Elian
Da Onkel Stefan in Amerika lebt und ich noch nicht volljährig bin, mussten wir Oma anderweitig eine gesetzliche Betreuung suchen.
Ich meine, dass mein Vater Oma nicht betreuen kann, steht ja außer Frage.
Gott sei Dank fanden wir sehr schnell eine Betreuerin.
Ihr Name ist Anna und ich bin alles mit ihr durchgegangen. Sie hat mir gesagt, dass sie mich in alle Entscheidungen einbinden wird. Sie ist dann diejenige die ihre Unterschrift setzt. Sie greift aber auch ein, falls sie merkt, dass meine Entscheidung nicht gut durchdacht ist. Und damit war ich vollkommen einverstanden.
Um ehrlich zu sein, war ich gerade wirklich an einem verdammten Tiefpunkt angekommen. Es war niemand mehr für mich da.
Okay, Onkel Stefan war da, doch der lebte in Amerika und da konnte ich nicht Mal ebenso hin fahren.
Keiner in meiner Umgebung war mehr für mich da. Meine Oma war mein einziger Zufluchtsort. Und nun erkannte sie mich nicht mehr. Sie hielt mich sogar für Dad. Was alles noch viel schlimmer machte.
Meine Gedanken wurden durch das Klingeln meines Handys unterbrochen.
Es war Anna.
"Hallo?"
"Elian?"
"Ja."
"Ich hab gerade einen Anruf vom Krankenhaus erhalten. Deine Oma wurde dort eingeliefert."
Mein Herz raste plötzlich und drohte mir aus der Brust zu springen. Als ich nichts sagte, redete Anna weiter.
"Sie ist von der Treppe gestürzt und hat sich den Oberschenkel gebrochen. Eine Nachbarin hat sie gefunden und sofort den Rettungswagen gerufen. Sie ist gerade im OP."
Scheiße! Fuck, es war fast klar, dass sowas passieren würde. Wir fanden einfach keinen freien Platz in einem Pflegeheim für sie. Ich hatte von Anfang an ein schlechtes Gefühl bei der Sache.
"Okay... Ich werde... Ich ruf im Krankenhaus an und dann geh ich zu ihr und-"
"Elian.", unterbrach Anna mich. "Geh es ruhig an. Ich hab gerade im Krankenhaus angerufen und sie sagten, dass es ihr soweit gut geht."
"Ja... Okay..."
"Ich schick dir die Adresse vom Krankenhaus und die Telefonnummer."
"Danke..."
Trotz, dass Anna bereits im Krankenhaus angerufen hatte, tat ich das gleiche auch nochmal. Ich musste es einfach selbst vom Fachpersonal hören, dass es ihr gut geht.
Die Pflegekraft am Telefon bestätigte mir nochmal, dass meine Oma die OP gut überstanden hat, jedoch noch ein paar Klamotten braucht.(...)
Als ich auf der Station ankam, war meine Oma noch im Aufwachraum. Die Pflegekraft sagte mir, dass ich gerne warten könnte, es jedoch noch ein wenig dauern kann. Ich beschloss einfach morgen wieder zukommen und hinterließ auf der Station noch meine Telefonnummer.
"Beim nächsten Mal rufst du besser ein Taxi.", hörte ich eine Pflegekraft hinter mir sagen.
"Ja, ist wahrscheinlich besser."
Ich drehte mich langsam um und sah Levin. Oh nein, hoffentlich sieht er mich nicht.
Ich verabschiedete mich schnell und ging dann los zum Ausgang.
Trotzdem hatte ich irgendwie das Gefühl, dass mir jemand hinterher schaute.
Als ich draußen war, holte ich mehrmals tief Luft. Der Sauerstoff half mir dabei wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Ich setzte mich auf einen der nahestehenden Bänke und dachte an Oma.
Wie soll es jetzt mit ihr weitergehen? Sie kann nicht wieder nach Hause. Wieso ist sie gefallen? Lag es an der Demenz? Ist sie mittlerweile eine Gefahr für sich selbst? Was ist, wenn sie denkt, dass sie alleine wäre? Wenn sie auch Onkel Stefan und meinen Vater vergisst? Hat sie Angst? Weiß sie, dass sie gerade im Krankenhaus ist?
"Was ist los?", hörte ich eine bekannte Stimme sagen.
Mein Herz schlug sofort schneller, ich schaute hoch und sah Levin neben mir sitzen.
Erst jetzt merkte ich, dass ich heulte. Scheiße, sie peinlich! Sofort wischte ich mir die Tränen weg und schaute bedrückt zu Boden.
"Liegt auf der Station jemand den du kennst?"
Ich antwortete ihm nicht. Das wäre auch dumm, weil dann würde er mich damit nächste Woche auch noch aufziehen.
"Okay, sorry. War dumm zu fragen..."
Was ist mit ihm? Warum saß er neben mir und versuchte mit mir zu reden? Kann er mich nicht einfach in Ruhe lassen? Wenigstens heute...
"Elian...."
Gott, jetzt fing er schon wieder an. Soll ich einfach aufstehen und gehen?
Ja, das ist das beste was ich machen kann.
"Tut mir leid."
Okay, ich denke ich bleib doch noch sitzen.
"Du glaubst mir das jetzt nicht. Aber ich bin der größte Wichser auf Erden und du hast allen Grund mich zu hassen. Mobbing ist scheiße und ich will nur, dass du weißt, dass ich dich in Frieden lassen werde."
Klar. Wieso sollte er das ausgerechnet jetzt tun? Wollte er mein Vertrauen gewinnen um mich dann wieder zu blamieren?
Eine Stille zwischen uns entstand in welcher ich eigentlich schon lange hätte aufstehen und gehen können. Doch ich war so in Gedanken versunken, dass ich gar nicht darüber nachdachte aufzustehen.
"Ich bin besoffen auf die Straße gefallen und hab mir dabei den Fuß verstaucht."
Verwirrt schaute ich zu ihm auf. Er lachte leicht. "Ich dachte das muntert dich vielleicht ein bisschen auf. Ich lag hier zur Beobachtung, weil ich auf den Kopf gefallen bin. Aber ich hab keine Gehirnerschütterung... Wie auch immer ich das geschafft habe."
Ich antwortete ihm nicht. Aber die Vorstellung von seinem Unfall brachte mich wirklich ein wenig zum schmunzeln.
"Achso... Klar, ich kann keine Gehirnerschütterung kriegen. Weil da oben ist ja nichts drin."
Jetzt versucht er auf Krampf lustig zu sein.
"Okay, ich kann nicht auf Krampf lustig sein.", redete er weiter als könnte er meine Gedanken lesen.
"Weißt du... Bei mir läuft es auch gerade richtig scheiße... Ich hab nur soviel getrunken um einmal vor meinen Gedanken zu fliehen... Das war echt bescheuert...."
"Verstehe ich...", sagte ich, als ich endlich meine Stimme wiedergefunden habe.
Zwar verstand ich das mit dem Alkohol nicht, doch ich versuchte mich auch immer anderweitig von meinen Gedanken abzulenken. Unwillkürlich fingen die Narben an meinem Unterarm bei diesem Gedanken an zu jucken.
"An dem einem Abend beim Kiosk...", fing er an. "Ich weiß noch genau, was ich gesagt habe. Auch wenn ich voll war."
Okay, damit hab ich wirklich nicht gerechnet.
Er seufzte und stand auf. "Ich muss los. Musst du auch in diese Richtung?"
Langsam nickte ich.
"Dann können wir ja noch ein Stück zusammen laufen."
Ich kenne Levin gut genug um zu wissen, dass er mich nicht eher in Ruhe lässt, bevor ich nicht das tue, was er sagt. Und außerdem wollte ich auch unbedingt nach Hause und den restlichen Tag im Bett verbringen.

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Forgive me
RomanceIn der Schule fällt Elian immer wieder zum Opfer der Mobbingattacken von Levin und seiner Clique. Auch zuhause kann er sich nicht zurückziehen, denn seine Eltern hassen ihn, weil er schwul ist. Die einzige Möglichkeit seinem Leben für einen kurzen M...