Teil 13

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Clara

Wir schauten uns lange schweigend an und ich sah, dass es in seinem Kopf arbeitete. Vielleicht dachte er darüber nach, mir etwas anzuvertrauen. „Weißt du was? Mir ist letzte Tage ein neuer Song in den Sinn gekommen. Ist noch ganz am Anfang, aber vielleicht magst du es dir anhören?" fragte er mich. „Ja, gerne! Ich bin total gespannt! Und ich hab absolut keine Ahnung wie so ein Song überhaupt entsteht!" „Naja, manchmal fallen mir mitten am Tag Melodien ein und oft kommen sie sogar in der Nacht, wenn ich träume. Andere Ideen wiederum passieren einfach, wenn ich auf der Gitarre spiele. Und dann gibt es Songs, die brauchen sehr viel Zeit. Manchmal ist es, als würden sie in den Gedanken von irgendwem schon immer existiert haben. Und meine Aufgabe als Songwriter ist es, sie in die Welt zu bringen. Und dann werden Melodie und Text aufeinander abgestimmt. Dann feile ich solange an der Musik, bis sie einen in sich stimmigen Song ergibt. Dann überlege ich welche Instrumente zusätzlich für bestimmte Sounds benötigt werden. Anschließend geht es an die Aufnahme, meist mache ich das zu Hause im eigenen Studio. Und dann geht's zur professionellen Aufnahme ins Tonstudio. Sobald die Aufnahmen abgeschlossen sind, geht es an die Audiobearbeitung. Die besten Takes werden herausgesucht, es werden unerwünschte Störgeräusche entfernt und es wird aus mehreren Aufnahmen eine perfekte Spur zusammengeschnitten. Dann wird noch abgemischt, also die vielen Spuren und Instrumente werden zusammengemischt, wodurch der Song sozusagen größer wird. Es wird darauf geachtet, dass die einzelnen Spuren optimal zueinander passen. Hierbei wird ein besonderes Augenmerk auf den Gesang gelegt, der zu jeder Zeit gut verständlich sein sollte. Dann wird noch mal der letzte Schliff gemacht und dann ist der Song fertig!" Ich grinste ihn an. „Du verstehst nur Bahnhof, oder?" lachte er und steckte mich an. „Naja, so ein bisschen kann ich mir das schon vorstellen. Aber es ist scheinbar wie mit allem anderen auch. Wenn man ein gutes Buch schreiben will, muss man auch erst mal ein Grundgerüst haben!" „Du schreibst Bücher?" fragte er mich überrascht. „Nein, aber ich denke da ist es ähnlich, oder?" „Ja, man kann es in etwa damit vergleichen! Ein guter Song besteht aus drei Akkorden und der Wahrheit. Und ein guter Song bricht die Essenz eines ganzen Buches runter auf drei Minuten." „Okay, dann zeig mal den Anfang deines neuen Songs! Ich bin gespannt!" Paddy holte sein Handy raus und startete kurze Zeit später die Aufnahme. Direkt war Paddys Stimme zu hören wie er die ersten Zeilen sang und ich musste schmunzeln. Sein Blick war die ganze Zeit auf mich gerichtet und er beobachtete meine Reaktionen genauestens. Es war wirklich nicht viel was er aufgenommen hatte, aber ich konnte mir schon bildlich vorstellen, was er mit dem Song ausdrücken wollte und ich war sehr gerührt. „Ein Song für deine Mama?" fragte ich leise und lächelte ihn an. „Ja! Gefällt er dir?" „Also was ich bis jetzt gehört habe ist wirklich rührend. Ich kann mir bildlich vorstellen wie du als kleiner Junge über die Staubfelder läufst, an dem Haus vorbei wo ihr immer gespielt habt und wie du auf der Wiese Blumen für sie pflückst!" Er lächelte mich glücklich an und legte sein Handy auf meinen Nachttisch. Es war wirklich ein riesiger Vertrauensbeweis den er mir dort gerade entgegengebracht hatte. Wahrscheinlich bekamen nur ganz wenige Personen eine Hörprobe von Songs in dieser Fassung – wenn sich überhaupt jemand das schon anhören durfte. „Danke, Paddy!" Er lächelte mich verlegen an.

Es dauerte nicht mehr lange, da wurde schon das Abendessen gebracht. „Ich werde mich jetzt auch auf den Weg zu Joey machen. Tanja wollte kochen und ich bin zum Essen eingeladen." „Vielen Dank auch! Schmeckt wahrscheinlich tausendmal besser als mein Weißbrot hier!" „Entschuldige! Ich bringe dir am Montag was Leckeres mit. Was meinst du, wann soll ich hier sein?" „Ich vermute, dass der Therapeut wieder direkt nach dem Mittag kommt. Schaffst du ein Uhr?" Er nickte und stand auf. „Dann also bis Montag! Ich freu mich! Und ich werde wiederkommen!" lächelte er mit erhobenem Zeigefinge, was mir ein Grinsen entlockte. „Komm gut nach Hause und schlaf gut!" „Du auch, Clara!" Und schon war er durch die Tür und ich war wieder alleine. Nach dem Abendessen schaute ich noch ein wenig TV und legte mich dann früh schlafen.

Niemand tritt durch Zufall in dein LebenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt