Changbin
Was sollte ich bloß tun? Ich war innerlich zerrissen. Felix' Anblick, wie er aus dem Bad gestürmt war mit geröteten Augen und bleicher Haut, hatte mir einen Schrecken eingejagt. Nach dem Gespräch mit Chan war mir bewusst geworden, dass ich mich nicht fair gegenüber Felix verhielt. Ich wusste, dass ihn keine Schuld an dem ganzen Geschehen traf. Ich hatte mich mittlerweile Chan anvertraut und auch mit meiner Therapeutin ein ausführliches Gespräch geführt. Felix hatte nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt. Wenn jemanden Schuld an diesem Vorfall traf, dann war es Yoorim, die einen Weg gesucht hatte, mich aus dem Label werfen zu lassen. Felix hatte die ganze Zeit nur mein Bestes gewollt.
Ja, er war naiv, weil er geglaubt hatte, dass ich mich mit ihr hätte anfreunden können, doch das machte ihn nicht zu einem schlechten Menschen. Trotzdem hatte ich das noch nicht verarbeitet. Mein Verstand sagte mir immer noch, dass ich mich in Acht nehmen sollte, um weitere Schmerzen, die von Felix ausgehen konnten, zu vermeiden. Dazu kam noch, dass ich die negativen Gefühle, die ich für ihn empfunden hatte, nicht einfach wegzaubern konnte. Ich verband ihn mittlerweile mit Schmerz und das musste ich langsam ändern, wenigstens um wieder eine Freundschaft zu ihm aufbauen zu können.
Ich fuhr mir meinen Händen übers Gesicht, um den Schweiß wegzuwischen. Mein Trainingsshirt klebte an meinem Oberkörper und mein Herz schlug schnell in meiner Brust. Es war frustrierend, dass ich meinen Trainingsstand verloren hatte und ihn wieder aufbauen musste. Ich hätte mich selbst nicht so gehen lassen dürfen. Ich konnte meine gewohnten Gewichte nicht mehr bewegen und an Flexibilität hatte ich auch einbüßen müssen. Seufzend legte ich mich wieder zurück auf die Bank und begann die Langhantel auf und ab zu bewegen. Sofort wanderten meine Gedanken wieder zu Felix. Zu seinem wütenden Blick. Ob er mich jetzt hasste? Ich schüttelte den Gedanken ab. Auch wenn es herzlos klang musste ich mich erst um mich und meine Probleme kümmern. Ich konnte nicht zurück in Felix Leben kommen, mich entschuldigen und um eine zweite Chance bitten, nur um die gleichen Fehler zu wiederholen. Ich musste zuerst an mir arbeiten und meine Gedanken und Handlungsweisen überdenken. Felix hatte etwas besseres verdient, auch wenn das bedeutete, dass ich das nicht war.
Bei dem Gedanken zog sich meine Brust zusammen. Felix... er hatte die Welt verdient. Er war so ein herzlicher Mensch. Die Sonne schien aufzugehen, wann immer er den Raum mit seinem strahlenden Lächeln segnete. Und ich war gerade einfach eine Zumutung. Ich konnte ihm nicht abverlangen mich schon wieder aufzubauen.
Ich hing die Langhantel zurück in die Halterung und kletterte darunter hervor. Als ich aufblickte, sah ich Jisung vor mir stehen. "Oh hey, was machst du denn hier? Wolltest du nicht zu Minho?" Jisung schüttelte den Kopf. "Wir verbringen nicht jede freie Minute miteinander, weißt du?", meinte er und rollte mit den Augen. Ich nickte, glaubte ihm jedoch kein Wort. Die beiden waren mittlerweile wie zusammengewachsen. Wo der eine war, war der andere nicht weit. Ich fragte mich jedoch, ob das langfristig so weitergehen konnte. Allerdings gönnte ich meinem besten Freund, dass er wieder so glücklich mit Minho war. Ich verstand ihre Dynamik immer noch nicht so ganz, aber das ging mich auch nichts an. Solange Minho ihn nicht verletzte, freute ich mich für Jisung.
"Alles gut? Du schaust richtig fertig aus...", erkundigte sich Han bei mir. "Ich bin nicht in Form, was das Training deutlich anstrengender macht, als ich dachte. Ich glaube ich brauche danach erstmal Kohlenhydrate und Proteine. Wollen wir was essen gehen?", bot ich an. Jisungs Blick wich meinem aus und ich konnte mir schon denken, welche Antwort gleich kommen würde. "Naja... also ich..." "Habe schon was mit Minho vor?", unterbrach ich ihn, während ich nach meiner Wasserflasche griff. Jisung lief rot an und nickte dann, während er eingehend den Boden unter seinen Füßen studierte. "Ihr beiden seid so süß. Davon kann einem sogar schlecht werden."
"Findest du?" Jisungs Augen hätten in dem Moment Herzen sein können. Ich schüttelte den Kopf und klopft meinem Freund auf die Schulter. "Ja voll, ich fand euch vorher schon eklig süß, aber seit kurzem ist es noch viel schlimmer geworden." Jisung lachte. "Wir haben vor kurzem geredet..." "Geredet", wiederholte ich und setzte das Wort in Anführungszeichen. Jisung sah mich genervt an. "Ich meine es ernst. Wir haben wirklich mal lange und ausführlich geredet und das tat echt gut. Ich meine Minho ist einfach kein Mensch der vielen Worte, aber er gibt sich echt große Mühe mich an seinen Gedanken teilhaben zu lassen und dadurch... fühle ich mich ihm näher? Macht das Sinn?"
Ich überlegte kurz. Felix und mir hatte es eigentlich nie an tiefen Gesprächen gemangelt. Wir hatten aber auch eine andere Beziehungsdynamik gehabt als Minho und Jisung. Ihre Beziehung war aus körperlicher Anziehung entstanden, während Felix und ich uns körperlich angenähert hatten, als wir längst eine emotionale Verbindung hatten. Ich seufzte. Keine dieser Varianten war perfekt und sowohl Minsung als auch wir mussten jetzt Herausforderungen überwinden. "Ja... ja ich glaube das macht sogar sehr viel Sinn. Aber ich freue mich echt, dass ihr euch näher kommt. Das ist echt schön." Han lächelte mich breit an. "Ich freu mich auch echt. Es tut mir voll leid, dass ich gefühlt gerade auf Wolke Sieben schwebe und du gerade mit Felix... so eine Situation hast..." Seine Miene wurde ernster und er verschränkte mit mitleidige m Blick die Arme vor der Brust.
Abwehrend hob ich die Arme und schüttelte den Kopf. "Bitte fühl dich nicht meinetwegen schlecht. Das ist mein eigenes Problem für das ich selbst eine Lösung finden muss. Ich kann mich trotzdem aus ganzem Herzen für dich freuen." Ich drückte Jisung kurz an mich. "Das heißt aber nicht, dass ich Minho nicht die Beine brechen würde, wenn er wieder irgendeinen Mist baut, verstanden?", flüsterte ich. Han lachte lauthals und ich schmunzelte.
"Aber wie geht es dir denn mit Felix. Bist du zu irgendeinem Entschluss gekommen?" Jisung nahm sich eine Hantel und begann seinen Bizeps zu trainieren. Ich lehnte mich gegen die Wand und begann zu erzählen. "Um ehrlich zu sein... nicht so richtig. Ich glaube ich bin noch nicht soweit, um mich mit ihm auszusprechen. Ich bin noch nicht an einem Punkt, wo ich sagen kann, wie es mit uns weitergehen könnte. Ich muss mich jetzt erstmal auf mich konzentrieren und versuchen mein Leben auf die Reihe zu kriegen, danach kann ich ein guter Freund für Felix sein... wenn er das dann überhaupt noch will...", fügte ich düster hinzu.
"Das ist echt eine miese Situation bei euch. Ich kann euch beide echt verstehen, aber ich glaube auch, dass ihr euch gerade mit eurem Verhalten verletzt. Jeder sich selbst, aber auch den jeweils anderen... keine Ahnung was man da machen kann." "Ich weiß es auch nicht so ganz... mittlerweile glaube ich, dass ein Gespräch unausweichlich ist. Ich will ihm sagen, dass es mir leid tut, wie ich mich verhalten habe. Er muss mir ja nicht verzeihen... ich will nicht mal, dass alles so wird wie vorher, sondern dass er weiß, dass ich mir bewusst bin, dass mein Verhalten falsch war. Was er mit dieser Info macht, ist dann seine Sache."
Jisung nickte. "Das ist fair, schätz ich... vielleicht könnt ihr dann ein klärendes Gespräch führen, dass dazu beiträgt Missverständnisse aus dem Weg zu räumen." "Ja das hoffe ich auch", gab ich zu. Mein Magen knurrte. "Du, ich glaube ich packs dann. Ich hab echt Hunger bekommen und mein Workout ist jetzt sowieso durch." Han und ich verabschieden uns voneinander und ich packte meine Sachen zusammen. Ich sollte wirklich das Gespräch mit Felix suchen. Mich ließ der Gedanke schon seit einigen Tagen nicht mehr los, doch mit Jisung darüber zu reden, hatte meinen Entschluss gefestigt.
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Streetlight
FanfictionChangbin trainiert für seine Karriere als K-Pop Idol. Er ist ehrgeizig und kämpft für seinen Traum. Mit seiner Rap-Group 3Racha produziert er neben dem Training auch eigene Lieder. Er will hoch hinaus und es den Leuten zeigen, die ihm Steine in den...