Kapitel 4 - Die süd-ländische Nacht

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Fynch

Bisher hatte ich nur einmal die Flora und Fauna von Ashlyver mit eigenen Augen gesehen und ihre Schönheit hatte sich ins keiner Weise verändert. Ein weites, steppenähnliches Land mit einem schimmernden Netz aus Flüssen und einem riesigen Dschungel im Süden des Landes. Bevor es zum Friedensvertrag mit den Sternenkindern gekommen war, hatte Ashylver den Rest von Eridia regelmäßig mit Holz und besonderen Früchten beliefert, nun wurde jedes halbe Jahr ein Arbeitertrupp in den Dschungel geschickt, wo er unter Beobachtung Früchte pflückte und Bäume fällte.

Das letzte Mal hatte ich solch einen ähnlichen Ausblick mit acht oder neun Jahren bewundert, als die Scalras einen neuen Trupp imperialer Soldaten nach Ashylver begleitet hatten. Schon damals hatte ich nicht glauben können, dass dieses Land ein ehemaliges Kriegsgebiet war und nun überschattete die Schönheit die Wahrheit von neuem.

,,Dort liegt unser Ziel."

Mit einer Hand wies ich auf die Umrisse des Meers aus Bäumen, die stolz und stark ihre Kronen dem Himmel entgegenstreckten. Dadurch bildeten sie ein dichtes Blätterdach, womit sie den Boden ihrer Heimat bedeckten.

,,Wenn wir unser Tempo halten sind wir in ungefähr drei Tagen an der Kluft. Ab da wird der Rest ein Kinderspiel."

Hinter mir vernahm ich das ungläubige Schnauben von Caitlain. Fragend blickte ich über die Schulter. ,,Du hast Zweifel?"

Als hätte sie auf diese Frage gewartet, ließ Caitlain Dämmer nach vorne treten. Nun da durch Ven-Gahns Verletzung ein Sha'Kmal fehlte, hatten Caitlain und Mikhael sich dazu bereit erklärt zusammen auf Dämmer zu reiten. Dem orangefarben-gelben Drachen schien es auch nichts auszumachen.

,,Du meinst wohl, wenn es zu keinen weiteren Zwischenfällen kommt." Abwartend blinzelte Caitlain mich an.

,,Es wird nichts mehr passieren."

Skeptisch hob Caitlain eine Augenbraue. Miss Unglaube sah es mal wieder anders, wie überraschend! Woher kam nur ihre plötzliche Lust, all meine Entscheidungen und Worte in Frage zu stellen? Selbst im Imperium hatte sie so etwas nicht getan, geschweige denn es gewagt. Doch ich glaubte den Grund dahinter zu kennen, umso überraschter war ich, dass Mikhael ihr scheinbar nichts über meine Träume erzählt hatte. Ob es zwischen dem sonst engen Geschwisterpaar noch mehr Geheimnisse gab?

Ich verdrängte diesen Gedanken und schaute wieder auf Ashlyver. Eigentlich hatte Caitlain für ihre Zweifel einen guten Grund. ,,Unsere Probleme könnten nicht nur das Imperium und Kopfgeldjäger sein. Auch die süd-ländische Natur ist nicht besonders freundlich zu Fremden."

,,Von was sprichst du genau?", fragte Mikhael und hob seinen Blick gleich gen Himmel. ,,Wolvers? Riesige Blütenspinnen? Oder gar Wyvern?"

,,Wyvern trauen sich nicht in feindlichen Luftraum. Genauso wie für die Sternenkinder, gilt auch für sie die Baumsavanne und dessen Himmel als Heimat."

Auf meiner anderen Seite blieb Echo auf Efeu stehen. Seit dem Schrecken von vor zwei Nächten ging es ihr sichtlich wieder gut. In ihren Augen spiegelte sich manchmal noch Trauer und so etwas wie Angst vor sich selbst, aber Echo besaß einen starken Geist – das spiegelte sich in der restlichen Zeit in ihren Augen wieder.

An ihrem Rücken kletterte gerade Ven-Gahn mit zitternden Pfoten hoch, um sich auf ihre Schulter zu setzen. Nun da er sich schonen musste, hatte der Daegor die Gestalt eines kleineren Tieres angenommen, genau genommen ein Eichhörnchen. Wenigstens fiel er in dieser Tarnung nicht sofort wegen seiner rötlichen Färbung auf.

,,Wyvern  sind die Kinder der alten süd-ländischen Geister", fuhr Echo fort. ,,Sie wissen wo ihre Heimat ist und vor welchen Seelen sie sich hüten müssen."

Daegor - Klinge und Kristall Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt