Kapitel 43

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Felix

Meine Finger hämmerten auf die Tastatur vor mir ein. Ich lugte hinter einer großen Box hervor und wollte gerade dahinter hervorkommen, als mein Bildschirm rot anlief und ich meinen Character zu Boden gehen sah. "Fuck!", fluchte ich laut und schlug mit der Faust auf den Tisch. "Lass den Tisch in Ruhe", meinte Seungmin neben mir und schoss der Person, die mich erwischt hatte, ins Bein. Er lachte fröhlich und rannte dann zum nächsten Versteck.

Ich griff nach meiner Cola und trank einen großen Schluck. "Willst du noch eine Runde spielen?", fragte mich Seungmin ohne vom Bildschirm aufzublicken. "Keine Ahnung... ich bin heute nicht konzentriert genug, um zu gewinnen", erklärte ich ihm. "Ja, hab ich auch schon gemerkt. Warum eigentlich? Also, nicht dass du sonst gut wärst, aber heute bist du sogar für deine Verhältnisse schlecht."

Ich rollte mit den Augen und stütze mein Kinn auf die Hand. "Immer noch wegen Changbin, aber ich will nicht drüber reden. Du bist gut mit ihm befreundet und ich will keine komische Stimmung erzeugen..." "Oh, keine Sorge", unterbrach mich Seungmin, der immer noch weiterspielte. "Mir sind eure Probleme gleichermaßen egal."

Ich sah ihn von der Seite an. Ich wusste manchmal nicht, ob er die Dinge, die er so trocken sagte, ernst meinte, oder ob sie sarkastisch waren. "Ich sehe keine Zukunft mehr mit uns beiden... ich denke es wäre besser, wenn wir einfach Kollegen bleiben..."
"Wie kommst du denn auf den Müll?", fragte Seungmin. "Was? Was meinst du?", fragte ich völlig vor den Kopf gestoßen. "Naja, wieso denkst du, dass ihr keine Zukunft habt? Ihr streitet euch zum ersten Mal und das wars jetzt? Bisschen schwach, wenn du mich fragst, aber vielleicht habe ich euch beiden auch zu viel zugetraut."

Ich sah Seungmin dabei zu, wie er aus einem Fenster sprang und auf einem Gegner landete, nur um ihm dann sein Messer in den Rücken zu rammen. Sein Character sprang wieder auf, schnappte sich das Maschinengewehr des Gegners und rannte dann zur nächsten Deckung. "Ich... also... es hat nichts mit dem Streit zu tun. Tatsächlich weiß ich nicht mal, weswegen Changbin mir aus dem Weg geht. Mir geht es nur darum, dass ich mich nicht so behandeln lassen will."

"Hmm", machte Seungmin. "Das kann ich verstehen. Mich würde das auch nerven." "Aber du würdest an meiner Stelle das Gespräch mit Changbin suchen?", bohrte ich nach. "Ich? Auf keinen Fall. Wenn ich nichts falsch gemacht habe, dann werde ich mich nicht entschuldigen." Diese Aussage war so typisch für Seungmin, dass ich lächeln musste. "Und trotzdem rätst du mir, dass ich mich bei Changbin entschuldigen sollte?" "Das habe ich nicht gesagt. Du bist nicht ich, also solltest du auch nicht das tun, was ich tun würde. Tu das was für dich das Beste ist" "Ich bin endgültig verwirrt..." Mein Kopf schwirrte. "Naja, du hast gesagt, dass du dich nicht länger so behandeln lassen willst. Du hast aber immer noch Gefühle für Changbin, oder?" Ich nickte als Antwort auf Seungmins Worte. Dieser musste mein Nicken aus dem Augenwinkel gesehen haben, denn er fuhr fort. "Na also. Ist dann die einzige Möglichkeit, die bleibt, das Handtuch zu werfen? Nein. Zuerst solltet ihr alles versuchen, die Schwierigkeiten aus dem Weg zu räumen und wenn sich dann nichts an der Situation ändert, dann könnt ihr guten Gewissens sagen, dass ihr alles ausprobiert habt und dass es nichts gebracht hat. Menschen bereuen eher Dinge, die sie nicht getan haben, als Dinge, die sie getan haben. Wusstest du das? Willst du dich möglicherweise für immer fragen, was da zwischen euch hätte entstehen können, wenn ihr nicht aufgegeben hättet?"

Ich sah Seungmin mit großen Augen an. "Wie kannst du so weise wenn, wenn wir doch gleich alt sind?" Er lächelte sein Puppy-Lächeln. "Dadurch, dass ich mich aus Beziehungsdrama raushalte, lerne ich immer aus den Fehlern anderer, ohne sie selbst zu machen. Das ist voll schlau."

"Willst du denn keine Beziehung?", fragte ich ihn interessiert. Ich wusste nicht, ob ich mich vorher überhaupt schon einmal so tiefgründig mit Seungmin unterhalten hatte. "Irgendwann mal bestimmt. Aber im Moment bin ich wirklich glücklich allein. Ich habe Zeit dafür alles zu tun, was ich will und kann meine Freunde sehen, meinen Hobbys nachgehen und mein Gesang carried die ganze Gruppe, von daher... Ich würde es im Moment nicht anders haben wollen."

Ich schüttelte leicht den Kopf. Wie konnte jemand in unserem Alter nur so weise sein? Ich hatte das Gefühl, dass ich meinen eigenen Mist nicht geregelt bekam. Zwischen dem Training noch Zeit für Mahlzeiten, geschweige denn meine Freunde zu finden, war schon eine Herausforderung. Aber Seungmin hatte recht. Er schien mit sich vollkommen im Reinen zu sein. "Danke...", flüsterte ich ihm zu. "Wofür?", hakte er nach. "Dafür, dass du mir zugehört hast und auch für deine Perspektive. Es tut echt gut andere Meinungen zu hören. Ich habe über die ganze Sache noch nicht so nachgedacht wie du." "Kein Problem", erwiderte er leichthin. "Dafür sind Freunde da. Kauf mir als Gegenleistung einfach etwas zu essen, ich bekomme Hunger."

Ich rollte mit den Augen. Und da war der alte Seungmin wieder. Seufzend stand ich von meinem Stuhl auf und ging zum Tresen, um uns beiden etwas zu essen zu bestellen. Seungmins Worte wirbelten durch meinen Kopf. Wenn ich zuhause war, würde ich mir die Zeit nehmen, in Ruhe über das Gesagte nachzudenken.

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