chapter 12

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Von der Ávila Bibliothek machte ich mich auf direktem Weg in die der Hölle. Wir hatten einen Plan und ich teilte die Entschlossenheit der anderen. Dennoch war mir mulmig zu Mute. Ich stieg bis ganz nach oben hinauf und lief dort durch die Gänge. Ich versuchte mich zu beruhigen, versuchte mich davon zu überzeugen, dass wir nicht überstürzt handelten und weitere Vorbereitungen nicht nötig waren.

Ich stolperte über ein Buch, das auf dem Boden lag und hob es auf, um es zurück an seinen Platz zu stellen. Ich hasste Unordnung bei Büchern. Beim Rest war es mir nicht so wichtig, aber Bücher mussten an ihrem Platz stehen. Aus Gewohnheit las ich den Titel. Uralt Dämonen und ihre Schwachstellen. Wie überaus passend, dachte ich mir und blätterte vorsichtig durch das dicke Buch, dessen Seiten vom Alter bereits vergilbt und bröselig geworden waren. Wieder einmal fragte ich mich, wo hier die Bibliothekarinnen und Bibliothekare waren, die sich um die Bücher kümmerten. Normalerweise stand hier nie ein Buch an der falschen Stelle.

Ich stieß auf eine Stelle über Beschwörungen, die ich abfotografierte und Ale schickte. Verblüfft bemerkte ich, dass meine Nachricht, obwohl ich natürlich kein Netz hatte, abgesendet wurde. Was Magie nicht alles so kann, dachte ich mir grinsend.

Sobald Ellies Schicht zu Ende war, kehrte ich zurück in mein Zimmer und machte mich mit Ellie und Sumi ans Werk. Während Ellie mir die Haare färbte, klärte ich die beiden über unseren Plan auf.

Sumi, Ellie und Alex würden die Beschwörung durchführen. Ich fragte Ellie, ob sie damit einverstanden war und versicherte den drei wiederholt, dass sie das nicht machen mussten. Doch nicht nur Sumi war nicht aufzuhalten. Wie ich, als ich Balthazar beschworen hatte, würde sie die Beschwörung in dem Studierzimmer durchführen. Nakir würde zu ihrer Unterstützung dazukommen.

Als wir später gemeinsam zur Bibliothek gingen, schimmerten meine weißblonden Haare hellblau. Sumi trug hellblaue Chucks und Ellie ein dunkelblaues Haarband. Alex hatte sich und Ellie einen dunkelblauen Lidstrich gezogen. Eine Art Kriegsbemalung und ich musste grinsen, weil ich an die Semesterparty bei Alicia und Olivia zurückdachte, bei der wir auch alle etwas Blaues getragen haben. Die Farbe der Täuschung, der ich mich seit diesem Abend verbunden fühlte. Hoffentlich würde auch heute alles gut gehen.

Nakir erwartete uns vor der Bibliothek. Sie trug passenderweise einen blauen Hijab und grinste uns entgegen.

„Lange nicht gesehen", begrüßte sie uns.
„Danke, dass du uns hilfst."
„Selbstverständlich. Ihr könnt immer auf mich zählen." Trotz der Wochen, in denen sie mich auf Ramiels Befehl hin beschattet hatte, hatte ich wohl vergessen, was sie war. Nicht nur eine mächtige Dämonin, sondern auch eine die zu seinem Haus gehörte, zum Haus des Zornes. Damit war ihre Loyalität unbestreitbar. Wie die anderen Mitglieder seines Hauses würde auch sie alles dafür tun, um ihn zurückzubekommen. Ich half noch bei den Vorbereitungen. Dann traf ich Ale, Azael und Cael in Ramiels Gemächern.

„Habt ihr es?"
„Was denkst du denn?" Ale grinste und wirbelte das Messer angeberisch in ihren Fingern herum. Wir prüften unsere Outfits ein letztes Mal. Wir trugen alle schwarz. Schwarze Hosen, schwarze Stiefel, schwarze Korsetts oder Hemden.

Ale betrachtete mich eingehend. „Da fehlt noch etwas." Sie schmunzelte und reichte mir einen Ring. Einen Siegelring. Roter Grund und darauf ein schwarzes Schwert. Die Farben des Haus Zorn. Er passte perfekt auf den noch freien Ringfinger meiner linken Hand. Auch die anderen schoben sich ihre Ringe über die Finger. Doch Ale war noch nicht fertig. Sie befestigte ein Emblem an unseren Oberteilen und dann gab sie mir zusätzlich zu den anderen Waffen, die ich trug, noch einen weiteren Dolch. Er war schmucklos, einfach, leicht. Sowohl die Klinge als auch das Heft waren pechschwarz. Er lag angenehm kühl in meiner Hand. Ein warmes Prickeln breitete sich in meiner Hand aus und zog dann meinem Arm herauf.

„Ist das Ramiels?"
Azael sah mich überrascht an und Ale nickte. Cael strich über die Klinge und dort, wo er mit seinen Fingern entlangfuhr, hinterließ er eine glühende Spur. Sie erleuchtete Buchstaben.
„Was steht da?"

„Ira petit sanuinem." Ale, Azael und Cael legten sich gleichzeitig Faust aufs Herz. „Zorn fordert Blut."
„Zorn fordert Blut", wiederholte ich grimmig. Erhobenen Hauptes verließen wir Ramiels Gemächer. Cael ging neben mir, Ale und Azael hinter uns. Ich spürte mehr, als dass ich es sah, dass wir im Gleichschritt gingen. Dass wir denselben entschlossenen Gesichtsausdruck zur Schau stellten. Die wenigen Soldaten, denen wir begegnet, machten uns eilig Platz.

Der Dolch war im Futter meiner Stiefel verborgen. Drei weitere an dem Gürtel an meiner Hüfte befestigt, der schwarze Dolch gut sichtbar an meinem Oberschenkel. Meine Magie brüllte. Ich hatte länger nicht mehr trainiert und sie war ebenso begierig darauf Blut zu vergießen, wie ich.

Wir durchquerten den halben Goldenen Palast und mussten von Ramiels Gemächern unzählige Treppen herabsteigen, bis wir bei einem der größeren Säle angekommen waren.

Unter einem Vorwand hatte Cael alle Häuser zusammengerufen. Sie bildeten ein Spalier, durch den wir hindurchgingen. Die Blicke waren mir nicht unbedingt wohlgesinnt, einige sogar hasserfüllt. Vereinzelt spürte ich Angst, aber bei den meisten zuckte ein hämisches Grinsen übers Gesicht, vorfreudig auf das, wovon sie dachten, was mich erwarten würde. Mein Blick fiel auf die verschiedenen Wappen. Die Goldmünze, die Schlange, der Blutstropfen, der Apfel. Ich sah kaum ein bekanntes Gesicht, nur ein paar Studierende und damit Dämonen aus der Elite, die mich besonders hasserfüllt anstarrten. Aus dem Haus Zorn war nur eine kleine Gruppe da, die mir kurz zunickten.

Der Inquisitor hielt den Vorsitz, er gehörte zu keinem Haus, dennoch stand links neben ihm eine Dämonin aus dem Haus der Völlerei. Ich erkannte ihr Emblem mit der dunkelroten Weintraube. Rechts stand Baseel und hinter ihm die vollständige Hohe Garde. Nur von der Kommandantin fehlte jede Spur. Einer seiner Soldaten hielt zwei Frauen mit ledernen Halsbändern an kurzen Leinen. Rote Abdrücke hatten sich um das zu enge Leder gebildet. Die beiden waren Menschen. Ihr Blick leer, unbeteiligt, als wären sie bereits tot. Und vielleicht wäre das sogar gnädiger. Es war eine einzige Provokation an mich. Ein Versprechen und eine Drohung.

Mein Blick wanderte zu der Uhr an meinem Handgelenk. Drei Minuten vor Zehn.
„Inquisitor." Wir blieben vor ihm stehen.
„Viona, Haus Zorn", begrüßte er uns. Wie im Devils Dream war in seiner Aura etwas Beunruhigendes. Er sah aus wie Mitte fünfzig, seine schwarzen Haare wurden langsam grau. Seine Augen schimmerten silbern und alt, sehr alt. Vermutlich war er älter als alle anderen in diesem Raum. „Du hast uns ein Anliegen vorzutragen?"

Ich nickte. „So ist es." Eine Minute vor zehn. „Ihr wisst, dass Baseel Anspruch darauf erhebt, mein Meister zu sein." Der lange Zeiger wanderte auf die zwölf. „Ich fordere ihn zum Duell heraus."

Baseel war überrascht, aber nicht abgeneigt. „Ich nehme die Herausforderung an." Er grinste, damit war das entschieden, bevor der Inquisitor einschreiten konnte. „Damit darf ich dann die Waffe..." Er stockte. Jetzt müsste er es spüren.
Ich zog fragend die Augenbrauen hoch. „Ja?", fragte ich scheinheilig.

Schweiß perlte von seiner Stirn, während er versuchte sich gegen die Beschwörung zu wehren. „Zweikampf", brach er keuchend heraus. „Keine Waffen. Und keine Magie." Triumph blitzte auf. Er ließ seinen gierigen Blick über mich wandern, bevor er sich die Lippen leckte und über seine Knöchel strich. Eine Drohung. Ein Versprechen. „Mitternacht." Dann gab er dem Sog der Beschwörung nach.

Ich schluckte. Das war nicht das, worauf wir gepokert hatten.
Aber egal. Ich hatte keinen Anspruch darauf, ehrlich zu kämpfen. Es war mir egal, was die Regeln besagten. Ehre und Stolz spielten für mich keine Rolle. Alles, was ich wollte, war ein Tod. Sein Tod.

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