Am nächsten Morgen wurde ich also von Ezra geweckt, schließlich sollte ich ja heute ‚mitkommen'. Ezra selber war schon längst auf den Beinen, während ich mich doch noch recht verwirrt streckte.„Was zieh ich denn überhaupt an?" murmelte ich und schaute Ezra erwartungsvoll an. „In was auch immer du dich wohlfühlst." Na toll, das war wenig hilfreich, aber wenn ich mich recht erinnerte, dann war Ezra gestern sogar in Jogginghose zur Arbeit gegangen. Im normalen Alltag unvorstellbar.
Ich entschied mich also für eine Jeans und einen Pullover, ehe ich ins Bad ging. Nur noch zehn Tage, dann würde ich diese blöden Pflaster endlich los werden. Wie ich mich auf diesen Tag freute.
Ich würde zwar nicht das erste Mal bei Ezra auf der Arbeit sein, dennoch war ich aufgeregt und in seinem Büro war ich schließlich auch noch nicht. Wie das wohl aussehen würde?
So langsam aber sicher entwickelte sich eine Vorfreude in mir. Ich war gerne bei Ezra und ihm bei der Arbeit zuzugucken, das war bestimmt spannend. Außerdem hatte Ezra etwas, wenn er so ernst war und sich konzentrierte. Um ehrlich zu sein, freute ich mich darauf sogar am meisten. Das durfte er natürlich nicht wissen, weshalb ich mich im stillen freute.
Nach einem schnellen Frühstück stieg ich wieder bei Ezra ins Auto ein. Wenn ich mich nicht täuschte war es ein BMW 8er Coupé. Damit konnte man sich auf jeden Fall sehen lassen. Ich würde ihn mir in diesem Leben auf jeden Fall nicht mehr leisten können.
„Hast du nicht Angst einen Unfall mit dem Ding zu bauen?" fragte ich ihn. „Wieso? Dann kaufe ich mir halt einen neuen. Obwohl ich das Ding schon echt gerne hab." überlegte Ezra. „Mal eben einen Neuen? Das Auto ist Arschteuer. Ich hab nicht mal ein Auto!" rief ich empört aus. Warum ich mich dabei jetzt noch selbstblamierte wusste ich auch nicht.
Hallo Welt, ich bin arm. Warum schrieb ich mir das nicht gleich auf den Kopf? „Brauchst du eins?" fragte Ezra mich belustigt. „Nein!" sagte ich direkt. „Du kannst dir sonst meins leihen, wenn du es doch mal brauchst." bot Ezra mir an.
„Niemals, mit so einem Ding fahr ich nicht. Damit würde ich direkt einen Unfall bauen." wahrscheinlich war das Angebot sogar ernst gemeint, aber bei meinem Glück würde ich mich für den Rest meines Lebens verschulden.
„Aber du fährst doch mit." „Ja, mit aber nicht selber." stellte ich klar. „Und wenn ich jetzt einfach das Lenkrad loslasse?" fragte Ezra mich mit einem breiten grinsen und genau in dem Moment tat er auch genau das.
„Ahhh, Ezra bist du verrückt! Was machst du da?!" rief ich panisch und griff nach dem Lenkrad. „Na guck mal, du fährst den doch ziemlich gut." stellte Ezra zufrieden fest. „Nimm jetzt das Lenkrad wieder, sonst sind wir gleich beide tot." „Das wäre aber nicht so schön, dann musst du dich besser konzentrieren." überlegte Ezra.
Ständig kamen uns Autos entgegen und ich hatte nicht einmal die Kontrolle über das Gas und die Bremse. „Dafür das du kein Auto hast, fährst du doch gut. Ich weiß wirklich nicht was dein Problem ist." stellte Ezra fest und nahm nach einigen Kurven endlich wieder das Lenkrad selbst in die Hand.
„Ich hab auch nicht gesagt, dass ich ein schlechter Fahrer bin sondern, dass ich so ein teures Auto nicht fahren möchte. Außerdem fährst du viel zu schnell." stellte ich Ezra's Aussage richtig, ehe ich mich erleichtert in den Sitz fallen ließ. Dieser Mann schien wirklich Angst vor rein garnichts zu haben.
Nach einer guten halben Stunde waren wir endlich da. Das Ezra ein guter Autofahrer war musste man ihm lassen, aber er schien ja auch viel unterwegs zu sein.
„Komm mit." sagte Ezra, er nahm seine Tasche aus dem Auto und ging vor. Als ich das Haus sah, kamen die Erinnerungen vom letzten Mal wieder hoch. Der Streit mit Ezra bereitete mir immer noch Schmerzen in der Seele und ich schämte mich zu tiefst für das Vorgefallene.
Wir kamen in den Eingangsbereich und in meinem Kopf schwirrten nur noch die Gedanken vom letzten Mal, die Erinnerungen nahmen mir die Luft zum Atmen.
Ich schloss dichter zu Ezra auf und versuchte in seiner Nähe zu bleiben. Was war, wenn ich wieder die Kontrolle verlieren würde? Soweit dürfte ich es erst garnicht kommen lassen. Ich würde aus meinen Fehlern lernen.
Mit einem Aufzug fuhren wir in die zweite Etage. Wir liefen einen Gang runter, bis Ezra seine Schlüssel rausholte und eine schwere Eichentür aufschloss.
Hinter der Tür erwartete mich ein großer Raum, es erinnerte mich ein bisschen an das Zimmer des Präsidenten, aber irgendwie auch überhaupt nicht. Verwirrend. Ein großer dunkler Tisch, Schränke voll mit Akten oder Büchern und ein Kühlschrank?
„Warum hast du hier einen Kühlschrank?" fragte ich, wie aus der Pistole geschossen. „Falls ich länger arbeiten muss, dann hab ich zumindest etwas zu trinken." erklärte er mir. Was ‚länger' wohl für ihn bedeutete?
Auf der linken Seite gab es ein Fenster, wodurch man auf einen Wald gucken konnte. Bei näherer Betrachtung, stellte ich fest, dass die Glasscheibe ungewöhnlich dick war.
„Ist das Panzerglas?" fragte ich überrascht und Ezra nickte. Hammer. Ezra setzte sich an seinen Schreibtisch und seufzte. Er breitete zwei Unterlagen vor sich aus und als alles bereit lag, wendete er sich wieder zu mir.
„Magst du es dir vielleicht was bequem machen, du bist bestimmt noch müde." bot Ezra mir an und deutete hinter mir auf eine große Couch. Sogar Kissen und Decken gab es. Es schien so, als hätte Ezra hier schon das ein oder andere Mal übernachten müssen.
Aber es hat ja auch niemand gesagt, dass seine Arbeit eine leichte war. „An was arbeitest du?" fragte ich neugierig, als ich mich hingesetzt hatte. „So genau, darf ich dir das nicht sagen mein Lieber. Sagen wir, ich muss Leute raussuchen, die für eine bestimmte Aufgabe am besten geeignet sind und ich muss mir den Ablauf noch näher angucken. Es darf ja nichts schiefgehen." erklärte Ezra mir sporadisch.
Er schien direkt bei der Sache zu sein und ich konnte wieder diesen konzentrierten Blick sehen, auf welchen ich mich so gefreut hatte. Egal was es war, Ezra fand immer einen Weg mich schwach zu machen. Irgendwo wusste er das bestimmt auch.
Ich ließ Ezra also erstmal seine Ruhe, wie lang wir wohl hier sein würden? Ich nahm mein Handy in die Hand und formulierte eine Nachricht an Daniel. Ich freute mich ihn bald Wiedersehen zu können.
Danach entschied ich mich dazu, mich hinzulegen. Ich war wirklich noch Müde und bis Daniel einem mal antworten würde, würden auch noch einige Stunden vergehen müssen. Aber so war das mit den älteren Generationen und Handys.
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Ein Leben ohne Gesetze (BoyxBoy)
Short StoryMarlon ist Polizist und gerät eines Tages zufällig in eine Geiselübergabe. Dort trifft er auf einen gesuchten Schwerverbrecher, welcher ein gewisses Interesse an ihm pflegt. Gleichzeitig ist er einer der wenigen Menschen, die ihn selber nicht nur al...