Echo
Wasser erdrückte mich von allen Seiten, engte mich ein und machte mich bewegungsunfähig. Es nahm mir die Chance zu schwimmen und an die rettende Oberfläche zu gelangen, wodurch mir keine andere Wahl blieb, als wie ein Stein zu sinken. Langsam und sicher ging mir die Luft aus, doch Sauerstoff war für mich unerreichbar. Ein Schwall aus Blasen drang aus meinem geöffneten Mund. Das Wasser besaß eine dunkle, beinah schwarze Farbe – überall, außer direkt über mir.
So konnte ich die dunkle Silhouette erkennen, die sich am sicheren Ufer vorbeugte und ruhig dabei zusah, wie ich weiter in der Tiefe versank. Die Gestalt tat nichts außer zu zuschauen. Plötzlich zuckte ein Blitz oberhalb der Wasseroberfläche. Schnell und kurz, dennoch konnte ich für einen Augenblick etwas sehen: Das Gesicht.
Ich blickte für einen kurzen Moment ins Gesicht der fremden Gestalt. Dadurch erkannte ich, dass ich nicht von einem Menschen beobachtet wurde.
{...}
Mit einem panischen Aufatmen wachte ich auf. Meine Stirn und meine Hände waren feucht von Schweiß und mein Herz raste wie nach einem Sprint. Keuchend versuchte ich meinen Atem zu beruhigen. Instinktiv fasste ich an die linke Seite meiner Brust, wo ich mein pochendes Herz fühlen konnte. Früher tat ich dies immer um sowohl mich zu beruhigen, als auch den freundlichen Parasiten, der früher mit meiner Seele vereint gewesen war. Nun war da aber nur noch mein Herz.
Mit einem besonders tiefen Seufzen wischte ich mir mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn und legte den Kopf in den Nacken. Ich blickte so an die steinerne Decke der Höhle, die genauso wie die Wände an manchen Stellen mit Moos bewachsen war. Vor zwei Tagen hatte meine Gruppe die Grauwüste erreicht, ein besonders felsiges Gebiet von Prodias. Zwischen den hohen Felsen konnten wir uns gut verstecken und Nischen, sowie Höhlen boten uns windgeschützte Unterschlüpfe für die Nacht. Ein schmaler Fluss war seit unserer Ankunft unser ständiger Begleiter und half uns als standfester Punkt nicht den falschen Weg zwischen den steinernen Wänden zu nehmen. In der Nacht halfen und beschützten uns die Zikaden, die stundenlang ihren Gesang ertönen ließen und bei Gefahr verstummten. Doch bis jetzt, war es zu keiner Gefahr gekommen.
Dafür verfolgten mich Albträume und Erinnerungen. Ich war naiv genug, um zu glauben es würde aufhören wenn ich mich weiter vom Ursprungsort entfernte. Doch bei jedem kleinsten Hintergedanken, sah ich die Gesichter vor meinen Augen, ich hörte die Stimmen in meinen Ohren und dann erinnerte ich mich an ihr Schicksal. Danach folgten Schuldgefühle und Trauer über den Verlust. Jede Nacht, seit wir vor einer Woche Shar Tylan verlasst hatten, flüsterte ich vor dem Einschlafen den Namen meiner verlorenen Freunde: Dario, Luna und Tobi. Drei unschuldige Leben, die genommen wurden weil sie meine Freunde gewesen waren. Selbst nach all den Geschehnissen der letzten zwei Monaten verschwand diese Last nicht und suchte mich weiterhin heim wie ein Geist.
Eine plötzliche Hand auf meiner Schulter ließ mich aufschrecken. Ich beruhigte mich aber schnell, als ich in ein vertrautes Augenpaar blickte – das eine Auge grün und das andere hellbraun und grün.
,,Hey, alles in Ordnung?", fragte Mikhael besorgt.
Ich nickte und versuchte weiterhin meinen Atem zu beruhigen. Ich wollte mich aber nicht nur beruhigen, ich wollte mit meinem Keuchen auch nicht die anderen aufwecken. Fynch und Caitlain schliefen nah bei mir, genauso wie Ven-Gahn und die Sha'Kmals. Keiner von ihnen sollte seinen kostbaren Schlaf unterbrechen, nur weil ich einen Albtraum hatte. Oder eine andere Art von Traum.
,,Ich hatte eine Vision", flüsterte ich. ,,Zumindest glaube ich das. Aber es hat sich einfach so real angefühlt. Ich hatte wirklich geglaubt ich würde ertrinken."
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Daegor - Klinge und Kristall
FantasyBAND 2 DER DAEGOR-REIHE Einst war Echo in den Augen ihrer Gesellschaft ein Niemand, nun ist sie die meistgesuchte Person des Landes. In der Hoffnung Schutz zu finden, führt der Weg sie und ihre Scalra-Beschützer in die Heimat der Sternenkinder. Doc...