Der Fremde in der Bar

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(Justice)

Es ist bereits 01:44 und meine Schicht wird gleich zu Ende sein. Ich bin gerade dabei die Theke und Tische zu putzen. Es waren noch ein paar Stammkunden hier, jedoch stört es die nicht, dass wir unsere Bar schon aufräumen und putzen. Meine Arbeitskollegin und beste Freundin Destiny, bedient eine Gruppe alter Männer und lächelt mir zu. Unser Chef Elijah ist ein charmanter Mann Mitte 30. Er hat mehrere Bars und vertraut uns eine der vielen an. Destiny und ich arbeiten zu 100% in der Bar als Bedienungen und ich kümmere mich nebenbei noch um die Buchhaltung. Noah unser Teilzeitarbeiter arbeitet hauptsächlich hinter der Theke und bedient unsere weiblichen Gäste.

01:56, ich sitze im Büro und bin gerade mit der Buchhaltung beschäftigt, als Destiny zu mir kommt und ihre Kleidung wechselt. „Warum guckst du denn den Bildschirm so skeptisch an?", fragt sie mich. Sie holt mich aus meinen Gedanken und ich antworte ihr: „Huch, naja...irgendwie gibt es Probleme mit den Abrechnungen".

Sie beugt sich über meine Schultern und überfliegt die Zahlen. „Ich sehe da nicht wirklich ein Problem, ich kenne mich damit aber auch nicht aus. Vielleicht hat jemand von uns vergessen eine Bestellung zu notieren".  Genervt stehe ich auf und gehe in die Bar zurück, um dort die Kassenzettel durchzugehen.
Mittlerweile ist es schon 02:11 und meine Schicht ist eigentlich schon seit 11Minuten zu Ende. Jedoch komme ich nie pünktlich raus, weil mich die Buchhaltung jedes Mal aufhält.

Fast alle Gäste sind gegangen, nur einer sitzt noch an Tisch acht. Tisch acht liegt so, dass man nie richtig erkennt, wer da sitzt, also super anonym, wenn man mit jemandem ein ernstes Gespräch führen will. Seufzend setze ich mich auf einen Barhocker und überfliege die Rechnungen. „Bekomme ich noch ein Wein, Darling?".  Ich fühle mich nicht angesprochen und suche nach weiteren Rechnungen hinter der Theke. Auf einmal höre ich die Stimme direkt in meinem Ohr. „Ich möchte nochmal ein Glas Wein, Darling!". Zuckend lasse ich die Abrechnungen fallen und drehe mich zu der Stimme um. „Sag mal, geht's noch?", fauche ich. Die Person guckt mir mit ihren grünen Augen tief in die Seele und wartet immer noch darauf, dass ich den Wein anrichte. Sauer nehme ich ein Glas aus dem Schrank und schaue den Gast fragend an. „Einen Chardonnay bitte", folgte darauf. „Geschmack hast du ja", merke ich an und schenke das Glas ein. Er lächelt und starrt mich weiterhin an. „Du kommst nicht von hier, was?", frage ich interessiert. „Um diese Uhrzeit sind eigentlich nur Stammkunden hier und dich kenne ich nicht". Er spielt mit seinen Fingern am Glas, was sehr erotisch aussieht. Mir fällt erst jetzt auf wie gutaussehend dieser Mann ist. Schwarze Haare die ihm leicht ins Gesicht hängen, ein Tattoo das fast seinen kompletten Hals ausfüllt, grüne stechende Augen, ein Muttermal unter dem rechten Auge. Er hat füllige Lippen die nicht zu übertrieben sind und sich wahrscheinlich sehr weich anfühlen, circa 1.90m groß und gut gebaut. Ob er auch gut bestückt ist? „Weg mit diesen Gedanken Justice", flüstre ich leise vor mich hin. Ein Hauch von seinem Aftershave kommt mir entgegen als er sich zu mir über die Theke beugt und auf meine Frage antwortet. „Der einzige Grund, weswegen du mich nicht kennst, ist, dass ich normalerweise nicht in solchen Bars meine Zeit verbringe, Darling". Er zwinkert mir zu, während ich ihn perplex angucke und meine Abrechnungen verstaue. „Ist mir auch relativ egal wo du deine Zeit verbringst", gebe ich ihm zurück. „Jedoch frage ich mich, warum du mich immer Darling nennst". Dieses Mal bin ich es die ihm tief in die Seele schaut. Funktioniert nur nicht gerade so wie ich das will, dieser Fremde ist ja echt ein Mysterium. „Frauen mögen es doch, wenn man ihnen einen Kosenamen gibt, und schönen Frauen gebe ich gerne Kosenamen", antwortet er mit einem Lächeln auf seinen hinreißenden Lippen. Ich ziehe eine Augenbraue hoch und schaue ihn frech an. „Frauen mögen es eher, wenn sie einen Kosenamen von einem Mann bekommen, den sie auch kennen mein Lieber". „Du musst zugeben, Darling gefällt dir doch", kontert er. Grinsend nehme ich meine Abrechnungen und drehe mich in Richtung Büro um. „Das bleibt unkommentiert. Lege das Geld einfach auf die Theke, wenn du fertig bist". Ich bleibe im Türrahmen stehen und drehe mich nochmal zu dem Fremden um. „Du hattest, soweit ich weiß ein Bier und zwei Chardonnay, das macht dann 24 Dollar". Verdutzt schaut er mir hinterher und nimmt einen genüsslichen Schluck von seinem Chardonnay.

02:49 und ich sitze immer noch im Büro und zermalme mir wegen den Rechnungen den Kopf. Der Fremde wird sicher schon gegangen sein, der wird ja wohl nicht 15 Minuten für den Wein brauchen, denke ich und kaue auf dem Kugelschreiber herum, den ich für meine Notizen benötige. Ich starre auf die Uhr und beschließe den Rest morgen zu machen, da wir dann früher schließen. Endlich kann ich die unbequemen Kleider ausziehen, die wir leider immer tragen müssen. Elijah ist zwar ein toller Chef und hat wunderbare Bars, jedoch sind die Arbeitskleider das komplette Gegenteil. Enge Hemden, die einem manchmal echt die Luft zum Atmen nehmen und dazu passend einen engen Rock, der gerade mal knapp über den Hintern geht. Vielleicht sind die Kleider gar nicht unbequem, aber ich bevorzuge den lockeren Kleidungsstil. Ich zwänge mich aus den Kleidern und ziehe den zu kleinen BH aus den ich wegen dem Hemd tragen muss. Schnell ziehe ich mir meinen flauschigen grauen Hoodie über, schlüpfe in die lockere blaue Jeans und zuletzt noch meine schwarzen Lederstiefel, die ich über alles liebe. Der Fremde ist anscheinend gegangen, die 24 Dollar liegen auf der Theke und sein Aftershave liegt noch in der Luft. Ich schüttele den Kopf, ziehe meine Jacke über und schließe die Bar.

03:00, auf dem Nachhauseweg fällt mir auf, dass ich den Fremden nicht mal nach seinem Namen gefragt habe. Ob er wieder mal vorbeikommt, um einen Chardonnay zu trinken?

Hard to love {Wenn die Vergangenheit dich nicht loslässt}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt