35. Augen zu und durch

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„Was denkst du, wird noch passieren?" fragte ich ihn und Ezra überlegte eine Weile. „Ich bin mir nicht sicher, du wirst aber definitiv noch einmal mit ihr alleine sprechen müssen. Alleine wegen Vincent." er schnaubte, als er seinen Namen aussprach.

Ich schluckte nervös. Es gab keinen Grund, weshalb die Frau mich leiden könnte. Ich hoffte sie würde so ruhig bleiben, wie vorhin. Aber auch dazu hatte sie keinen Grund. Jetzt wo Ezra auch noch Schutz für mich verlangt hat, ist sie bestimmt noch genervter, es würde schließlich mehr Arbeit bedeuten. Was bedeutete das überhaupt?

Wir gingen zurück in ihr Büro und setzten uns wieder auf die Stühle. „Bitte geh auf keine Provokation von ihr ein, ja? Mach das, was du für richtig hältst und vor allem lüg sie nicht an. Dann ist nämlich direkt alles vorbei. Falls sie etwas von dir verlangen wird, dann pass auf keine übereilten Entscheidungen zu treffen." bat er mich.

Man sah Ezra an, dass er gestresst war. Aber das nur wegen mir? „Wovor hast du genau Angst?" fragte ich ihn. Es war kein Vorwurf und sollte auch nicht herablassend klingen, nur dass Ezra so gestresst war sah man auch nicht alle Tage. Ezra schwieg wieder für eine Weile, statt etwas zu sagen nahm er allerdings meine Hand und hielt sie fest umschlossen.

Auch nach einigen Minuten schien Ezra mir nicht antworten zu wollen, weshalb ich das Thema wechselte. Seine Geste war zumindest ein Ansatz zu seinen Gedanken gewesen und das war okay so. „Was machen sie jetzt mit Vincent?" fragte ich ihn also.

„Erstmal werden sie ihn verhören, tja und dann wird man eine Lösung suchen, wie man ihn ruhig stellen kann. Manchen reicht eine gewisse Summe an Geld, anderen musst du mit ihrer Familie drohen oder ihrem eigenen Leben. So wie es aussieht ist, das Vincent besonders viel wert. Im Endeffekt bleiben sie aber für Ewigkeiten in Beobachtung. Im schlimmsten Fall behalten wir solche Leute bei uns." erklärte er mir und würde er nicht so leidenschaftlich darüber sprechen Menschen zu drohen und zu entführen, dann wäre es wirklich attraktiv gewesen.

„Aber sowas passiert nicht so häufig, wie es sich vielleicht jetzt anhört. Auch das mit Vincent ist eher ein Einzelfall, sonst könnten wir ja auch nichts gutes von uns behaupten. Trotzdem muss man eben für solche Fälle vorbereitet sein." erzählte er weiter und ich nickte.

Man merkte einen deutlichen Unterschied in Ezras Art und seinem Auftreten, seit wir hier waren. Es war nicht zu übersehen, dass das alles hier für ihn vertraut war. Es war schließlich auch sein Fachgebiet und wären wir nicht in so einer unpassenden Lage, dann würde er sich wahrscheinlich auch deutlich wohler fühlen.

Nach einiger Zeit kam die Frau wieder zurück in ihr Büro und forderte mich auf mit ihr zu kommen. Unsicher guckte ich erst zu Ezra, ehe ich ihr folgte. Ezra hatte mir aufmunternd zugenickt, meine Angst nahm es mir trotzdem nicht. Ich wollte wirklich nichts falsches sagen...

Wir gingen in ein anderes Büro, wahrscheinlich wollte sie nur weg von Ezra, damit wir in Ruhe miteinander reden konnten. Ich setzte mich auf meinen zugewiesenen Stuhl und atmete einmal tief ein und aus. Ich erinnerte mich daran, dass wir im Endeffekt beide zwei erwachsene Menschen waren und erhoffte mir so ein zielführendes Gespräch und tatsächlich beruhigte mich der Gedanke ein wenig.

„Du kannst mich Evelin nennen, meinen richtigen Namen werde ich dir nicht verraten. Ich möchte aber gerne gleich zu Sache kommen. Ezra hat mir von Vincent leider garnichts mitgeteilt, ich hab aber schon gesehen, dass er beim Geheimdienst gearbeitet hat. Ihr kennt euch vermutlich daher?" fragte sie mich direkt.

„Ja genau, er war einmal für Claudia Becker eingesprungen und war irgendwie direkt total aufdringlich und hat mich seit dem ständig gefragt, ob ich nicht mit ihm ausgehen wollen würde. Es tut mir leid, dass ich Ihnen damit so viele Umstände bereite." entschuldigte ich mich lieber mal schnell, schließlich hätte ich mich auch selber drum kümmern können.

„Also so jemanden würde ich nicht bei mir einstellen, aber der Geheimdienst und ich teilen ja sowieso unterschiedliche Interessen. Es tut mir leid, dass du ihn wegen uns treffen musstest. Wir werden uns um ihn kümmern, Ezra erzählte bereits, dass wir uns von Gewalt weitestgehend fernhaften sollen. ‚Dir zu liebe.'" das letzte hatte einen ziemlich belustigten Unterton.

„Ich will dich trotzdem wissen lassen, dass wir im Notfall keine andere Möglichkeit haben. Unsere Sicherheit geht da einfach vor. Was weißt du noch über Vincent?" fragte Evelin mich, dass das Gespräch bis jetzt so gut lief, war wirklich überraschend. Vielleicht hatte ich aber auch einfach zu viele Vorurteile.

„Ich weiß leider wirklich nicht viel, ich hab ihn einmal während der Arbeit getroffen, angeblich wurde er von seinem Ex verprügelt. Wie viel da dran ist, weiß ich nicht. Er hat mich direkt bei unserem ersten Treffen belogen, meinte Claudia sei krank oder hatte einen Unfall und wir würden uns jetzt öfter sehen. Sie hatte nur einen Termin und war am nächsten Tag wieder da. Er hat mich ständig beobachtet und kreuzte immer wieder auf, um mich auf ein Date einzuladen und drohte mir, wenn ich es nicht tun würde. Aber Ezra weiß wahrscheinlich mehr, er hatte sich denk ich mal über ihn schlau gemacht." berichtete ich alles, was ich wusste.

Ich war wirklich überrascht, dass Evelin Verantwortung für Vincent übernehmen wollen würde. Trotzdem sagte mir irgendwas, dass ich nicht so leicht wieder aus der Sache rauskommen würde.

„Wir müssen auch einmal über Ezra reden. Glaub mir, ich habe da auch keine Lust zu, es könnte ein wenig unangenehm werden. Aber ich muss das einfach wissen, es kommt auch euch zu gute." ich nickte und Evelin seufzte.

Was Ezra ihr wohl alles verheimlicht hatte? Ich hoffe es würde nicht zu intim werden. Aber sowas brauchte sie doch nicht wissen, oder? Ab was war etwas für sie unangenehm oder war sie so wie Ezra dem die anderen Meinungen nichts ausmachten?

„Erstmal möchte ich wissen, warum eure Treffen ständig länger als vereinbart waren?" das war die erste Frage und tatsächlich wusste ich hierauf keine Antwort, weder noch wusste ich etwas von einer vereinbarten Zeit.

„Ich weiß nichts über eine vereinbarte Zeit. Nur einmal ist Ezra früher gegangen, weil er noch wohin musste." erinnerte ich mich und Evelin guckte mich ein wenig ungläubig an. „Die Treffen waren auf eine Stunde beschränkt, dass war mit dem Geheimdienst so vereinbart. Nicht 2 oder 4 Stunden..." sie seufzte und rieb sich die Schläfen. Im Vergleich zu dieser Organisation wirkte der Geheimdienst wie ein Kleinkind. Ständig gab es irgendwelche Fehler und die Kommunikation schien auch nicht zu laufen.

Ein Leben ohne Gesetze (BoyxBoy)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt