Kapitel 22

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"Kiana! Kiana wach auf!", zischte immer wieder eine tiefe Stimme neben meinem Ohr, das daraufhin zu zucken begann. Ich war noch tief und fest am Schlafen und erst ein sanftes Rütteln an meiner Schulter weckte mich langsam.
"Mein Prinz, sonst setzt sie vor Euch auf Euer Pferd. Sie scheint sehr müde zu sein", filterte ich Ferens Stimme heraus und drehte meinen Kopf zur anderen Seite.
"Legolas?", fragte ich leise, ließ meine Augen noch geschlossen, aber spürte, dass er nichtmehr neben mir saß. Doch plötzlich fuhr ein Windhauch über mein Gesicht und ich öffnete vorsichtig die Augen. Es war noch nicht richtig hell, aber doch schon der nächste Morgen.
"Guten Morgen, meleth nín", flüsterte Legolas und hockte sich vor mich hin.
"Wir wollen jetzt schon aufbrechen. Desto früher erreichen wir auch den Berg und können uns eine Überblick über die dortige Lage machen", erklärte mein Mann mir und schenkte mir ein schwaches aufmunterndes Lächeln. Er ließ es sich zwar nicht anmerken, aber ich sah in seinen Augen wie sehr er Ithiliel vermisste und wie sehr er sich um sie sorgte. Genauso wie ich! Nur, dass ich nicht meine Gefühle verstecken konnte.
"Also gut", flüsterte ich zustimmend und gähnte kurz. Ich drückte noch immer den kleinen Stoffelch an meine Brust und bei seinem Anblick kamen mir sofort wieder die Tränen, die im Licht der ersten Sonnenstrahlen rötlich glitzerten.
Legolas sah es natürlich und drückte mich ohne ein Wort zu sagen an sich. Er begann damit beruhigend über mein Haar zu streichen und es kümmerte ihn nicht, dass ich seine Kleidung mit meinen Tränen durchnässte.
"Komm wir müssen los", flüsterte er nach einer Weile leise in mein Ohr und ich nickte einfach. Ich fühlte mich so schlecht und wollte einfach nur zu meiner Tochter und sie endlich wieder in die Arme nehmen. Ich wollte mir gar nicht vorstellen, was die Orks mit ihr machten oder machen würden. Grausam! Allein die Vorstellungen führten wieder zu Tränen in meinen blauen Augen.
"Können wir dann los mein Prinz?", fragte Feren Legolas, aber schaute mich dabei mitleidig an. Feren kannte ich besser als die meisten anderen der Wache. Er war mir ein Freund geworden!
"Ja ich denke schon", erwiderte Legolas nach einem weiteren Seitenblick zu mir. Er griff nach meiner Hand und zog mich sanft zu Fírnen, der nicht weit entfernt mit leicht hängendem Kopf auf der Insel stand und mich anschaute. So wie ich mich fühlte, so fühlte er sich auch und das wusste ich. Ein schwaches Lächeln brachte ihn dazu seinen Kopf anzuheben und mich aufgeweckter anzusehen. Fírnen schnaubte leise, als ich neben ihn trat und über seinen Hals streichelte. Er drehte seinen Kopf zu mir und stupste mich mit seiner Schnauze an. Ich brachte tatsächlich ein leises Lachen zustande und zog mich lächelnd auf seinen Rücken.
"Danke mellon", flüsterte ich und schmiegte mich an seinen Hals. Fírnen schnaubte und nickte mit dem Kopf, bevor er langsam lostrottete und Legolas Pferd folgte. Ich hörte das leise Plätschern des Flusses, als wir ihn ein weiteres Mal durchritten und sah das klare Wasser um Fírnens Hufe plätschern. Erst als ich wieder den mit Blumen bewachsenden Waldboden sah, schaute ich auf und trieb Fírnen an, bis ich neben Legolas ritt.
Der kleine Stoffelch saß vor mir im Sattel, direkt zwischen meinen Beinen, wo er auch nicht herunterfallen konnte.
Langsam stieg die Sonne höher und als wir endlich den Wald hinter uns ließen, hatte sie fast ihren Zenit erreicht. Grelles warmes Licht schien auf uns herab, doch störte es mich nur. Besonders hier auf den weiten kahlen Landschaften konnte man uns bei Tageslicht gut sehen. Deshalb hielt sich Feren auch immer am Flusslauf, da wir hier noch durch vereinzelte kleine Waldstücke geschützt waren.
"Gebt Acht! Der Berg kommt langsam in Sichtweite und sollte es wirklich dort sein, dann haben sie eine sehr aufmerksame Wache", flüsterte uns Feren von vorne zu und erhielt von jedem ein zustimmendes Nicken. Wir ritten leise weiter und stoppten auch unsere Gespräche, die wir vereinzelt noch geführt hatten. Ich blieb stets neben Legolas und schaute ihn ab und zu an.
"Es wird alles gut",
Meinte Legolas in meinen Gedanken und erneut schoss mein Kopf in seine Richtung.
"Ich hoffe es so sehr. Was sollten wir nur ohne unsere Tochter machen? Legolas das würde ich nicht verkraften",
Erwiderte ich und schluchzte leise. Verwirrt drehte sich Feren in seinem Sattel um, doch musste genauso schnell wieder nach vorne schauen, weil der Fluss eine Biegung machte. Tatsächlich kam der Berg in Sicht und wir alle schauten in die Ferne und selbst Legolas und ich schwiegen in unseren Gedanken.
Bedrohlich ragte der Berg alleinstehend in die Höhe und schien den Himmel berühren zu wollen. Die eine Bergseite schimmerte gelb und weiß von der Sonne, die auf den Schnee schien, der um diese Jahreszeit noch immer auf den Gimpfeln lag. Er würde das ganze Jahr auch nicht verschwinden.
Drei Stunden später war der Berg erheblich größer und breiter geworden. Ich musste schlucken und klammerte mich an Fírnens Mähne, der kurz verärgert aufschnaubte. Doch er ließ es sich gefallen, da er meine komplette Anspannung im Körper bemerkte. Für ihn war es natürlich beschwerlicher, aber er ließ es zu, weil er mich respektierte und mir vertraute. Zudem wusste er ja wie ich mich fühlte.
Weitere drei Stunden später ritten wir nur noch im langsamen Schritt. Die ersten Berghänge zogen sich bis hier. Der Fluss war zu einem reißenden Bach geworden und schnitt sich in die Landschaft hinein. Wir hatten wieder einen Wald durchquert und befanden uns mittlerweile auf einer Lichtung mitten im Wald. Die Bäume endeten direkt am Berghang und gingen in die steinige Felswand über.
"Hier rasten wir. Seid leise und es wird kein Feuer entzündet", flüsterte Feren und stieg von seinem Pferd. Wir taten es ihm gleich und banden sie wieder an, wie wir es auch letzte Nacht getan hatten. Fírnen schnaubte leise und stupste mich noch einmal an, bevor er zu den anderen Pferden trottete.
"Bist du müde?", fragte Legolas leise und ich nickte augenblicklich.
"Ich spüre es! Unsere Tochter ist hier", flüsterte ich und schaute ihm in die blauen Augen, die ich auch in der anbrechenden Abenddämmerung so gut sah wie im Tageslicht.
"Dennoch ruh dich aus! Feren und ich werden in der Dämmerung zum Berg schleichen und schauen wie es aussieht", flüsterte Legolas, beugte sich zu mir und küsste mich sanft.
"Bitte passt auf euch auf", flehte ich besorgt und griff nach seiner Hand.
"Keine Sorge. Ich werde auf Euren Mann Acht geben", versprach Feren mit gesenkter Stimme, als er plötzlich hinter uns stand und mitbekommen hatte um was ich gebeten hatte.
"Danke Feren. Bring ihn mir bitte in einem und lebendig wieder", flüsterte ich leise und zog meinen Mann noch einmal an mich und küsste ihn leidenschaftlich.
"Ich warte auf eure Rückkehr", meinte ich leise und lächelte schwach. Die zwei anderen Krieger blieben bei mir und standen hinter mir, während Legolas und Feren in der mittlerweile aufgekommende Dunkelheit des Waldes verschwanden. Ich seufzte leise und starrte noch lange auf die Stelle wo sie verschwunden waren. Jetzt konnte ich nur noch warten....
Und das tat ich! Ich wartete über eine Stunde, ungeduldig und wurde immer ungeduldiger, je weiter die Nacht fortschritt. Ich wurde nervös und noch nervöser. Die ganze Zeit lief ich hin und her, leise und darauf bedacht keine Geräusche zu machen. Die beiden Wachen beobachteten mich eine Weile und doch sagten sie nichts. Irgendwann hielt ich es nicht mehr aus und lehnte mich an einen Baumstamm. Langsam ließ ich mich zu Boden sinken und stützte mein Kinn auf meine Knie.
Was wäre wenn Legolas nicht wiederkommen würde? Wenn ich auch ihn verlieren würde? Das würde ich nicht überleben! Es fühlte sich jetzt schon an, als wäre eun Teil meines Herzens entrissen worden. Durch Legolas Tod würde mein Herz komplett herausreißen und ich würde mit Legolas den Tod wählen und übergehen in Mandos Hallen.
Meine Gedanken wurden jäh unterbrochen, als plötzlich ein kleiner Ast knackte. Ich konnte nichts in der Dunkelheit erkennen, aber versuchte es angestrengt. Die zwei Wachen sprangen ruckartig auf die Beine hnd zogen ihre Waffen. Blitzschnell standen sie vor mir und hielten ihre Schwerter hoch vor die Brust.
"Wir sind es meleth nín",
Flüsterte eine liebliche Stimme in meinem Kopf und ich riss die Augen auf.
"Legolas", quietschte ich und schob die Wachen beiseite. Glücklich rannte ich in die Dunkelheit und fand mich kurz darauf in den Armen meines Mannes wieder. Beruhigend strich er mir über mein blondes Haar und führte mich zurück zu den anderen. Feren folgte uns leise und ergriff erst wieder das Wort als wir auf der Lichtung waren.
"Wir fanden heraus wie groß die Streitmacht der dortigen ist. Sie besteht aus Orks, aber wir erblickten auch Menschen unter ihnen. Es schien als seien die Menschen gut ausgebildet, die Orks jedoch wie erwartet nicht. Es handelt sich um eine große Streitmacht und ich werde jetzt gleich eine Nachricht an den König schicken", erzählte Feren und machte sich tatsächlich gleich daran alles Erzählte auf ein Blatt Papier zu schreiben. Ein leiser Pfiff durchdrang die Stille der Nacht und weckte mich aus dem leichten Schlaf, in den ich gefallen war.
"Bring die Nachricht so schnell es geht zum König des Eryn Lasgalen", flüsterte Feren der kleinen Eule zu und steckte ihr den Brief in den Schnabel. Sie breitete die Flügel aus und flog lautlos davon.
Ich kuschelte mich wieder an Legolas und schlief wieder ein.

Hey schaut doch auch mal bei meinen anderen FF vorbei, die ich schreibe ^-^
Laura

IthilielWo Geschichten leben. Entdecke jetzt