Kapitel 8

43 4 5
                                    

Changbin

„Hey, das ist vielleicht ein bisschen spontan und du hast wahrscheinlich keine Zeit, aber hättest du Lust was Essen zu gehen? Ich wollte dich doch einladen, wegen der Cola und so..."

Ich starrte Felix an. In meinem Hirn schrillten die Alarmsirenen und mein Magen machte einen Satz. Aber ich gab mir größte Mühe gleichgültig zu wirken.
„Uff keine Ahnung, lass mich mal nachfragen", antwortete ich an Felix gewandt. „Chan? Brauchst du mich noch?" Ich betete, dass er das verneinen würde.

„Nee alles gut, du kannst gehen. Sehen wir uns später im Gym?"
Ich nickte, setzte dann meine Baseball Cap auf und zog meine schwarze Lederjacke drüber. Als ich mich zu Felix umdrehte, bemerkte ich wie er meine Arme anstarrte. Meine Lippen formten sich von selbst zu einem selbstzufriedenen Grinsen. Das kommt von viel harter Arbeit. Freut mich, dass es die Mühe wert war.

„Lass uns gehen", sagte ich und deutete auf die Tür. Wir liefen einige Zeit schweigend und ziellos durch das Viertel von Seoul in dem wir trainierten.
„Was willst du essen?", fragte mich Felix dann irgendwann und schenkte mir ein schüchternes Lächeln.
„Fleisch", antwortete ich wie aus der Pistole geschossen.
Felix zog die Augenbrauen hoch und sein Blick zuckte wieder zu meinen Armen. Demonstrativ verschränkte ich sie vor meiner Brust. Und noch schön anspannen.

„Ok alles klar. Fleisch sollte hier kein Problem werden", meinte er und lächelte mich breit an. Ich musste aufhören ihn anzusehen. Sein Lächeln war so strahlend, dass meine darke Seele vergaß, dass sie dark war.

Wir fanden ein kleines Restaurant und setzten uns an einen Tisch. Ich bestellte Unmengen an Fleisch und viele Beilagen. Felix Gesicht wurde von Sekunde zu Sekunde bleicher. Er überschlug wahrscheinlich gerade was ihn die Mahlzeit kosten würde, doch ich hatte nicht vor ihn bezahlen zu lassen.
„Ich gehe später noch Trainieren und ich brauche die Proteine", erklärte ich, als die Ladenbesitzerin ging um unsere Bestellung fertig zu machen.

„Wie oft trainierst du denn?", fragte mich Felix neugierig und spielte an den Ringen an seiner Hand herum. Mir war schon letztes Mal aufgefallen, dass er bei jeder unserer Begegnungen Ringe getragen hatte. An ihm wirkte das aber in keinster Weise feminin.

„Wenn ich es schaffe jeden Tag", erklärte ich.
„Jeden Tag? Zusätzlich zum normalen Trainee-Alltag?"
„Ja ich brauche das zum Entspannen"
Felix lachte laut auf. Sein Lachen war seltsam hoch im Vergleich zu seiner sonst so tiefen Stimme.

„Dann haben wir wirklich andere Definitionen davon was entspannen bedeutet"
„Wie entspannst du?"
Felix tippte sich mit dem Zeigefinger gegen die Unterlippe und kniff die Augenbrauen nachdenklich zusammen.
„Ich verbringe Zeit mit meinen Freunden. Ich tanze. Ich rufe auch gerne meine Familie an. Sie leben in Australien, weißt du?"

Ich nickte. Bei Chan war es auch so gewesen. Dieser hatte seine Familie aber schon vor vielen Jahren zurückgelassen. Für Felix musste das noch ganz neu sein, so auf sich gestellt zu sein.

Die Besitzerin kam an unseren Tisch und begann allerlei Speisen vor uns abzustellen. Mir lief das Wasser im Mund zusammen.
„Iss bitte viel", sagte ich zu Felix und er warf mir einen verwirrten Blick zu.
„Ich werde bezahlen, also iss dich satt", sagte ich und stopfte mir ein großes Stück Fleisch in den Mund. Mmhhhm dieses Aroma. „Gogi" nuschelte ich genüsslich.

„Nein, ich habe doch gesagt, dass ich dich einladen werde!", protestierte Felix lautstark.
„Ich bin älter als du. Ich kann dich doch nicht das ganze Essen bezahlen lassen. Ich habe bestimmt für 4 Personen bestellt"
„Hyung...", versuchte es Felix erneut, doch ich stopfte ihm prompt ein gefülltes Salatblatt in den geöffneten Mund.

Ich lächelte ihn herausfordernd an, während er versuchte das Essen zu kauen und zu schlucken.
„Keine Widerworte? Super, dann wäre das doch geklärt"
Ich aß etwas von meinem Reis und befüllte dann das nächste Blatt mit allerlei Beilagen.

„Kannst du auch singen? Oder rappst du bloß?", fragte mich Felix irgendwann.
„Ich kann alles", sagte ich. Dann schoss mir die Röte ins Gesicht, aber Felix nickte nur.
„Irgendwie habe ich das erwartet"

„Und du?", versuchte ich das Thema von mir abzulenken. Ich redete gerne über mich, wenn ich posen wollte, doch ich mochte es nicht, wenn mich Menschen persönliche Dinge fragten.

„Ich rappe nur ein bisschen. Meinen Gesang muss ich wie gesagt noch verbessern... aber ich tanze unglaublich gerne. Hyunjin und Minho Hyungs unterstützen mich da sehr"
Er lächelte gedankenverloren, als er daran dachte und wieder funkelten kleine Sterne in seinen Augen auf.
„Du hast ja Sommersprossen", stellte ich fest.

Felix fuhr sich mit einer Hand über die Nasenspitze und die Wangen.
„Oh ja... ich weiß... das entspricht nicht dem Beauty Standard in Korea..."
„Sie sind sehr niedlich", unterbrach ich ihn.
Felix lächelte mich breit an.
„Danke Hyung"
Ein warmes Kribbeln breitete sich in meinem Magen aus.
„Wofür? Ich habe doch nichts gemacht... Iss lieber noch ein bisschen, du bist so dünn, hast du überhaupt Kraft zum Tanzen?" Vor Aufregung kam ein ganzer Schwall Worte aus meinem Mund.

Felix verdrehte immer noch lächelnd die Augen und griff nach einem Stückchen Fleisch.
„Ich werde viel essen, wenn du das sagst, Hyung"
Meinem Bauch tat es wirklich nicht gut, wie Felix das Wort „Hyung" aussprach.

Ich griff nach einem der Gläser auf dem Tisch und zuckte sofort davon zurück, da Felix Hand bereits darum lag.
„Das ist mein Glas. Deins steht hier drüber"
Und wieder dieses Lachen, was meine Knie wackelig werden ließ. Gut, dass ich saß.

Ich trank einen großen Schluck von meinem Glas und bemühte mich überall hin zu sehen, nur nicht zu Felix. Irgendetwas an ihm irritierte mich.
„3Racha denkt sich die Lyrics selbst aus, hm?", fragte Felix. Ich war mir nicht sicher, ob wir schon mal darüber geredet hatten oder ob Chan ihm das bereits erklärt hatte, aber ich ging trotzdem darauf ein. Die Stille zwischen uns begann unangenehm zu werden.

„Ja genau. Han und ich machen oft die Songtexte, einfach weil Chan mit dem Produzieren schon genug zu tun hat. Wenn er Zeit hat, macht er mit und seine Texte sind wirklich gut"
„Worüber schreibt ihr denn?"
„Alles mögliche... aber wir versuchen immer Themen zu nehmen, die uns wirklich bewegen..."
„So wie „wow... shes hot"?", fragte Felix und sein breites Grinsen strahlte mich von der anderen Seite des Tisches an.
„Jaaa..."

„Ok, das Lied war nicht meine Idee"
Irgendwie hatte ich das Gefühl mich vor ihm rechtfertigen zu müssen.
„Du schreibst also nicht über heiße Frauen?", neckte mich Felix.
„Nicht wirklich... nein...", gestand ich ihm in ernstem Ton.

„Worüber schreibst du dann?"
Ich spielte mit dem Reißverschluss meiner Jacke herum. „Ich mag Konzepte, die dark sind. Ich mag es wenn Texte doppelte Böden haben... wenn man nicht direkt versteht, um was es geht. Kommt in der Industrie halt nicht so gut an. Die Leute müssen vorgekaut bekommen wovon ein Lied handelt, sonst streamen sie es nicht"

„Darf ich mal ein Lied hören, das du gut findest?", fragte Felix vorsichtig.
Ich sah auf und seine Augen waren so gefühlvoll und warm, dass ich nicht anders konnte als „ja" zu sagen.

StreetlightWo Geschichten leben. Entdecke jetzt