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Elian

Ich kam gerade unter der Dusche weg, als mein Vater meinen Namen rief. Genervt, weil ich eigentlich dachte, dass ich am späten Abend endlich Ruhe hatte, ging ich die Treppen hinunter in den Flur wo mein Vater auf mich wartete.
"Wir brauchen noch mehr Bier. Hol was.", sagte er.
Er und meine Mutter hatten Besuch von Freunden. Wenn fremde Leute hier waren, schrien meine Eltern mich nicht an. Doch gemein waren sie trotzdem. 
"Ja.", antwortete ich knapp und suchte mein Geld zusammen.
Dass das Geld für diesen Monat aufgebraucht war, brauchte ich ihnen gar nicht zu sagen, denn das wollten sie nicht hören. Also musste ich mal wieder in meine eigene Tasche greifen. Gott sei Dank hatte ich meine Oma, welche mir Taschengeld gab. Sonst tat das ja keiner.
Schnell schmiss ich mir eine Jacke über und lief zu dem Kiosk des Vertrauens.
"Gar nicht auf dem Stadtfest heute?", fragte der Kioskbesitzer mich, als ich zahlte.
"Ich war heute Nachmittag da. Das hat mir gereicht."
"Ja, meine Welt ist das auch nicht. Hab mir nur die Rede vom Bürgermeister angeschaut. War aber auch das Gleiche wie jedes Jahr."
Ich nickte zustimmend und bedankte mich dann für das Bier. 
Als ich aus dem Kiosk wieder rauslief, hörte ich die Musik des Stadtfestes. Und ab und an kamen mir ein paar Leute entgegen, die vom Stadtfest kamen.
"Was hast du denn noch vor?", hörte ich Levin fragen.
Scheiße. Bitte nicht....
Er holte mich schneller ein als ich dachte und lief nun neben mir.
"Steigt bei dir eine Party?", fragte er weiter.
Ich schüttelte nur schnell den Kopf und schaute auf den Boden.
"Trinkst du das alleine?"
"Ist nicht für mich...", sagte ich knapp.
"Aha."
Und jetzt hatte ich ein Problem. Denn Levin lief immer noch neben mir, doch ich war bereits bei meinem Haus angekommen. Abrupt blieb ich stehen und hoffte, dass Levin einfach weiter lief.
Nein, das tat er natürlich nicht. Er blieb stehen und schaute auf das Haus hinter mir.
"Hier wohnst du also?"
Er runzelte die Stirn. Wieso war das Leben so scheiße zu mir?
"Geht besser, was?"
"Elian! Was stehst du da rum? Gib mir das Bier!", rief mein Vater und kam zu Levin und mir.
Was hatte ich getan um so eine Strafe zu verdienen? Jetzt sah Levin auch noch meinen Vater. Nach diesem Wochenende würde die Schule wohl noch schlimmer als die Hölle werden.
Mein Vater nahm mir das Bier ab und schaute Levin an. "Willst auch eins?"
"Ne, danke. Ich hatte genug."
Das stimmt. Er roch nach Bier. Genau wie mein Vater.
"Selbst Schuld.", sagte mein Vater schulterzuckend und ging wieder ins Haus. 
Wenigstens war er für seine Verhältnisse nett. 
"Dein Vater scheint ja ganz locker zu sein.", meinte Levin lächelnd.
"Kann sein."
"Noch was vor heute Abend?"
Mein Herz schlug plötzlich schneller. Warum fragte er das? Warum interessierte ihn das überhaupt?
Nun schaute ich zum ersten Mal zu ihm hoch.
"Ne."
"Ich hab dich auf dem Stadtfest gesehen. Warst du mit deiner Großmutter da?"
Ich nickte schnell.
"Cool. Dann noch viel Spaß beim... nichts tun."
Er schenkte mir ein leichtes Lächeln und verschwand in die Dunkelheit. Perplex stand ich weiterhin auf dem Bürgersteig und schaute ihm nach. Er hatte mich angelächelt und er war nett. Was zum Teufel? Wieso hatte er das gemacht? Wieso war er plötzlich so? Hatte er Mitleid? Oder war er nur so nett um am Montag wieder ohne schlechtes Gewissen scheiße zu mir sein zu können?
Ja, das wird es sein. Denn so war Levin. Er war scheiße. Genau wie seine ganze Sippschaft. Wie die ganze verdammte Schule.

(...)

Ich ging mit heftigen Bauchkrämpfen zur Schule. Kurz war ich am Überlegen mich krank zu melden. Doch das konnte ich nicht machen.
Ich war nicht krank. Ich hatte nur Bauchschmerzen, weil ich nicht wusste wie schlimm das Mobbing heute werden würde. Levin hatte gesehen in was für einem Haus ich wohne und wer mein Vater war. Und damit würde er mich heute garantiert aufziehen.
Bevor der Unterricht losging und auch in den ersten zwei Stunden passierte erstmal nichts. Doch nun kam die große Pause. Zwanzig Minuten musste ich versuchen unsichtbar zu sein.
Ich ging nach draußen in eine kleine Ecke, setzte mich auf einen Stein und ging ans Handy. Aber die Ruhe verweilte nicht lange. 
Ruckartig wurde mir das Handy aus der Hand gerissen. Es war Dominik. Hinter ihm stand Levin.
Scheiße! Ich hab es gewusst.
"Was schaust du dir da an? Schwulen Pornos? Du ekelst mich echt an.", sagte Dominik lachend.
Er gab Levin mein Handy und kam mir gefährlich nah. 
"Steh auf.", befahl er mir.
Was hatte er vor? Sollte ich das wirklich tun? Hatte ich eine andere Wahl? Was würde er tun, wenn ich nicht aufstand?
"Steh auf!"
Okay, ich tat einfach was er sagte und stand auf. Dabei schaute ich natürlich, wie immer, auf den Boden.
"Du kleiner Pisser, machst auch alles was man dir sagt oder?", lachte Dominik und Levin stimmte mit ein. "Guck mal, ich hab was für dich."
Nun schaute ich zu ihm und sah wie er ein Messer aus seiner Hose zog. Meine Augen wurden groß. Wo hatte er das her?
"Hast du Angst?", fragte er. "Hast du? Hast du?" Er fuchtelte mit dem Messer vor meiner Nase rum. 
Was war das für eine scheiß Frage? Natürlich hatte ich Angst.
"Schisser.", lachte Levin. "Wehr dich los. Sonst tut Dominik dir noch weh. Hau ihm eine rein."
"Genau. Hau mir eine rein. Los. Mach schon. Komm."
Er fuchtelte immer weiter mit dem Messer vor mir rum. Ich ging ein paar Schritte nach hinten, traf dabei aber auf den Stein, auf welchem ich bis eben noch saß.
"Du bist so eine Lusche.", meinte Levin und trat nun neben Dominik. "Weißt du, wir wollen dir nur helfen. Du musst dich auch mal wehren können. Das ist dein Training."
Ich hörte genau wie seine Stimme vor Sarkasmus nur so triefte. 
Dominik hielt mir das Messer nun gefährlich nah an die Kehle. Eine falsche Bewegung und das wars. "Schubs mich. Komm. Mach was!"
Als er mich anschrie zuckte ich zusammen und die beiden fingen an zu Lachen.
"Das wird so nichts.", meinte Levin, packte mich am Kragen und schubste mich mit einer geschickten Bewegung auf den Boden.
"So ein Weichei.", sagte Dominik und gab mir einen Tritt.
Dieser tat zwar nicht weh, doch er war mit purem Hass.
Dann gingen die beiden weg. Mit meinem Handy. Ich schaute ihnen hinterher. In diesem Moment drehte Levin sich nochmal zu mir um und sein Lächeln war komplett verschwunden.

Forgive meWo Geschichten leben. Entdecke jetzt