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Levin

Das Probetraining war ein voller Erfolg. Die Leute die in dem Verein spielten, waren echt cool. Außerdem habe ich gemerkt, dass mir Basketball anscheinend wirklich viel Spaß macht.
"Wie war das Training?", fragte unser Sportlehrer mich.
"Es war richtig gut. Ich werde mich definitiv anmelden."
"Freut mich, dass es dir gefällt. Ich wusste, dass du in der Sportart aufgehen wirst. Geh dich umziehen. Bis morgen."
Ich verabschiedete mich von ihm und lief in die Umkleide, wo die Anderen sich bereits umzogen.
Ich checkte mein Handy und schrieb Elian schnell eine Nachricht. Er hatte mir erzählt, dass er diese Woche nicht wieder zur Schule kommen wird, da er noch sehr unter dem Verlust seiner Oma litt, was ich mir gut vorstellen konnte. So wie Elian von ihr erzählt hatte, hatten sie wirklich ein enges Verhältnis. Es war wahrscheinlich nicht das Schlechteste, dass er jetzt erstmal unter seiner Familie ist und sie alle zusammen trauern konnten. Seine Eltern werden ja schließlich auch für ihn da sein.
Als ich aus der Sporthalle trat, fing Emma mich auf. "Erzählst du es mir jetzt?"
Ich seufzte und schaute in ihrer vertrauten Augen. Auf diese Frage gab es nur eine richtige Antwort: "Ja. Aber nicht hier."
Emma nickte verständnisvoll und wir liefen los nach Hause.
Als wir weit genug von der Schule entfernt waren und ich sicherstellen konnte, dass uns niemand hören konnte, der uns kennt, fing ich an ihr alles zu erklären.
"Ich hab mich verknallt."
"Süß.", sagte sie nur als wisse sie genau, dass das nicht mein Problem war.
"Und ich weiß nicht wie die Anderen, geschweige denn meine Eltern darauf reagieren werden."
"Darf ich raten wer es ist?"
Fragend schaute ich sie an. Sie blieb stehen und stellte sich mit verschränkten Armen vor mich hin.
"Ich."
Auf diese Antwort war ich nicht gefasst, weshalb ich sie geschockt ansah, doch bevor ich etwas sagen konnte, lachte sie und redete weiter: "Das war ein Spaß. Aber danke für den Gesichtsausdruck."
Auch mir entlockte sie ein leichtes Lächeln.
"Elian.", sagte sie dann und sofort verschwand mein Lächeln wieder.
Woher wusste sie das?
"Ha! Ich wusste es. Es stimmt doch oder?"
Langsam nickte.
"Och, Levin... Und das macht dich jetzt so fertig? Da ist doch nichts schlimm dran."
Sie umarmte mich fest und ich spürte wie mir ein kleiner Stein vom Herzen fiel.
"Ich denke nicht, dass die Anderen auch so reagieren wie du..."
Sie zuckte unentschlossen mit den Schultern. "Hm... Das weiß ich auch nicht..."
"Aber woher wusstest du das?"
"Ach komm, so wie du Elian anguckst? Und dass du sogar Billy und Dominik verprügelt hättest, für Elian, ist schon ziemlich auffällig. Aber der Groschen fiel bei mir erst, als er telefonierend an uns vorbeilief und du ihm hinterher gegangen bist."
"Doch so auffällig, was?"
"Bisschen. Aber ich will, dass du weißt, dass egal was die Anderen sagen, ich immer für dich da bin. Und wenn die anderen dich nicht akzeptieren, dann scheiß verdammt nochmal auf sie, okay?"
"Okay."
"Und... Wie läuft es so zwischen euch?"
"Keine Ahnung..."

Elian

Langsam ging ich ins Wohnzimmer und blieb im Türrahmen stehen.
"Dad...", sagte ich leise.
"Was?", fragte er genervt. 
"Oma ist tot."
Gott, selbst einen Tag später, kann ich diese Worte kaum aussprechen.
"Aha..."
Hat er überhaupt verstanden, was ich gesagt habe? Wahrscheinlich nicht, weil er betrunken ist.
"Deine Mutter ist gestorben.", sagte ich lauter.
"Das hab ich beim ersten Mal schon verstanden!", schrie er mich an. "Ich war der Alten doch sowieso scheiß egal. Sie hat sich nicht einmal bei uns blicken lassen!"
Seine Art wie er über Oma redete, machte mich wütend.
"Du bist doch auch nie zu ihr gegangen."
"Wieso sollte ich?"
"Weil sie deine Mutter ist, vielleicht? Wenn du ein wenig Anstand hättest, hättest du dich zumindest mal bei ihr erkundigt wie es ihr geht."
"Ach, jetzt laber mich hier nicht voll mit der Alten. Verpiss dich wieder."
Ungläubig schüttelte ich den Kopf.
"Ihre Beerdigung ist Mittwoch, falls dich das interessiert."
"Tut es nicht."
"Hab ich mir gedacht. Die Testamentseröffnung ist dann am Samstag. Vielleicht willst du ja zumindest da hinkommen."
Ich wusste genau, dass er nichts kriegen wird, aber das brauchte ich ihm ja nicht erzählen.
Ich spürte wie mir wieder alles über den Kopf wuchs und schloss mich im Badezimmer ein.

Stefan
Willst du es deinem Dad sagen oder soll ich vorbeikommen?

Elian
Hab ich schon gemacht. Es hat ihn nicht interessiert. Hab nichts anderes erwartet

Stefan
Ich auch nicht. Wenn du willst, dass ich mit ihm rede, dann sag mir Bescheid.

Elian
Ist schon okay. Ich kenne es ja nicht anders.

Ich legte mein Handy weg und schaute in den Spiegel. Ich hab seit Tagen nicht wirklich geschlafen. Jede Nacht wachte ich auf und fing an zu weinen. Ich hatte Angst um sie. Habe jede Nacht gedacht, dass ich gleich einen Anruf vom Krankenhaus bekomme, dass es nun soweit ist.
Und gestern kam der Anruf...
Ich vermisse dich Oma.
Vermisst du mich auch? Siehst du mich? Hoffentlich siehst du mich nicht in diesem Moment. Du wärst enttäuscht von mir. 
Ich schaute in den Waschbecken und sah die Blutstropfen langsam zum Abfluss laufen.
Du würdest dich wahrscheinlich fragen was du falsch gemacht hast. Aber das hast du nicht. Du hast nichts falsch gemacht. 
Du fragst dich vielleicht wie du mir helfen kannst, aber das kannst du nicht. Niemand kann das. Ich war gefangen. Gefangen in meinen eigenen Gedanken und nur der Schmerz konnte mich daraus holen.
Plötzlich spürte ich ein starkes Brennen am Unterarm. Schmerzerfüllt schaute ich auf diesen und sah, dass eine Stelle doller blutete und viel zu tief war.
Da hab ich selbst Schuld dran. Diese Klingen waren viel zu stumpf. Im gleichen Moment klingelte mein Telefon, es war Levin. Ich wollte da eigentlich nicht dran gehen, doch er war gerade der Einzige, der mich davon abhielt eine neue Klinge zu nehmen und weiterzumachen.
"Hi.", meldete ich mich und versuchte dabei so zu klingen, als hätte ich die ganze Zeit geheult.
"Hey. Ich weiß du willst lieber alleine sein. Aber ich hab nachgedacht und dachte vielleicht willst du ein wenig Ablenkung?"
"Weiß nicht...", sagte ich und das war die Wahrheit.
"Okay, das reicht mir als Antwort. Komm doch zu mir. Aber wenn du in einer halben Stunde nicht da bist, dann komm ich zu dir. Ich will für dich da sein und will nicht, dass du alleine in deinem Kummer versinkst. Und auch wenn du am Handy versuchst normal zu klingen, höre ich, dass du weinst."
Woher kannte er meine Gefühle so genau? Woher wusste er, dass ich gerade in diesem Moment im Kummer versank?
"Ich komme gleich.", sagte ich schluchzend.

Forgive meWo Geschichten leben. Entdecke jetzt