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Levin

Die Tage zogen an mir vorbei. Mit jedem Tag der verging, gewöhnte ich mich immer mehr daran meine Eltern zu ignorieren. Keiner von den Beiden kam auch nur im Entferntesten darauf über das Thema zu sprechen. Ich sah es nicht als meine Pflicht an dieses Thema erneut anzusprechen. Das habe ich bereits getan und sie haben es nur abgeblockt. Also bestrafte ich sie mit Schweigen. Doch entweder war ihnen auch das scheiß egal oder sie verstanden es nicht. Denn weiterhin versuchten sie ganz normal und vernünftig mit mir zu reden.
Ich stand in der Küche und machte mir gerade einen Shake fertig, welchen ich gerne nach dem Basketballtraining trank. Meine Eltern und Fella waren zum Essen bei unseren Nachbarn eingeladen. Ich war eigentlich auch eingeladen, bin aber einfach nicht hingegangen, weil ich lieber zum Training wollte. Schließlich kannte ich diese Leute kaum und ich kann das Training nicht immer wegen solchen belanglosen Dingen ausfallen lassen.
Meine Eltern hatten mich mit Nachrichten bombardiert, wo ich bleibe. Doch ich hatte sie allesamt ignoriert.
Und Elian war mit Mattheo unterwegs. Ein Lächeln schlich sich auf meine Lippen. Ich freute mich für ihn, dass er endlich richtige Freunde gefunden hatte. Ich merkte wie er immer mehr aus sich rauskam und an Selbstbewusstsein gewann.
Ich trank gerade genüsslich einen Schluck von meinem Shake und genoß die Stille, als die Haustür aufging und meine Mutter reinkam.
"Wieso bist du nicht gekommen? Wir waren zum Grillen eingeladen."
"Du weißt warum."
"Levin..."
"Fang jetzt bloß nicht an mir Vorwürfe zu machen."
"Es ist noch was zu Essen da, wenn du willst. Du kannst mit rüberkommen."
"Ich bin bedient.", antwortete ich nur und hielt meinen Shake hoch.
Meine Mutter seufzte, lief an mir vorbei zum Kühlschrank und holte einen Sekt aus diesem.
Diese Stille zwischen uns war unangenehm, doch ich würde sie nicht unterbrechen. Ich wusste, dass sie für meine Mutter mindestens genauso unangenehm ist.
Während sie weiter in der Küche nach Sachen kramte, durchforstete ich mein Handy und entschloss mich dann auf mein Zimmer zu gehen.
"Elian scheint wirklich nett zu sein.", unterbrach meine Mutter die Stille und hielt mich davon ab, mich in Bewegung zu setzen.
Ich nickte nur und nahm noch einen Schluck.
"Bist du glücklich mit ihm?"
Ich nickte.
"Es war dumm von mir zu glauben, dass das nur eine Phase ist..."
Nun wurde ich hellhörig und schaute vom Handy auf.
"Ich merke wie wichtig Elian dir ist. Weißt du, ich hab all die Jahre geglaubt, dass du auf Frauen stehst. Und plötzlich erzählst du uns, mitten in einem Streit, dass du schwul bist. Das war in dem Moment einfach schwer für mich zu verarbeiten."
Ich hörte auf meinen Shake zu trinken und schaute sie abwartend an.
"Du sollst wissen, dass du immer mein Sohn bleibst. Und dabei ist es egal auf wen oder was du stehst, solange du glücklich bist. Es tut mir leid, dass ich dir das Gefühl gegeben habe, dass ich dich nicht Ernst nehme. Ich nehme dich Ernst. Und nichts wird die Sache ändern, dass du mein Sohn bist."
Ein Lächeln schlich sich auf meine Lippen. "Danke Mom, du bist die Beste."
"Nein, das bin ich nicht. Ich hätte dich von Anfang an Ernst nehmen sollen."
"Du hast dich doch entschuldigt. Ist schon vergessen."
Meine Mutter zog mich in eine Umarmung, welche ich langsam erwiderte.
"Gib deinem Dad noch etwas Zeit. Du weißt ja wie er ist."
"Ja... Weiß ich...", sagte ich zweifelnd.
"Keine Sorge mein Schatz, ich werde ihm zeigen wie toll Elian ist und wie glücklich du mit ihm bist."
Es war wirklich nett von Mom, dass sie sich so für mich einsetzen wollte. Doch ich wusste auch wie wichtig meinem Vater sein Ruf war.

Elian

Ich stand in dem leeren Raum, welches früher mal, dass Wohnzimmer meiner Oma war. Ich konnte mich an jedes Detail erinnern. Wusste genau wo die beiden Sessel standen, wo das Sofa war und auf welchem Regal, welches Foto stand.
Ich schaute nach rechts und es war als wäre der graue Sessel wirklich da.
"Elian.", sagte eine warme, vertraute Stimme.
Ich schaue zur anderen Seite und sah meine Oma auf dem anderen grauen Sessel sitzen.
"Setz dich doch. Du musst nicht stehen."
Ich lief langsam rückwärts und setzte mich auf das Sofa. Träumte ich? Ich musste träumen. Das hier konnte nicht real sein. Aber das war mir egal. Meine Oma war da und mehr wollte ich in diesem Moment nicht.
Mein Blick fiel auf den Glastisch zwischen uns. Dort lagen ihre selbstgebackenen Kekse und zwei Tassen Tee.
"Erzähl mir Mal, wie geht es dir? Wie ist es in der Schule? Sind sie immer noch so gemein?"
"Nein, es ist besser geworden. Ich habe richtige Freunde gefunden."
"Und hast du auch einen festen Freund?"
"Ja, er heißt Levin."
"Klingt nach einem netten Jungen. Wie ist er so?"
"Er ist der Beste.", sagte ich grinsend. "Er holt mich immer aus meinem Tief raus. Ich bin wirklich glücklich mit ihm."
Eine Träne rann still über meine Wange. "Ich wünschte du würdest ihn kennenlernen."
"Ach, Levin. Ich kenne ihn doch schon."
Fragend sah ich meine Oma an. "Ich lasse meinen Enkel doch nicht mit fremden Leuten unterwegs gehen, ohne dass ich sie nicht kenne. Ich sehe wie glücklich ihr seid."
Ich lächelte, doch dies hielt nicht lange an. Denn die Gestalt meiner Oma wirkte plötzlich verschwommen.
"Ich lass dich nie aus den Augen.", sagte sie verschwommen.
"Oma.", schluchzte ich. "Bitte. Verlass mich nicht..."
"Ich habe dich nie verlassen.", flüsterte sie und verschwand.
Ein kalter Windzug holte mich zurück in die Realität.
Ich wischte mir die Tränen aus dem Gesicht und schaute mich um. Es war immer noch der gleiche leere Raum, wie vorhin. Mit dem einzigen Unterschied, dass ich auf dem Boden saß. Genau da, wo sonst der Sessel stand.
Zitternd atmete ich tief durch und sofort brach der Damm wieder und ich fing an zu weinen.
Ich weinte und schaute die ganze Zeit auf die Stelle, an der meine Oma gerade noch gegessen hatte.

Forgive meWo Geschichten leben. Entdecke jetzt