Felix
Ich kann nicht mit ihm sprechen. Ich wüsste nicht, was ich ihm sagen soll. Ich glaube alles, was ich sagen könnte, würde ihn nur noch mehr verletzen...
Die Worte hallten wie ein Echo in meinem Kopf nach. Ich war vorhin auf dem Weg in Chans Room gewesen, weil ich ihn zum Mittagessen abholen wollte. Als ich meine Hand nach der Türklinke ausgestreckt hatte, merkte ich, dass die Tür angelehnt war und dass neben Chan auch noch Changbin im Zimmer war. Sofort zog ich die Hand zurück. Changbin war immer noch schlecht auf mich zu sprechen und niemand wusste so genau woran es lag. Es freute mich unglaublich für ihn, dass es ihm von Tag zu Tag besser zu gehen schien, doch wie er mich behandelte, hinterließ Spuren in mir.
Anfangs hatte ich sein Verhalten auf den Schock und dann auf eine Krankheit geschoben. Er hatte sich mir bereits anvertraut und zugegeben, dass er manchmal noch mit depressiven Episoden zu kämpfen hatte. Ich hatte vollstes Verständnis für ihn und wollte ihn bei seinem Heilungsprozess begleiten. Ihn jetzt fallen zu lassen, würde seine Angst davor, dass er anderen Menschen nichts bedeutete, bestätigen. Aber dennoch... ich wurde wütend. Mit jedem Mal, wenn ich meine Hilfe anbot und sie abgelehnt wurde, wenn ich den Kontakt suchte und stattdessen abgewiesen wurde, oder ich Hoffnung empfand, die danach enttäuscht wurde...kochte die Wut in mir hoch.Ich wusste, dass ich ein netter Mensch war. Dass ich aufopferungsvoll für andere Menschen kämpfte und sie stärkte. Ich mochte diese Eigenschaft wirklich an mir. Leider hatte es zur Folge, dass es immer wieder Menschen gab, die mich für naiv hielten und meine Fürsorge ausnutzen. Ich hatte gedacht, dass ich mittlerweile eine gute Menschenkenntnis entwickelt hatte und einschätzen konnte, wem ich vertrauen konnte und wem nicht. Vermutlich tat es deshalb umso mehr weh, jeden Tag aufs Neue zu sehen, dass ich meine Zeit und Energie mit Changbin verschwendet hatte. Ich liebte ihn. Das war klar. Und das hatte sich auch nicht geändert. Er bedeutete mir so unglaublich viel, dass ich jetzt die Reißleine ziehen musste, um größeren Schaden abzuwenden. Also begann ich es zu akzeptieren. Ich schrieb ihm nicht mehr und ich ging ihm, wann immer ich konnte, aus dem Weg.
Als ich vorhin also vor Chans Room stand und Changbins Stimme hörte, machte ich auf dem Absatz kehrt und wollte zurück in eines der Tanzstudios gehen, als ich Changbins Worte hörte: Ich kann nicht mit ihm sprechen. Ich wüsste nicht, was ich ihm sagen soll. Ich glaube alles, was ich sagen könnte, würde ihn nur noch mehr verletzen.
Ich schluckte angestrengt und beeilte mich von diesem Raum wegzukommen. Was sollte das heißen? Was war nur passiert? Wann waren die Dinge so eskaliert? Was hatte ich getan, das so unverzeihlich war, dass es mit Schweigen bestraft wurde? Mir fiel nichts ein. Ich hatte immer auf Changbins Seite gestanden und ihn unterstützt. Ich hatte ihm gut zugeredet und ihn aus seiner Reserve gelockt, nur um dann selbst fallen gelassen zu werden. Ich schloss die Tür des Trainingsraumes und ließ mich daran hinabgleiten. Er war glücklicherweise menschenleer. Meine Hände ballten sich zu Fäusten und drückte sie auf meine Augen. Sie waren erfüllt von Tränen, die ich bis jetzt zurückgehalten hatte. Tränen der Wut, der Frustration, der Trauer und der Resignation.
Alles, was ich sagen könnte, würde ihn nur noch mehr verletzen... Was meinte er damit? Es gab noch schlimmere Dinge, die er mir sagen wollte? Hatte er vor mich noch mehr zu verletzten, als er es mit seinem Verhalten sowieso schon tat? Meine Brust schmerzte und ich schnappte nach Luft. Wieso tat es so weh, wenn einem das Herz gebrochen wurde? Es fühlte sich an, als hätte Changbin mein Herz in der Hand und würde es mit aller Macht quetschen. Mir wurde übel. Das war es also. Ich hatte schon seit dem Tag, als Frau Seo uns mitgeteilt hatte, dass Changbin wieder trainieren durfte, den Verdacht, dass unsere Beziehung diese Situation nicht überstehen würde, doch seine Worte fühlten sich so an, als hätte er nun wirklich mit mir Schluss gemacht. Das einzig vernünftige, das ich in dieser Situation machen konnte, war mein Herz vor weiteren Schmerzen zu schützen, indem ich mich abschirmte.
Das war mal wieder typisch für mich, dachte ich. Ich hatte mir den "Bad-Boy" gesucht und gehofft, dass ich ihn zu einem guten Menschen machen konnte. Mein "Projekt". Ich schüttelte den Kopf über mich selbst. Ich konnte jetzt nichts mehr tun. Wenn Changbin nicht bereit war, mit mir zu sprechen, dann hatte das alles keinen Sinn mehr. Ich musste die Augen nicht noch länger vor dem Unausweichlichen verschließen. Wir hatten nie eine Zukunft gehabt.
Ich wischte mir mit den Ärmeln meines Hoodies über das Gesicht. Meine Augen waren rot und geschwollen. Ich zog meinen Beanie tiefer ins Gesicht, sodass meine Haare über meine Augen hingen. Dann ging ich ins Badezimmer, um mir das Gesicht zu waschen. Als ich mir gerade das Gesicht abtrocknete und im Spiegel überprüfte, ob man mir anmerken würde, dass ich gerade einen Zusammenbruch erlebt hatte, öffnete sich die Tür einer Kabine. Hastig zog ich mir die Kapuze ins Gesicht und warf das Papierhandtuch in Richtung des Mülleimers. Bei meinem Glück verfehlte es den Eimer knapp und landete auf dem Boden. Pflichtbewusst, wie ich war, hob ich es auf und öffnete die Badezimmertür. Als ich gerade herausgetreten war, stieß ich mit einer anderen Person zusammen. Mein kraftloser Körper landete unsanft auf dem Boden und ich begann vor mich hin zu fluchen.
Ich rappelte mich auf und war bereit einen Streit mit der Person vom Zaun zu brechen, die mich umgeworfen hatte, als ich sie erkannte. Natürlich. Natüüürlich musste es Changbin sein. Ich funkelte ihn böse an und zog mir den Beanie tiefer in die Stirn. Mein Arm wurde gepackt, was mich herumwirbeln ließ. "Hey ist alles ok?", fragte Changbin mit einem Ton, den ich nicht zuordnen konnte. Ich versuchte meinen Arm auf seinem Griff zu befreien, doch er ließ nicht locker. "Lass mich in Ruhe.", zischte ich ihm leise zu und machte Anstalten zu gehen. "Felix... ich", begann er, doch da trat die Person, die ebenfalls im Badezimmer gewesen war, heraus. Changbin ließ meinen Arm fallen und ich nutzte die Gelegenheit um zu verschwinden. Ich ging nicht zurück in den Trainingsraum, weil ich Angst hatte, dass mich Changbin dort aufsuchen würde.
Es war schon schlimm genug, dass er mich in dem verheulten Zustand gesehen hatte. So wollte ich ihm nicht erneut begegnen. Also zückte ich mein Handy und schrieb Hyunjin, dass ich auf dem Heimweg war. Unten am Eingang des Gebäudes lief ich Minho und Jisung in die Arme. Jisung wollte ein paar Worte mit mir wechseln, aber er sah wohl, dass ich gerade nicht in der Stimmung dazu war, denn er ließ sich von Minho zum Weitergehen überreden. Warum musste man ausgerechnet dann allen Menschen, die man kannte, begegnen, wenn man keine Lust auf Sozialkontakte hatte? Ich wollte nur noch in meine kleine Wohnung, mir ein Stück von den Brownies, die ich gestern mit Hyunjin gebacken hatte, nehmen und in Selbstmitleid und Wut baden. Es war genug. Ich hatte die ganze Zeit gute Miene zum bösen Spiel gemacht. Ich würde meine eigenen Wünsche und Bedürfnisse nicht länger unterordnen. Nicht für Changbin. Für niemanden.
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Streetlight
FanfictionChangbin trainiert für seine Karriere als K-Pop Idol. Er ist ehrgeizig und kämpft für seinen Traum. Mit seiner Rap-Group 3Racha produziert er neben dem Training auch eigene Lieder. Er will hoch hinaus und es den Leuten zeigen, die ihm Steine in den...