Bauchgefühl (vegebul)

96 7 0
                                    

Bulma lief geschwind durchs Haus, die geballten Fäuste dabei vor und zurück schwingend, der Blick mutig entschlossen. Endlich würde sie auf ihn treffen! Endlich würde sie ihn zur Rede stellen!
Sie war der Haupthalle schon ganz nahe, doch kaum um die nächste Ecke gebogen, erkannte sie bereits, dass sie den Gravitationsraum gar nicht erst hatte aufsuchen müssen. Denn Vegeta war im Haus! Noch. In letzter Sekunde erhaschte sie einen Blick auf ihn, als er gerade wieder durch den Haupteingang auf dem Weg nach draußen war. Die Automatiktüren schoben sich geräuschvoll auf, als er darauf zusteuerte, und blasses Tageslicht fiel in einem langgezogenen Rechteck ins Foyer hinein.
Auf der Stelle zog sich Bulmas Magen zu einem Knoten zusammen. Hatte er sie gesehen? Ach was, das brauchte er doch gar nicht! Diese Typen konnte Energien spüren! Mit Sicherheit wusste er, dass sie da war!
So lief sie ihm einfach nach, wohlahnend, dass er ihre Verfolgung womöglich als schrecklich lästig empfinden würde. Doch das war ihr nun vollkommen gleich. Da tauchte der werte Herr nach Tagen mal wieder auf und dann behandelte er sie einfach wie Luft?
//Nicht mit mir, Freundchen!//, dachte Bulma und als auch sie den Haupteingang erreicht hatte und durch die noch geöffneten Pforten eilte, rief sie lauthals nach ihm:
„Vegeta!!"
Draußen war es diesig, bewölkt und irgendwie drückend. Sollte sich das Wetter etwa mit der aktuellen Stimmung zwischen den beiden abgesprochen haben?
Gewiss hatte er sie gehört, doch machte er keinerlei Anstalten, sich zu ihr umzudrehen oder gar stehenzubleiben. Bulmas Miene verfinsterte sich zunehmend. Sie zog das Tempo an und rief noch einmal seinen Namen, dieses Mal deutlich energischer:
„VEGETA!! Jetzt bleib doch endlich stehen!!"
Und ein paar Meter weiter auf den Gehwegplatten blieb er dann tatsächlich stehen. Doch drehte er sich nicht um, sondern hielt das überaus unzufrieden dreinblickende Gesicht unverwandt nach vorn gerichtet. Sein nackter Oberkörper war von Blessuren und Schrammen gezeichnet, die blaue Trainingshose wies blutige Risse auf. Wie weit hatte er sein Training denn nun schon wieder getrieben? Ach ja, Dr. Briefs erwähnte ja, dass er jetzt bei 450-facher Schwerkraft trainieren würde... Dieser Typ war einfach nicht normal!
Bulma war direkt hinter ihm zum Stehen gekommen, breitbeinig, eine Faust vors Gesicht gehoben, bereit, wie der Teufel draufloszuschimpfen.
„Vegeta, du...!" Doch geriet sie ins Stocken, denn es bläute ihr in jenem Moment, dass sie gar nicht so recht wusste, was sie ihm eigentlich zu sagen hatte. In ihre wütende Miene mischte sich Verunsicherung. „Ich... ähm... also ich--"
„Interessant", tönte Vegeta spöttisch.
Bulmas Gesicht färbte sich augenblicklich rot. Vor Zorn. Vor Scham. Von allen Männern auf dieser Welt brachte wirklich nur ER es fertig, sie derart peinlich herumzustammeln zu lassen. Und nur allzu gern hätte sie ihrem Ärger darüber auch an Ort und Stelle Luft gemacht - so wie sie es eigentlich immer zu tun pflegte - jedoch bemühte sie sich dieses Mal, ihr impulsives Temperament im Zaum zu halten und ihm nicht gleich von hinten an die Gurgel zu springen.
„Was soll das?", knirschte sie stattdessen zwischen den Zähnen hervor. „Warum... Warum bist du einfach verschwunden? Und warum hast du mir nicht Bescheid gesagt, dass du wieder da bist?"
Vegeta zeigte nun ebenfalls Zähne und zog die Brauen tiefer, wodurch sein Ausdruck zunehmend an Feindseligkeit gewann. Noch immer drehte er sich nicht zu Bulma um, linste nun aber aus dem Augenwinkel über seine Schulter.
„Seit wann muss ich mich bei dir an- und abmelden??"
„Das musst du doch gar nicht, aber--"
„Dein Waschlappen-Freund lässt sich vielleicht von dir rumkommandieren, aber nicht ich!!" Angewiderte Empörung schwang in seiner Stimme mit.
Wie sehr Bulma es doch hasste, wenn ihr jemand ständig ins Wort fiel - und dann auch noch in so einem rüpelhaften Ton!
„Wage es ja nicht, mich so anzuschnauzen, du...!", forderte sie in gleicher Lautstärke, wobei sie ironischerweise einen nicht weniger rüpelhaften Ton an den Tag legte. Doch ehe sie wirklich ausfallend wurde, atmete sie lieber noch einmal tief durch, wobei sie kurz die Augen schloss, und war bei ihren folgenden Worten dann wieder um einen freundlicheren Tonfall bemüht.
„Ich... wollte einfach mit dir reden. Über uns."
Und dann streckte sie sogar versöhnlich eine Hand nach ihm aus. Doch kaum streiften ihre Finger auch nur ansatzweise seinen Arm, zog er diesen sofort ruppig weg.
„Da gibt es nichts zu reden!"
Diese Antwort kam so prompt, dass Bulma glatt der Atem stockte. Sie war in ihrer Position verharrt und blinzelte ihn irritiert an. „W-Was...?"
„Es gibt kein uns!", setzte Vegeta sogar noch einen obendrauf und schien dann glatt einfach weiter seines Weges gehen zu wollen. „Und jetzt lass mich in Ruhe! Ich hab keinen Nerv für deinen Weiberkram!"
Nun schwoll Bulma aber ganz gewaltig eine Ader an. Mit Nachdruck ballte sie die Faust vor ihrem Gesicht und dann platzte es aus ihr heraus:
„Ach, verschone mich mit deiner BADMAN-Masche, mein Lieber!! Oder glaubst du ernsthaft, dass du die Milch kosten kannst, ohne eine Anzahlung auf die Kuh zu leisten?!"
„Was?!" Nun drehte Vegeta sich doch zu ihr um, denn diese Aussage hatte ihn eindeutig verwirrt. Verständnislos und zornig glotzte er ihr ins Gesicht.
Und dieser erste Augenkontakt nach ihrer gemeinsamen Nacht war weitaus weniger schön als man es nach solch einem schönen, intimen Erlebnis eigentlich erwarten würde. Zu viel Zeit war ins Land gestrichen. Zu viel Distanz hatte sich aufgebaut. Zu viele Gedanken hatten sich zu Emotionen manifestiert.
„Du weißt ganz genau, wovon ich rede!!", ließ Bulma diesen Emotionen nun freien Lauf. Sie zeigte mit dem Finger auf ihn, anschließend deutete sie mit dem Daumen auf sich selbst. „Ich halte nichts von One-Night-Stands!!"
Sie hatte noch nie zuvor ‚einfach so' mit jemandem geschlafen, denn sie war nie und wollte nie eine Frau für nur eine Nacht sein. Das wollte sie Vegeta nun unmissverständlich klarmachen. Und derart geladen, wie sie war, war es ihr nun auch vollkommen gleich, ob die halbe Capsule Corporation davon Wind bekam oder nicht.
Vegeta allerdings zuckte ein wenig erbost von ihrem Gezeter zurück, jedoch blieb sein Ausdruck so zornig wie eh und je.
„Das ist aber alles, was du kriegst", sagte er dann allen Ernstes zu ihr und seine Stimme war wie Schmirgelpapier in ihren Ohren, schneidend und rau. „Ich habe mir genommen, was ich wollte... und das war's."
„W-W--?!" Bulma konnte ihre Empörung kaum mehr in Worte fassen und ihre Pupillen zogen sich zusammen, während sie Vegeta ins Gesicht starrte.
Wie konnte er nur so etwas sagen? Wie konnte er nur so zu ihr sein, nachdem sie eine solch wundervolle Nacht miteinander verbracht hatten? Wo war der Mann hin, der so liebevoll und zärtlich zu ihr gewesen war? Der sie so wild und leidenschaftlich genommen und so innig im Arm gehalten hatte? Sollte das alles etwa nur hinter dem sinnesvernebelnden Vorhang der Lust stattgefunden haben? Sollte es etwa nur Leidenschaft und Einsamkeit gewesen sein, die sie zusammengeführt hatte?
Nein. Bulma konnte und wollte das einfach nicht glauben. Da war doch mehr zwischen ihnen als das. Viel mehr!
Flüchtige Erinnerungsfetzen blitzten vor ihrem geistigen Auge auf. Sie sah ihn inmitten der Trümmer der explodierten Raumkapsel, sah sein schmerzverzerrtes Gesicht und wie er anschließend mit der Beatmungsmaske im Bett gelegen hatte. Sie erinnerte sich an das Verbinden seiner Wunden und an ihre zähen Gespräche, von denen sie aber insgeheim jedes einzelne sehr genossen hatte. Sie erinnerte sich an die Vollmondnacht, in der er sich ihr das erste Mal so richtig geöffnet hatte. An ihre reizvolle Begegnung im Gravitationsraum. An ihren ersten Kuss. Und an seinen Blick, kurz bevor er sie zurückgeküsst hatte... Da war sie doch! Da war doch eine andere Seite an ihm!
Doch wo war sie jetzt?
Bulmas Augen füllten sich mit Tränen und mit einem Ausdruck purer Fassungslosigkeit, Verletztheit und Enttäuschung, fixierte sie abwechselnd die seinen. Doch blieb Vegetas Miene eiskalt. Er hielt ihrem gefühlvollen Blick stand und hätte dabei kaum noch abweisender auf sie wirken können. Nie waren sie einander so nahe und gleichzeitig so fern gewesen wie in jenem Augenblick.
Und dann fiel Bulma noch etwas auf. Etwas, das er kurz zuvor zu ihr gesagt hatte, das sie aber ihrer Rage wegen glattweg ignoriert hatte.
„Warte. Mein ‚Waschlappen-Freund'?", wiederholte sie seinen Wortlaut überaus stutzig. „Meinst du damit etwa Yamchu?"
Vegeta hatte dem scheinbar nichts weiter hinzuzufügen außer einem abfälligen Laut und kehrte ihr dann einfach wieder den Rücken zu.
„Ich... bin doch gar nicht mehr mit Yamchu zusammen", murmelte sie indes etwas kleinlauter als sie es beabsichtigt hatte. Sie war offensichtlich ziemlich irritiert.
„Tsk. Hast du den Clown etwa meinetwegen in den Wind geschossen?", spottete Vegeta verächtlich, wobei er seine Arme vor der zerschrammten Brust verschränkte. „Das hättest du dir sparen können."
Die Betroffenheit wollte und wollte nicht aus Bulmas Miene weichen. Unweigerlich tauchte Yamchus Gesicht vor ihrem geistigen Auge auf. Unweigerlich die Frage, ob es vielleicht wirklich ein Fehler gewesen war, sich von ihm zu trennen... Zweifel, Reue und Mutlosigkeit geisterten durch ihren Verstand. Doch wurde all dies sogar noch übertrumpft von der Frage:
//Hat er etwa ernsthaft geglaubt, dass ich mit ihm schlafen würde, obwohl ich vergeben bin?//
Ihre Pupillen waren zu winzigen Punkten zusammengezogen, die blauen Augen zittrig und glänzend, den Atem anhaltend, während ein grauenvolles Gefühl in ihr hochkroch, das schließlich in einer schlagartigen Erkenntnis mündete.
Auf einmal wurde Bulma klar, dass es Vegeta schlicht und ergreifend egal war.
Dass SIE ihm egal war.
Er interessierte sich nicht im Mindesten für sie oder ihre Belange geschweige denn überhaupt für irgendwelche zwischenmenschlichen Beziehungen. Er interessierte sich für nichts und niemanden, sondern einzig und allein für sich selbst. Für sich und seinen dämlichen Stolz! Wie konnte Bulma nur ernsthaft glauben, dass es je eine andere Seite an ihm gegeben hatte? Wie konnte sie sich nur ernsthaft in jemanden wie ihn verlieben??
„Ugh--" Mit einem Mal musste sie sich vornüberbeugen, da ein plötzlicher Schmerz durch ihren Unterleib jagte. Mit beiden Armen hielt sie sich den Bauch.
Da Vegeta das sofort registriert hatte, hatte er sich ruckartig zu ihr umgedreht. Für einen kurzen Moment wirkte sein Blick verändert und er schien Anstalten zu machen, auf sie zugehen zu wollen. Die Muskeln in seinen Schultern zuckten schon, ganz so, als ob er die Hände nach ihr ausstrecken wollte.
Doch er tat es nicht. Stattdessen ballte er sie zu Fäusten und gleichzeitig verfinsterte sich sein Blick wieder. Er blieb Bulma fern und hatte, nach diesem sehr offensichtlichen Moment des Zögerns, nichts als einen motzigen Vorwurf für sie parat:
„Siehst du? Das hast du jetzt davon, du dummes Weib!"
Zum Glück hatte ihr Schmerz, so schnell er auch gekommen war, ebenso schnell wieder nachgelassen. Und die Kenntnis darüber, dass es ihr gleich wieder besser ging, gereichte Vegeta dazu, sich nun einfach mit einem kraftvollen Sprung in die Luft auf und davon zu machen - und Bulma doch tatsächlich allein auf dem Gelände stehen zu lassen.
Als sie sich wieder aufgerichtet hatte, war er bereits verschwunden. Lediglich der Energiestrahl am Himmel zeugte noch von seinem kürzlichen Abflug. Doch anstatt ihm zornig, mit erhobener Faust und den wüstesten Beschimpfungen, die ihr in diesem Moment eingefallen wären, hinterherzuwettern, blieb sie einfach nur an Ort und Stelle stehen und starrte vor sich hin. Eine Hand beließ sie dabei noch immer auf ihrem Bauch.
//Was war das denn?//, fragte sie sich.
Hatte ihr der Streit mit Vegeta derart zugesetzt, dass sie davon Bauchschmerzen bekommen hatte? Eigentlich war sie doch hart im Nehmen und konnte streiten wie keine Zweite. Es war also eher untypisch, dass ihr ein gewöhnlicher Disput körperliche Schmerzen bereitete... Andererseits war dieser Disput aber auch alles andere als gewöhnlich gewesen. Schließlich hatte sie zum allerersten Mal in so einer verzwickten Gefühlslage gesteckt.
//Ja.// Bulma nickte und rieb sich zuversichtlich den Bauch. //Ja, daran muss es gelegen haben.//


pic by https://i.ytimg.com/vi/o3Grf9W3ZiQ/maxresdefault.jpg

Lower Instinct - beginning of vegebul (+ gochi, tenlunch)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt