13. Das ist doch kein Zufall mehr

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Am nächsten Morgen machte ich mich mit meinem Zweitschlüssel auf dem Weg zum Schlüsseldienst. Ich würde ihm wirklich meinen Haustürschlüssel geben?

Spätestens jetzt war ich davon überzeugt, dass irgendwas in meinen Kopf nicht richtig lief. War ich vielleicht durchgedreht oder lebensmüde?

Zumindest hatte ich mir fest vorgenommen ihm einige Fragen zu stellen, damit ich nicht so viel darüber nachdenken musste. Meiner Meinung nach war er mir ein paar Antworten schuldig. Ich wollte nicht schlicht weg nach seiner Nase tanzen.

Der Schlüsseldienst meinte ich könnte morgen wiederkommen, ich machte mich jetzt also auf den Weg in die Innenstadt. Ich wollte das ein oder andere neue Buch kaufen, damit ich mich in schwierigeren Phasen wenigstens etwas ablenken konnte.

Im Buchladen angekommen schlenderte ich gemütlich durch die Regale, als ich plötzlich Vincent sah. Dieser überflog gerade eine Seite im Buch und schaute dann plötzlich zu mir.

Gerade als ich mich schnell umdrehen wollte, um wegzugehen, winkte er mir zu und kam zu mir rüber. „Hallo Marlon, wie geht es dir?" fragte er mich und grinste blöd vor sich hin. „Ganz okay und Ihnen?" fragte ich aus reiner Höflichkeit heraus.

„Weißt du Marlon, ich finde es nicht nett von dir, dass du mir nicht mal eine Chance gegeben hast!" protzte er direkt los. Warum war ich nicht einfach gegangen?

„Fragen Sie sich mal warum." seufzte ich und wollte wieder umdrehen, da fing Vincent an weiter Theater zu machen.

„Du verpasst wirklich was! Wie wär's wenn wir morgen zusammen Essen gehen, ja?" rief er weiter. Ich wollte vor Scham im Boden versinken, die ersten Menschen drehten sich schon zu uns um. Ich wollte doch nur Bücher kaufen...

Ich drehte mich um und rannte förmlich weg. Könnte ich noch in einen anderen Buchladen oder würde er mir folgen?

Ich brauchte dringend ein Buch, weshalb ich den Versuch wagte. Immer wieder drehte ich mich um und hielt Ausschau, aber zu meinen Glück sah ich ihn nicht mehr.

Ich marschierte also in den nächsten Laden und versuchte mich zu beruhigen. Ich atmete tief ein und konzentrierte mich auf die Bücher. 

Ich sollte schon irgendwas interessantes finden. Wenig später ging ich zufrieden mit meinen Büchern zu Kasse und machte mich anschließend wieder auf den Weg Nachhause.

Noch ein wenig Ruhe hatte ich, bevor ich zur Arbeit musste. Ich hoffte das zumindest die Arbeit mich ablenken würde. Immerhin war ich da auch nicht alleine.

Während ich auf meiner Couch lag, dachte ich nochmal an das Treffen mit Vincent zurück. So wie ich das gesehen hatte, hatte er mich vorher bereits schon gesehen gehabt.

Irgendwie war mir das was gruselig und bereitete mir Sorgen. Vielleicht hatte er jetzt verstanden, dass ich nichts von ihm wollte. Es sollte spätestens jetzt doch ziemlich deutlich geworden sein.

Auf der Arbeit fuhr ich immerhin heute wieder mit Daniel Streife. Auf ihn konnte ich zählen und er konnte mich besonders gut ablenken. Von meinen Problemen hatte ich ihm allerdings nie erzählt. Aber warum sollte ich auch?

Daniel erzählte mir, wie die Theateraufführung seiner Tochter war und wie stolz er auf sie war. Irgendwann erhielten wir eine Durchsage für eine vermutliche Körperverletzung und machten uns auf den Weg.

Als wir uns der genannten Adresse näherten sahen wir eine Person, welche auf dem Boden saß und sich suchend umschaute, bis sie uns sah.

Als ich sein Gesicht sehen konnte, hörte ich kurz auf zu atmen. Ich spürte wie sich ein Klos in meinem Hals breit machte und mein Körper wärmte sich immer weiter auf.

Ich wollte meinen Augen nicht trauen, aber am Straßenrand saß Vincent. Am liebsten wäre ich samt Auto wieder umgedreht, soll er doch auf der blöden Straße verrecken.

„Daniel, das könnte jetzt gleich sehr unangenehm werden. Ich erklär dir alles später." versuchte ich noch flüchtig zu erklären, bevor wir ausstiegen. Daniel nickte mir verwirrt zu.

Der Weg zu Vincent verging viel zu schnell, schon nach wenigen Sekunden standen wir vor ihm, trotzdem schossen mir in dieser Zeit hunderte von Gedanken durch den Kopf.

Hatte er wirklich was? Warum ausgerechnet er? Meinte es das Schicksal schlecht mit mir? Hatte er das extra gemacht? Konnte man sowas extra machen?

„Guten Tag, ist alles in Ordnung bei Ihnen? Haben Sie uns gerufen?" fing Daniel das Gespräch an und allein für diese kleine Geste war ich ihm sehr dankbar.

„Oh, hallo Marlon!" rief Vincent freudig aus und schien Daniel komplett zu ignorieren, was ich ziemlich unverschämt fand.

„Können Sie uns sagen was passiert ist?" fragte ich ihn und versuchte so professionell und distanziert wie möglich zu bleiben. Wann würde er endlich kapieren, dass ich nichts von ihm wollte?

„Ich- ich wurde niedergeschlagen!" rief er entsetzt aus und versuchte mich bemitleidenswert anzuschauen.

Dieser Blick ließ einen gewaltigen Ekel in mir aufkommen, wie ich ihn nur selten kannte. Er machte mich wütend und gab mir das Bedürfnis ihm in seine blöde Fresse zu schlagen, aber das schien ja bereits jemand anderes getan zu haben.

„Brauchen Sie einen Rettungsdienst?" mischte Daniel sich wieder ein und riss mich somit aus meinen Gedanken. Vincent schüttelte den Kopf.

„Dann gehen Sie aber ins nächste Krankenhaus und lassen sich die dadurch entstandenen Verletzungen attestieren." erklärte Daniel weiter. „Kannten Sie die Person, die Sie niedergeschlagen hat?" Vincent überlegte und verneinte auch diese Frage.

„Können Sie vielleicht beschreiben wie diese Person aussah?" „Männlich, blond, groß, breit gebaut und schwarz angezogen." listete Vincent auf und direkt schoss mir ein Bild von Ezra in den Kopf.

Für einen Moment schien ich das geschehende auszublenden. Hatte er etwas damit zutun? Ich hatte ihn doch gesagt er solle sich daraus halten. Aber Ezra würde doch nicht rausgehen nur, um jemanden einen über zu hauen, oder?

„Sag mal Marlon, wie steht's mit morgen?" fragte Vincent mich und riss mich somit aus meinen Gedanken. Die Personalien hatten wir bereits aufgeschrieben, soweit waren wir hier fertig, weshalb ich mich entschied das Gespräch zu beenden.

„Halten Sie sich bereit, dass wir Sie für eine Aussage auf die Wache bestellen. Damit sind wir erstmal fertig und würden Sie wieder auf sich allein stellen." preschte ich irgendetwas hervor und ging zurück zum Auto.

Daniel schien sich noch kurz mit Vincent zu unterhalten, bevor er mir folgte und sich wieder neben mich setzte.

Ein Stein fiel mir vom Herzen, immerhin war alles einigermaßen gut gegangen. Nur mit Ezra schien ich jetzt noch ein weiteres Hühnchen zu rupfen haben.

Ein Leben ohne Gesetze (BoyxBoy)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt