chapter 44

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„Wir erwarten eine besondere Gästin morgen, Vio. Und ich habe eine Aufgabe für dich." Das war neu. Ich blinzelte und versuchte meine Kraft zu sammeln. „Und wenn du sie zu meiner Zufriedenheit ausführst, werden alle deine kleinen Verbündeten medizinisch versorgt und etwas zu trinken bekommen. Hältst du dich nicht an die Regeln." Ich konnte seine enttäuschte Miene beinah sehen. „Wird es sehr schmerzhaft für sie. Vielleicht sogar tödlich." Ich erstarrte. Er fuhr fort. „Ich frage mich durchaus, was es mit dir machen würde, wenn du sie töten würdest. Nicht im übertragenen Sinne." Ramiel entfernte sich. „Sondern mit deinen Händen. Es liegt an dir, ob wir es herausfinden werden."
Ich versuchte bei Bewusstsein zu bleiben und scheiterte.

Als ich wieder zu mir kam, waren Leute in meiner Nähe. Etwas fuhr sanft durch mein Gesicht und ich blinzelte. Erschrocken kniff ich die Augen zu, weil mich nicht wie sonst pure Dunkelheit erwartete, sondern Licht. Es schimmerte hell hinter meinen Augenlidern.

„Wird aber auch Zeit", kommentierte eine weibliche Stimme trocken. „Ich bin Marla. Ich bin gleich fertig mit deinem Gesicht." Bei ihren Worten zuckte ich erneut zurück. Sie lachte leise und wieder berührte mich etwas Weiches.

„Ähh,", brachte ich zustande. „Was wird das?" Erleichtert erkannte ich, dass meine Stimme sich besser anhörte. Und nicht nur das, ich fühlte mich auch besser. Dieses Mal blinzelte ich vorsichtig und ließ meinen Augen Zeit sich an die Helligkeit zu gewöhnen.

„Unser Fürst meinte, er hätte euch erzählt, dass wir eine wichtige Gästin erwarten." Sie reichte mir ein Glas Wasser und ich leerte es gierig.

„Ja, aber was hat das mit mir zu tun?" Marla hatte helle Haut und blonde Haare. Sie rückte zurück und betrachtete mich. Dann nickte sie und legte den Pinsel zu ihren anderen Utensilien.
„Wird ihn das zufrieden stellen? Was meinst du?"

Mein genervtes Schnalzen blieb mir im Hals stecken, als sie mir ein Spiegel vor die Nase hielt.
„Was..." Meine hellblauen Haare fielen in lockeren Wellen über meine Schultern. Um meine Augen war silberner, glitzernder Lidschatten verteilt und ein Lidstrich gezogen. Ich sah so gar nicht aus, wie ich mich fühlte. Dann fiel mein Blick auf meine Umgebung und ich erstarrte.

Das hier war schlimmer als die Zelle. Schmerzhafter. Das Bett, die Fensterfront, die vertrauten Chaiselongue, das Badezimmer. Ich wusste, wo die versteckten Türen zur Bibliothek verborgen waren. Ich hatte auf diesem Balkon gefrühstückt. Ich hatte in diesem Bett geschlafen. Und Ramiels Duft war überall.

Vor der Tür ertönte ein Poltern und Fluchen und wenige Augenblicke später schlängelte sich Chimi aufgeregt um mich. „Hey meine Süße," begrüßte ich sie lachend. Ich wollte sie streicheln, aber sie hielt nicht still. Marla war auf Abstand gegangen. „Ich freue mich auch dich zu sehen", flüsterte ich und Chimi schmiegte sich an mich, wie sie es noch nie getan hat.

„Aha, interessant", kommentierte Marla und rückte noch weiter zurück. „Ich glaube, wir müssen langsam los."

„Wohin", fragte ich geistesabwesend und kuschelte mit Chimi. Ich glaube, ich habe körperliche Nähe viel mehr vermisst, als mir klar war. Wie viel Zeit war seit unserer Flucht aus Leviathas Reich vergangen?

„In den Thronsaal."
Ich zuckte zusammen. „Was?", fuhr ich sie an.
Auf dem Flur waren energische Schritte zu hören. Dämonische Schritte, die nur zu hören waren, wenn die betreffende Person das wollte.

„Ah, ihr seid fertig." Ramiel betrat den Raum. In einem Anzug. Und mit Krone. Und mir blieb die Spucke weg. Für einen Moment vergaß ich alles und jeden. Und verlor mich in seinem vertrauten Anblick. In seiner Schönheit. Als ich seinem intensiven Blick begegnete, verging dieser Moment.

„Auf auf." Marla klatschte in die Hände. Ich stand auf und Ramiels Blick wanderte tiefer. Im Spiegel erhaschte ich einen Blick auf mein Kleid. Und mein Kopf begann zu dröhnen. Ich trug ein schwarzes Ballkleid. Mit transparenten Teilen an Rücken, Bauch und Taille und einem hohen Schlitz an meinem Bein. Es ähnelte auf erschreckende Art und Weise dem Kleid, das Leviatha bei unserer letzten Begegnung getragen hatte. Mein Blick schnellte zu Ramiel, der meine Reaktion interessiert beobachtete. Tat er das aus Hohn? Hatte er das geplant?

Throne of BloodWo Geschichten leben. Entdecke jetzt