Kapitel 24

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Changbin

Ich drückte meine Mutter fest an mich und sie wuschelte mir durchs Haar. „Deine Haare sind so lang geworden. Gehst du nicht zu Friseur?"
„So trägt man das heutzutage...", murmelte ich und fuhr mir ein paar Mal durchs Haar, um sicherzugehen, dass alle Strähnen an ihrem Platz waren.

„Ich freue mich, dass du es heute einrichten konntest! Dein Vater wird begeistert sein. Er bringt heute seinen Kollegen mit."
Ich versteifte mich. „Wieder Herrn Go?"
Meine Mutter nickte und strich mir beruhigend über den Arm. „Soweit ich weiß, kommt er diesmal allein. Seine Frau wurde auf der Arbeit aufgehalten."

Ich stieß die Luft aus. Wenigstens etwas. Ich überlegte angestrengt, ob ich zurück ins Dorm fahren sollte und einfach ein andermal zum Essen vorbeikommen sollte, doch jetzt war ich schon hier...

Meine Mutter entschuldigte sich und meinte sie müsse zurück in die Küche und weiter kochen. Als ich ihr meine Hilfe anbot, sah sie mich zweifelnd an und schickte mich in mein Zimmer. Hier war ich, ein erwachsener Mann, und wurde trotzdem von seiner Mutter herumkommandiert.

Also ging ich in mein altes Zimmer. Es war noch genauso, wie ich es zurückgelassen hatte. An der Wand hingen Poster von meinen Idolen und Schulbücher stapelten sich auf Bücherregalen. Diese waren allerdings mehr zu dekorativen Zwecken angeschafft worden, da ich die wenigsten von ihnen überhaupt geöffnet hatte.

Mein Bett war seit dem letzten Besuch mit frischer Bettwäsche bezogen worden und die Haushälterin hatte mein Zimmer in einen sauberen und ordentlichen Zustand zurückversetzt. Das Zimmer sah aus, wie das von jedem anderen Teenager auch, nur eine entscheidende Sache fehlte. Ich hatte nirgends Fotos aufgestellt.

Grund dafür waren wieder meine Selbstzweifel. Ich hatte mit meinem Therapeuten viel darüber gesprochen. Damals hatte ich mich selbst nicht akzeptieren können. Mein Aussehen, meine Persönlichkeit, meine Begabungen... ich hatte das Gefühl gehabt, dass nichts davon gut genug war, um ein Teil der Gesellschaft sein zu können. Immer wieder hatte ich mit depressiven Episoden kämpfen müssen, bis meine Mutter mich an einen Therapeuten verwiesen hatte. Es hatte gedauert bis ich bereit dazu war meine Probleme aufzuarbeiten, aber nach einigen Sitzungen hatte ich schon erste Fortschritte beobachten können.

Und seitdem Felix in mein Leben getreten ist, waren diese schwierigen Episoden immer weniger geworden. Mein Therapeut hatte mich davor gewarnt Felix als mein „Heilmittel" zu sehen, aber dessen war ich mir auch schon vorher bewusst gewesen. Felix konnte und sollte meine Probleme nicht lösen. Nur ich war für mich verantwortlich und und konnte an mir arbeiten.

Apropos. Ich zog mein Handy aus der Hosentasche und öffnete den Chat mit Felix.
„Ein Geschäftspartner von meinem Vater kommt vorbei, ich könnte kotzen"
Es dauerte nur einige Sekunden bis Felix' Antwort kam: „das tut mir leid das klingt schrecklich langweilig hoffentlich dauert es nicht so lange"
Ich tippte eine zustimmende Nachricht und packte dann das Handy weg. Doch es vibrierte erneut und eine weitere Nachricht von Felix war auf dem Sperrbildschirm zu sehen: „wenn du magst kannst du danach gerne noch vorbeikommen sag einfach bescheid"
Ich musste über seine Einladung lächeln. Schnell schickte ich ein Herz und packte das Handy dann endgültig weg.

Ich beschloss dann doch in die Küche zu gehen, in der sich meine Mutter vermutlich schon seit Stunden befand. Wie der gute Sohn, der ich war, half ich beim Tischdecken und fragte meine Mutter was es so Neues gab, seit meinem letzten Besuch. Mein Vater war wohl kurz davor eine Beförderung zu erhalten, weshalb er eine gute Beziehung zu Herrn Go aufrechterhalten wollte. Ich konnte das verstehen, aber es änderte nichts daran, dass ich die Familie Go nicht besonders mochte. Das stimmte nicht... ich konnte nur Yoorim nicht leiden.

Sie war wirklich ein Paradebeispiel für einen Schulbully gewesen, wobei ich glücklicherweise nie das Hauptopfer ihres Mobbings gewesen war. Ich hatte mir ihre Manipulationsversuche und Beleidigungen nie gefallen lassen und hatte genauso viel ausgeteilt wie sie, doch ihre Worte waren leider nicht an mir abgeprallt. Jedes Mal wenn sie mich „nutzlos" oder „untalentiert" genannt hatte, wollte ich meinen Traum aufgeben. Wenn sie mein Aussehen kommentiert hatte, hatte ich noch weitere Klamotten getragen, um meinen dürren Körper zu verstecken.

Ihre Handlungen hatten mich verwundet und Narben auf meiner Seele hinterlassen, die ich in langen Therapiesitzungen zu heilen versucht hatte. Mein Selbstbewusstsein hatte sich langsam erholt und Felix' anhimmelnde Blicke und Berührungen überzeugten mich immer wieder aufs Neue davon, dass ihre Worte nichts über mich aussagten. Ihre Meinung war mir nicht wichtig und meine Freunde würden sich niemals abfällig über mich äußern.

Da hörte ich wie die Haustür geöffnet wurde und ein Stimmengewirr den Hausflur erfüllte. Meine Mutter lächelte mich aufgeregt an und wischte sich die Hände an einem Geschirrtuch sauber. Sie hakte sich bei mir unter und gemeinsam gingen wir Herrn Go begrüßen.

Das aufgesetzte Lächeln entglitt mir völlig, als ich neben meinem Vater und Herrn Go auch Yoorim entdeckte. „Das ist doch nicht wahr", stöhnte ich und meine Mutter stieß mir den Ellenbogen in die Rippen, damit ich leiser sprach. „Sei bitte freundlich. Du kannst dich nach dem Essen entschuldigen und dann gehen, aber bitte gib dir Mühe für deinen Vater."

Ich nickte nur und zwang das Lächeln wieder in mein Gesicht, während ich Herrn Go und seiner Tochter die Hand schüttelte. Es war vielleicht kleinlich, aber ich drückte bei Yoorim ein bisschen fester zu als nötig gewesen wäre. Ihr fieser Blick zauberte mir dann ein echtes Grinsen ins Gesicht.

Das Essen verlief zum Glück recht ereignislos. Yoorim versuchte an einigen Stellen mich vor ihrem Vater zu blamieren, doch meine Familie griff jedes Mal ein und lenkte die Aufmerksamkeit von ihren Sticheleien ab.

Nach dem Essen führte mein Vater Herrn Go in den Garten, um bei dem schönen Wetter noch ein Glas Wiskey auf der Terrasse zu trinken und ich half meiner Mutter dabei den Tisch abzuräumen.

Als ich wieder ins Esszimmer kam, stand Yoorim vor mir.
„Ich habe dich beim letzten Mal übrigens kaum erkannt. Du hast ja wirklich zugelegt. Jetzt wo du einmal angefangen hast zu essen, kannst du nicht mehr aufhören, oder?" Ihr Tonfall war süß, doch ihre Worte sollten mich verletzen. „Vorher nur Haut und Knochen und jetzt adipös? Du kannst dich wirklich nicht entscheiden, oder?"
Ich zuckte mit den Schultern. Ihre Beleidigungen entsprachen diesmal nicht ansatzweise der Wahrheit. Ich wusste, was ich im Spiegel sah und das war kein Fett.
Aus dem Augenwinkel sah ich, wie sie die Arme verschränkte und die Augen zusammenkniff. Sie war nicht begeistert davon, dass ich mich nicht mit ihr anlegte und stattdessen schwieg.

„Du willst also immer noch Idol werden? Muss man dazu nicht zumindest ein wenig ansehnlich sein?"
„Ich wurde bereits gecastet." Ich biss mir auf die Zunge. Wieso hatte ich ihr geantwortet?
„Naja, debütiert hast du noch nicht. Vielleicht überlegen sie sich noch wie sie dich auf der Bühne verstecken können. Oder sie halten dich hin und hoffen, dass du zu alt wirst, um Idol zu werden."
Wieder zuckte ich mit den Schultern, doch sie hatte einen wunden Punkt getroffen. Ich hatte schon häufiger überlegt, warum wir noch keine Songs veröffentlichen durften und 3Racha nicht debütiert hatte. Lag es an mir? Ich konnte zwar gute Musik machen, doch im Gegensatz zu Han und Chan sah ich wirklich nicht wie ein typisches Idol aus...

Ich verscheuchte die Gedanken aus meinem Kopf. Das war es, was sie zu erreichen versuchte. Sie wollte mich verunsichern und sie wusste, dass es ihr gelang. Ich straffte die Schultern und hob den Kopf. Ich würde mich nicht vor ihr rechtfertigen. Schon gar nicht in meinem eigenen Haus.

Also drehte ich mich ohne ein weiteres Wort um und schnappte mir ein paar Teller, um sie in die Küche zu tragen. Dann teilte ich meiner Mutter mit, dass ich jetzt gehen würde. Ich konnte keine Minute länger in der Gegenwart dieses gehässigen Mädchens verbringen. Meine Mutter nickte verständnisvoll und entschuldigte sich bei mir für diesen misslungenen Abend. Ich war ihr nicht böse. Manchmal musste man Dinge tun, auf die man keine Lust hatte, aber im Gegensatz zu ihr und meinem Vater konnte ich gehen und das war auch was ich tat. Ich ging zu meinem Auto und gab Felix' Adresse ins Navi ein.

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Hallo ihr Lieben 🥰

Endlich wieder ein neues Kapitel in dieser Story. Ich hoffe wie immer, dass es dir gefallen hat. Lass mir gerne Feedback da, auch darüber ob du die Richtung gut findest, in die sich die Storyline entwickelt. Ich bin echt neugierig 🙈

Ich kann leider noch nicht sagen wann das nächste Kapitel kommen wird, aber mittlerweile kennst du mich ja schon ein bisschen und weißt dass ich eher sporadisch neue Kapitel veröffentliche... 😅

Ich hoffe dir geht es gut soweit und wir sehen uns dann beim nächsten Kapitel

Lg 🥰

StreetlightWo Geschichten leben. Entdecke jetzt