chapter 9

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Am nächsten Morgen, oder besser gesagt Nachmittag, saßen wir vier in Sumis Zimmer und aßen Banchan. Beilagen wie würzige Gurken, Namul also mariniertes und gebratenes Gemüse und Jeon, herzhafte Pfannkuchen.

Ich hatte den dreien auf der Rückfahrt von meiner Begegnung erzählt oder besser gesagt den zweien, den Sumi hatte noch immer tief und fest geschlummert. Der Hexenmeister hatte sie zum Auto zurückgebracht. Alex ist gefahren, denn obwohl ich mich nüchtern gefühlt hatte, sagte mir mein Kopf, doch etwas anderes.

Ale hatte ich direkt nach dem Aufwachen eine Nachricht geschrieben. Sumi hatte mir mein Handy gegeben, dass sie aufbewahrt hatte. Ale, Azael und Cael mussten unbedingt von meinem Gespräch mit der Kommandantin und dem Besuch des Inquisitors erfahren. Wir aßen in einvernehmlichem Schweigen. Sumi hielt sich den Kopf und ich hing meinen eigenen Gedanken nach. Ich hatte das Gespräch wieder und wieder Revue passieren lassen und fragte mich nun zum hundertsten Mal, ob ich sie nach Ramiels Aufenthaltsort hätten fragen sollen.

Sumi war auch nach dem Essen stiller als sonst. Sie vertiefte sich in die Aufzeichnungen der societas iustitiae und durchsuchte diesen nach Informationen über andere übernatürliche Wesen.

Jetzt, wo ich wieder hier war, drängte die Frage, die ich die ganze Zeit von mir geschoben hatte, wieder in mein Bewusstsein. Was machte ich mit meinem Leben hier? Was machte ich mit meinem Studium? Meinem Job? Wie sollte es für mich weitergehen?

Ellie plante Tys Geburtstag und wir verabredeten uns für nachher und einen dringenden Serienabend. Zudem war übermorgen Freitag und wenn ich etwas vermisst hatte, außer meinen besties, dann war es unser Buchclub und die Bibliothek, mein Studienzimmer und Morty und Pepper.

Die Zeit, bevor ich mich mit Ale traf, verbrachte ich in der Bibliothek. Ich wanderte durch die Gänge, strichmit den Fingern über unzählige Buchrücken, saß in dem Sessel in dem Ramiel gesessen hatte und auf der lilanen Couch neben dem Tresen. Ich ging durch den Gang, in dem wir uns das erste Mal nahegekommen waren und ließ mich dann an der Wand in meinem Studierzimmer sinken. Den Ort, an dem ich ihn das erste Mal gesehen hatte. Denn die dunkle Nacht davor im Park zählte nicht. Es tat genauso sehr weh, wie ich es vermutet hatte und gleichzeitig etwas weniger. Die Erinnerung war bittersüß, nur die Gegenwart war voller Schmerz.

Meine Magie begann zu pulsieren und die goldenen Fäden färbten sich rötlich. Ich wandelte in die Hölle und ging dort zu den Trainingsplätzen. Ich begann mit Azaels Warm Up bemerkte aber bald, dass mir das heute nicht reichte. Kurzerhand verließ ich den Goldenen Palast, rannte durch die Stadt und ließ schließlich auch die Stadtmauern hinter mir. Ich wurde immer schneller, sprang über Hügel und Krater in der Vulkanebene und spürte die Asche nicht, die auf mir landete. Roter Staub wirbelte auf und ich rannte noch schneller, um ihn hinter mir zu lassen. Immer weiter und weiter.

Bis zu meinem Treffen mit Ale hatte ich mir den Staub und Schweiß wieder abgewaschen. Dass wir in der Bibliothek waren, beruhigte mich und Ale hatte Kaffee mitgebracht.

Ich hatte Ale alles erzählt und ich liebte es wie unverwüstlich sie war. Vollkommen unbekümmert analysierte sie das, was die Kommandantin gesagt hat. „Erstens hat sie zugegeben, dass sie Bescheid wusste, zweitens hat sie unseren Verdacht bestätigt, dass sie die Mutter von Alicia und Olivia ist und drittens hat sie unsere Lösung unabhängig bestätigt, damit können wir arbeiten! Das war richtig gut, Vio. Du hast so viele Informationen von ihr bekommen, von denen sie dir sicher gar keine überlassen wollte."

Alicia und Olivia die wir nach der brennenden Hochzeit in der Finsternis zurückgelassen hatten, die Finsternis, deren Schrecken ich zu gut kannte. Der Offizier hat mich da rein geschickt. Mich vor die Wahl gestellt entweder zu gehen oder zu sehen, wie er Ramiel, Ale, Azael und Cael tötet. Dabei hätte ich das niemals überleben können. Nicht ohne dämonisches Blut. Alicia und Olivia haben keine Chance auf eine Flucht, sie würde gefangen bleiben, bis wir entschieden hatten, was wir mit ihnen machen. Mehrere vertrauenswürdige Dämonen aus Ramiels Haus bewachen den einzigen Ausgang Tag und Nacht. Der Kommandantin konnte nicht viel an ihren Töchtern liegen, wenn sie das Thema nicht einmal anspricht.

Wie immer bei unseren Unterrichtsstunden hatte ich auch jetzt wieder meinen Zeichenblock dabei. Wir befanden uns auf der dritten Ebene der Bibliothek. Hier gab es eine größere Studierecke. Meine Freude über das Gespräch hielt sich in Grenzen, vor allem wegen der Frage, die mir auf der Zunge brannte. „Und Ale stimmt es? Gibt es Vampire, Elfen, Riesen, Kobolde und so weiter?"

Sie seufzte und blickte zur Decke hoch, bevor sie mich wieder ansah. „Ja, es gibt noch mehr übernatürliche Wesen. Sie sind in der Regel nicht besonders mächtig, aber es gibt einige Hexenzirkel und Vampirfamilien, von denen ihr euch fernhalten solltet."

„Oh, Himmel. Das kann ja wohl nicht wahr sein." Ich fluchte und konnte es nicht so ganz glauben. „Erzählst du mir, was ich wissen sollte?" Den Blick auf meinen Zeichenblock gerichtet, entging ich Ales schuldbewusster Miene.
„Wir wollten es dir natürlich sagen, aber es schien nicht notwendig oder drängend und wegen allem..."

„Wahrscheinlich hätte ich nicht mal zugehört." Ich grinste versöhnlich und erinnerte mich an den Zustand, in dem ich mich, während der meistens Lektionen befunden hatte.
Ale grinste und begann zu erzählen, während ich meinen Bleistift auf einer neuen Seite ansetzte.

„Elfen, Sirenen, Riesen, Kobolde, Gargoyles, Hexen und Hexenmeister gibt es seit Anbeginn der Zeit. Vampire, Gestaltwandler und andere sind erst im Laufe der Zeit entstanden. Durch Krankheiten oder fehlgeschlagene Zauber. Amazonen sind die besten Kämpferinnen der Welt, Gargoyles sind steinerne Wächter, Sirenen leben im Meer und in großen Seen, Hexen lassen sich kaum von Menschen unterscheiden. Sie verfügen über unterschiedlich viel Magie. Doch seit den großen Hexenjagden, die natürlich von Dämonen angetrieben und initiiert wurde, haben nur wenige große Zirkel zu ihrer Stärke zurückgefunden. Ungefähr zur selben Zeit wurde auch Jagd auf alle anderen Übernatürlichen gemacht. Die Engel brachten Bündnispartner von uns um und wir töteten ihre Verbündeten."

Ale seufzte. „Unsere Mutter hat oft davon erzählt." Ich horchte auf. Weder Ale noch Azael redeten oft über ihre Eltern. „Unser Vater war einfacher Soldat, er gehörte keinem Haus an und bekam deshalb die schwierigsten oder grausamsten Aufträge. Er war ein Dämon und dennoch hat es ihn nicht kalt gelassen. Ich erinnere mich an seinen Ausdruck, wenn jemand über die Jagd geredet hat. Er war zutiefst beschämt."

„Naja." Ich hörte, dass Ale grinste und bereitete mich innerlich auf die nächste Enthüllung vor. „Und dann gibt es natürlich noch die Drachen." Ich sah entgeistert hoch. Sofort erinnerte ich mich an meine Oma, die von meiner schlummernden Drachenkraft sprach. Sie muss gewusst haben, dass es Drachen wirklich gab. Ich meine, dieser Vergleich meiner Magie und die Tatsache, dass sie mir früher oft Drachengeschichten erzählt hat, spricht doch für sich, oder?

„Jep." Ale freute sich diebisch. „Schau nicht so ungläubig. Es ist die Wahrheit. Oder war sie zu mindestens mal. Drachen lebten sehr zurückgezogen. Hoch in den Bergen, tief in den Wüsten, in uralten Vulkanen oder auf verlassenen Inseln. Sie waren nie die Verbündeten von irgendwem. Doch für alle magischen Wesen hatten sie immer eine besondere Bedeutung. Gerade für Seherinnen, eine besondere Art von Hexen. Drachen konnten so riesig sein, wie ein ganzer Gebirgszug, aber auch nur so groß wie eine Kuh. Ihr Feuer vermochte alles zu schmelzen. Einige konnten fliegen, andere unter Wasser atmen oder ihre Schuppen so anpassen, dass sie unsichtbar wirkten.

Es gab noch nie besonders viele von ihnen. Die meisten lebten als Einzelgänger in ihrem Hort bei ihren Schätzen. Es gibt Geschichten über Drachen in Grotten mit Schätzen, die die der Menschheit in Summe übertrumpften. Doch nicht alle sammelten Gold oder Juwelen. Sie konnten alles Mögliche zu ihrem Schatz machen. Nur wenige pflanzten sich fort und nach der Jagd der Engel, Dämonen und Menschen wurde nie wieder einer gesehen."

Als ich auf mein Bild sah, war ich fest davon überzeugt, einen Drachen zu sehen. Doch es war dasselbe Motiv wie immer. Ich schlug meinen Zeichenblock zu.

„Engel, Dämonen und Menschen scheinen alle von derselben Machtgier getrieben zu sein. Es ist ein Wunder, dass der Zorn das stärkste Haus ist."
„Im Moment jedenfalls", murmelte Ale, mehr zu sich selbst als zu mir.
„Wie meinst du das?"

Ale sah mich an und ich erkannte an ihrem Blick, dass ich nicht hören wollte, was sie mir gleich erzählen würde. Und dass sie mir es nicht erzählen wollte. „Ich meine, dass das Haus Zorn aktuell das stärkste Haus ist. Wenn aber Gier oder Stolz mächtiger sein würden, wäre ihr Fürst oder ihre Fürstin automatisch der Thronfolger oder die Thronfolgerin."

Throne of BloodWo Geschichten leben. Entdecke jetzt