ein paar Nachrichten und versuchte vergeblich sie anzurufen. Ich sank an der Tür zusammen und starrte auf unseren Chat, dann auf ihr Profilbild. Es war eine Bleistift Zeichnung von uns vieren. Wir standen Arm in Arm mit dem Rücken zur Betrachterin. Mir traten Tränen in die Augen und ich versuchte erneut zuerst Ellie und dann Sumi oder Alex anzurufen. Niemand antwortete.

Nach einer Weile ging ich auf Tys Instagram Profil und schaute, ob er etwas in seiner Story hatte. Was nicht der Fall war. Und ich verging in Selbstmitleid.

Ich vermisste die Normalität, die Tage in der Bibliothek, an denen Sumi zuerst im Café bei Ellie und dann bei mir herumstöberte. Ich vermisste auch meine Zeit allein oben in meinem Studierzimmer. Ich vermisste die Zeit mit mir allein und die Zeit mit meinen Lieblingsmenschen. Ich vermisste meine Unwissenheit, was feige war, aber dennoch. Ich vermisste es nicht von der Existenz von Magie zu wissen, nicht von dem Mord an meinen Eltern zu wissen. Ich vermisste es keine entscheidende Figur in einem Spiel zu sein, dessen Regeln ich nicht kannte.

Wehmütig dachte ich an die Zeit zurück, wo die Gespräche mit meinen Lieblingsmenschen, neben meinem Studium und Büchern, alles war, was mich beschäftigt hatte. Wo meine größten Probleme, die waren, dass die Wartezeit bis zum Erscheinen eines Folgeteils noch Monate betrug.

Ungefähr zwei Stunden später hatten Ale, Cael und Azael es sich auf meinem Bett im Wohnheimzimmer gemütlich gemacht.
„Ihr macht eine was?"
„Eine Party", wiederholte Ale geduldig.
„Wie könnte man seine Stärke denn besser demonstrieren? Wir könnte man besser vorhandene Beziehungen stärken und neue Verbündete gewinnen. Es ist der optimale Schachzug." Azael war absolut begeistert.

„Keine Sorge, Vio." Cael deutete meine Abwehrhaltung genau richtig. „Es wird nicht so werden, wie die Feier damals im Spiegelsaal. Ramiels Partys haben mit so etwas nicht allzu viel zu tun."
„Er macht sowas öfter?" Meine Frage kam zögerlich. Weil ich über diesen Teil seines Lebens so gut wie nichts wusste, und das verunsicherte mich. Weil ich ihn in diesem Teil seines Lebens nicht kannte.

„Wie definierst du oft?" Azael grinste und Ale rammte ihm den Ellbogen hart zwischen die Rippen. „Altha!", beschwerte er sich ächzend.
Cael funkelte die beiden warnend an. „Er hat einen gewissen Ruf", begann er.
„Was zu seiner Stellung dazugehört", fügte Ale bei.

Cael nickte. „Genau, weil zu seiner Position eben auch gewisse Erwartungen gehören, die erfüllt werden müssen. Sozusagen um die Leute bei Laune zu halten. Gerade die mächtigen Dämonen genießen einen gewissen Lebensstil und ihr Kronprinz darf ihnen da in nichts nachstehen. Das würde einer Schwäche gleichkommen. Einer Blamage. Einer Niederlage."

„Und bekannterweise können Dämonen mit nichts schlechter umgehen als mit dem Eingestehen einer Schwäche", murmelte ich.
„Exakt." Azael grinste schief.
„Und worauf sollte ich mich bei dieser Party einstellen?", fragte ich und erntete ein Grinsen, das man nur als dämonisch bezeichnen konnte.

„Nackte Haut, heiße Beats, ungezügelte Leidenschaft, süßsaure Drinks und jeder Menge Sex." Azael war voller Vorfreude und klang wie der Moderator einer Netflix-Reality-Serie. Seine Stimme ist auf jeden Fall sexy genug dafür, dachte ich grinsend.

„Wenn ich ehrlich bin, habe ich gedacht, dass dich das mehr schockieren und weniger erfreuen würde." Ale war etwas irritiert, aber sichtlich erleichtert. Genau wie ich, aber mir wurde klar, dass eine Party gerade genau das war, was ich brauchte. Tanzen, trinken, mit Leuten abhängen, die ich liebte, Spaß haben. Ja, danach war mir.

„Wann ist diese Party?"
„Heute Abend. Ramiel trifft gerade die letzten Vorbereitungen."
Ich wollte mich gerade übermütig über Cael rollen, als mir etwas einfiel. „Und was ist mit den Engeln?"
„Ach, was soll mit denen schon sein? Viel Wind und Heiligenschein, aber nichts dahinter", kommentierte Azael trocken und warf sich auf mich. „Weißt du, Vio, wir haben eine Vermutung. Cael und ich." Mühsam versuchte ich ihn von mir runterzuschieben.

„Du Fettkloß", beschwerte ich mich und half eilig mit meiner Magie nach.
„Unsere Vermutung," Azael holte keuchend Luft und ließ sich gegen die Wand sinken, „bezieht sich auf die Anzahl der Waffen, die du bei dir trägst." Er begann an meinen Armen herumzutasten und ich stürzte mich kurzerhand auf ihn und begann ihn zu kitzeln, worauf er in schrilles Gekicher ausbrach.

„Du willst es wirklich herausfinden?", drohte ich und ließ einen Faden meiner Magie zu seinen Fußsohlen wandern. Er giggelte noch immer und ich konnte mein Lachen auch nicht länger unterdrücken.
„Ahaa", Cael zog triumphierend den Onyx Dolch aus der Halterung an meinem Unterschenkel.

„Ich habe auch was." Ich versuche Ales Hand auszuweichen.
„Das ist eine Verschwörung", jammerte ich. Azael hatte meine Hände jetzt fest im Griff und sich auf meine Arme gerollt, sodass mein Oberkörper auf ihm festklebte. „So muss sich Caesar gefühlt haben", maulte ich weiter.
„Hab ich dich." Ale hatte einen weiteren schmalen Dolch aus dem Lederriemen an meinem Oberarm gezogen.

„Ich hatte recht!" Cael stürzte sich auf mich und Azael und bildete damit die obere Brötchenhälfte unserer Nepheline-Dämonen-Sandwich.
„Nicht so schnell", unterbrach Azael ihn ächzend. „Ale, was sagst du?"
„Ich wette, es gibt noch mehr." Wieder wandte ich mich und kreischte dabei, bis mir selbst die Ohren klingelten. Ich hoffte, einer der anderen hatte daran gedacht, unseren Raum zu schützen, sodass die Geräusche dieses Scharmützels nicht nach außen drangen.

„Ergib dich", forderte Azael unter mir dumpf, weil sein Gesicht in ein Kissen gedrückt wurde.
„Niemals", knurrte ich und bohrte mein Knie in seinen Oberschenkel. Er stöhnte schmerzerfüllt, doch ich war gnadenlos. „Gib mich frei!"
„Das macht Spaß", ertönte es über mir und ich schüttelte mich, weil Caels Atem genau auf mein Ohr traf.
„Baaaah", entfuhr es mir und ich erschauderte.

„Das magst du nicht?" Ich hörte das Grinsen in Caels Gesicht und verkniff mir eine Antwort, um das Ganze nicht noch schlimmer zu machen. Doch es war zu spät.
Schon war Caels Mund wieder ganz nah an meinem Ohr. „Ergib dich, Vio", flüsterte er und pustete mir ins Ohr, bis ich ihm eine Kopfnuss verpasste.
„Wahrscheinlich sind die restlichen Waffen deutlich besser versteckt", vermutete Azael anzüglich.

„Worauf du einen lassen kannst", bestätigte ich, die durch das Wegfallen von Caels Gewicht endlich etwas mehr Bewegungsfreiheit erlangt hatte und mich und Azael herumwirbelte. Ich saß rittlings auf ihm und führte ihm meinen neuesten Trick vor.
Mein klobiger Siegelring, den meine Oma mir geschenkt hatte, veränderte seine Form. Bis die Spitze über Azaels Haut kratzte und eine Blutspur hinterließ.

„Nett", kommentierte er trocken. Ich bemerkte währenddessen, das Dämonenblut nicht schwarz war, wie ich bisher angenommen hatte, sondern dunkelrot.
„Was ich alles mit deinem Blut anstellen könnte", drohte ich lächelnd und machte Anstalten einen Tropfen in den Ring einzuschließen.
„Du hast mir ja doch mal zugehört", freute Ale sich.

„Hallo? Sie droht von mir Besitz nehmen und du freust dich?" Tief enttäuscht schüttelte Azael den Kopf und seufzte übertrieben laut.
„So Kinder." Cael stand auf und rieb sich den Nasenrücken. „Es ist Zeit, genug gespielt. Es gibt da eine Party, die wir mit unserer Anwesenheit beglücken werden."
„Auf in die Hölle. Wir machen uns bei mir fertig", entschied Ale und teleportierte sich.

Throne of BloodWo Geschichten leben. Entdecke jetzt