Die erste Probe

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Es war soweit. Der Tag der ersten Probe der Theateraufführung war genau heute.
Die Mädchen freuten sich. Amanda und Eliza schminkten sich gegenseitig und machten sich die Haare. Jane, die wie ausgewechselt war, half ihnen dabei.
Jane klatschte aufgeregt in die Hände, als die drei Mädchen fertig waren.
„Ihr seht beide toll aus. Genau wie ich. Also los, wir sollten uns beeilen." sagte sie aufgeregt.
Eliza fand bisher noch keine Möglichkeit mit Thomas zu sprechen. Sie wollte es ihm in einem passenden und ruhigen Augenblick erzählen, doch es war nie der richtige Zeitpunkt.
Die vier Mädchen gingen in die große Halle, in der die Probe stattfinden sollte. Sie war magisch hergerichtet worden und es sah tatsächlich aus wie in einem Theater. Es war eine kleine Zuschauerreihe gezaubert worden für die, die gerne bei den Proben zusehen möchten, es war eine Bühne mit Vorhang hergezaubert worden und magische Lampions erleuchteten die Bühne in einem warmen und angenehmen Licht, damit die Schauspieler nicht geblendet werden konnten.
Edith, die leider keine Rolle ergattern konnte, setzte sich in die Zuschauerreihe.
Eliza, Jane und Amanda gingen auf die Bühne und schlossen den Vorhang hinter sich. Dort warteten bereits Thomas, der den Ritter Sir Luckless spielte, einige Schüler, die die Menschenmenge am Anfang spielen dürfen, sowie Professor Beery und Professor Kesselbrand.
„Da seid ihr ja. Ihr dürft eure Texte auf eurem Pergament noch benutzen. Zur richtigen Aufführung vor Weihnachten aber natürlich nicht mehr. Professor Kesselbrand ist so freundlich, für die Aufführung eine vergrößerte Aschwinderin bereitzustellen. Diese soll den Wurm spielen. Solange wird er allerdings den Wurm spielen. Wir wollen ja nicht wertvolle Ressourcen für die Proben verschwenden. So, dann macht euch bereit. Der Vorhang wird gleich geöffnet." sagte Professor Beery und verschwand von der Bühne. Er stellte sich neben die Bühne und hielt seinen Text auf einem Pergament in der Hand.
„Okay, tief durchatmen." sagte Amanda und versuchte sich somit zu beruhigen.
„Ihr braucht keine Angst haben. Es ist nur eine Probe." Thomas ging lächelnd auf die drei Mädchen zu.
„Thomas, mein Liebling. Ich freue mich so, dass wir beide gut genug sind, um an diesem Stück teilzunehmen." grinste Jane und küsste Thomas.
Amanda und Eliza hätten brechen können bei dieser Heuchlerin.
Thomas bemerkte Elizas Blick, deutete diesen jedoch falsch.
„Du brauchst keine Angst zu haben, Eliza. Ich weiß, dass du gut genug bist." lächelte Thomas. Jane sah kurz grimmig zu Eliza herüber, sagte jedoch nichts. Eliza und Amanda wusste natürlich wieso.
„Bitte alle aufstellen!" rief Professor Beery.
Jeder ging auf seinen Platz und dann wurde bereits der Vorhang geöffnet.
Professor Beery übernahm die Rolle des Erzählers und fing an zu erzählen:

„Hoch auf einem Hügel, in einem verzauberten Garten, umgeben von hohen Mauern, geschützt durch starke Magie, sprudelte der Brunnen des wahren Glücks.
Einmal im Jahr am längsten Tag, zwischen der Stunde des Sonnenaufgangs und der des Sonnenuntergangs, bekam ein einziger Unglücklicher die Möglichkeit sich bis zu dem Brunnen durchzukämpfen, in seinem Wasser zu baden und für immer wahres Glück zu empfangen. Am festgesetzten Tag reisten hunderte von Menschen aus dem ganzen Königreich herbei, um noch vor der Morgendämmerung zu den Mauern des Gartens zu gelangen. Männer und Frauen, reich und arm, jung und alt, mit magischen Kräften und ohne. Alle versammelten sich in der Dunkelheit. Ein jeder in der Hoffnung, derjenige zu sein, dem den Zugang zum Garten gewährt werde."

Die Schüler, die Menschenmenge darstellen sollten, verteilten sich auf der Bühne. Mit dem nächsten Satz kamen auch Jane, Amanda und Eliza auf die Bühne.

„Drei Hexen, von denen jede ihre kummervolle Bürde zu tragen hatte, begegneten sich am Rand des Gedränges und erzählten einander von ihrem Leid. Während sie auf dem Sonnenaufgang warteten. Die erste, mit dem Namen Asha, litt an einer Krankheit, der kein Heiler abhelfen konnte. Sie hoffte, dass der Brunnen sie von ihren Beschwerden befreien und ihr ein langes und glückliches Leben bescheren werde."

Eliza trat aus der Menge hervor und drehte sich einmal, um sich dem Publikum zu zeigen.

„Der zweiten, mit Namen Alteda, hatte ein böser Zauberer ihr Haus, ihr Gold und ihren Zauberstab geraubt. Sie hoffte, dass der Brunnen sie von ihrer Armut erlösen werde."

Amanda tat es Eliza gleich. Auch sie trat aus der Menschenmenge hervor und drehte sich, um sich dem Publikum zu zeigen.

„Die dritte, mit dem Namen Amata, war von einem Mann verlassen worden, den sie innigst liebte und glaubte, ihr Herz wäre auf ewig gebrochen. Sie hoffte, dass der Brunnen sie von ihrem Kummer und ihrer Sehnsucht erlösen werde."

Jane tat es Eliza und Amanda gleich.

„Die drei Frauen bedauerten einander und vereinbarten, dass sie sich, sollte ihnen das Glück widerfahren, zusammen tun und versuchen würden, den Brunnen gemeinsam zu erreichen. Der erste Sonnenstrahl riss den den Himmel auf und in der Mauer öffnete sich ein Spalt. Die Menschenmasse schob sich vorwärts und jeder einzelne bekundete mit lautem Geschrei seinen Anspruch auf den Segen des Brunnens. Aus dem Garten, hinter der Mauer, krochen Schlingpflanzen, durch die andrängende Menge und wanden sich um die erste Hexe Asha. Sie packte die zweite Hexe, Alteda am Handgelenk, die sich ihrerseits fest an dem Umhang der dritten Hexe klammerte, Amata. Und Amata verfing sich in der Rüstung eines Ritters, der trostlos aussah und auf einem knochendürren Pferd saß. Die Schlingpflanzen zerrten die drei Hexen durch den Spalt in der Mauer und der Ritter wurde auf seinem Ross und hinter ihnen hergezogen."

Eliza, die Amanda packte, Amanda, die Jane packte und Jane, die Thomas packte, taten genau das, was Professor Beery vortrug.

„Die wütenden Schreie der enttäuschten Menge  stiegen in die Morgenluft empor und verstummten schließlich, als die Gartenmauer sich wieder versiegelte. Asha und Alteda zirrten mit Amata, die versehentlich den Ritter mitgebracht hatte."

„Nur eine kann in dem Brunnen baden. Es wird schwer genug sein, zu entscheiden, welche von uns es sein soll. Da brauchen wir nicht noch einen!" sagte Amanda in ihrer Rolle als Alteda.

„Halt, halt, halt. Du musst wütender klingen. Du bist wütend, dass dir vermeintlich die Chance von einem Muggel genommen wurde, den Brunnen zu erreichen. Du musst auch so klingen. Also, nochmal. Alles auf Anfang!" sagte Professor Beery zu Amanda. Diese nickte und danach gingen alle auf ihre Plätze vom Anfang zurück.
Sie übten drei weitere Male bis zu der letzten genannten Stelle, ehe sie alle ziemlich kaputt und fertig waren von der Probe.
„Bis hierher hat es ja bereits gut geklappt. Nächstes Wochenende wieder um die gleich Zeit. Dann üben wir den nächsten Teil der Geschichte, bis wir es am Ende alles zusammenfügen können und ein ganzes Stück raus haben. Vielen Dank, Sie können nun gehen!" erklärte Professor Beery.
Eliza, die Tom in der Zuschauerreihe erblickte, lief freudig auf ihn zu.
„Du warst sehr gut. Ich bin stolz auf dich, Eli!" sagte Tom erfreut und küsste sie auf die Stirn.
„Danke, Tom." sagte Eliza glücklich.
„Wir sehen uns später, El." zwinkerte Amanda Eliza im Vorbeigehen zu.
Eliza blickte daraufhin zu Tom.
„Hast du heute noch Zeit?" fragte sie lächelnd.
„Für dich immer." grinste er.
Dann verließen die beiden Hand in Hand die große Halle.
Thomas, der Jane an der Hand hielt, blickte den beiden hinterher.

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