Kapitel 19 - Mom

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"Oh Fuck." Sage ich geschockt, als ich einen Blick auf mein Haus werfe. So wie es aussieht, sind meine Eltern wieder zurück. Unser Auto steht wieder in unserer Einfahrt und die unglaublich hässlichen Gardienen sind auch wieder auf. "Halt an, JJ!" Rufe ich ihm zu und alle sehen mich verwirrt an.

"Was ist los?" Fragt Kie verwirrt und folgt meinem Blick.

"Meine Eltern sind zurück."

"Das heißt?"

"Ich muss los." Ich gehe an die Kante des Bootes und warte bis JJ etwas näher an das Ufer ranfährt, sodass ich runter springen kann.

"Du kannst jetzt nicht gehen, wir stehen so kurz davor, Kooks zu werden." Sagt John B etwas vorwurfsvoll, was ich verstehen kann.

"Fuck, ich weiß. Aber irgendwas stimmt nicht, wenn sie schon zurück sind." Normalerweise sind meine Eltern weniger als einen Monat weg. Diesmal ist irgendwas anders, ich kann es bis hier spüren.

John B sieht mich genervt an, die anderen schweigen. JJ fährt mit dem Boot jetzt an einen nahegelegenen Steg und ich springe vom Boot. "Tut mir echt leid, Leute." Kie schenkt mir noch ein kleines Lächeln, doch die Jungs widmen mir nichtmal einen Blick. Dann fahren sie weg und ich mache mich auf den Weg zu meinem Haus. Angekommen, rufe ich vorsichtig "Hallo?" und gehe rein. Keine Antwort. "Mom, Dad?" Rufe ich erneut, dieses Mal etwas lauter. Doch immernoch herrscht Stille. Ich gehe langsam ins Wohnzimmer und dort auf dem Boden, angelehnt an der Couch, sehe ich meine Mutter. "Mom?" Sage ich wieder vorsichtig und gehe langsam auf sie zu. Neben ihr auf dem Boden, steht eine leere Flasche Rotwein und die Stille die vorher herrschte, wird von ihrem Schluchzen unterbrochen. "Was ist los?" Frage ich und knie mich vor sie hin, doch ihr Kopf ist starr nach unten gerichtet. Ich lege eine Hand auf ihre angewinkelten Knie und streichelt etwas über sie. "Was ist passiert?" Frage ich sie, unschlüssig ob ich die Antwort überhaupt wissen will. Sie bewegt langsam ihren Kopf hoch, sodass ich einen Blick in ihr Gesicht werfen kann. Ich atme erschrocken ein. An ihrer Nase ist etwas getrocknetes Blut verteilt und ihr linkes Auge ist angeschwollen und blau. "War das Dad?" Frage ich sie. Man kann meinem Dad vieles vorwerfen, aber noch nie, wirklich niemals, ist er handgreiflich bei einem ihrer Streiterein geworden. Zumindest bis jetzt. "Was ist passiert?" Frage ich sie ein weiteres Mal, Doch sie schüttelt nur den Kopf und fängt noch schlimmer an zu weinen als vorher. Meine Hände fangen an zu zittern und meine Augen füllen sich ebenso mit Tränen, doch jetzt gerade muss ich stark sein. Für meine Mom. "Komm schon, steh auf." Sage ich so ruhig es geht und stehe ebenfalls auf.

Sie schüttelt erschöpft den Kopf. "Ich kann nicht, Marley." Presst sie sich hervor. "Ich kann nicht ohne ihn leben."

"Steh erstmal auf, ich bringe dich ins Bett." Ich greife ihr mühevoll unter die Arme und versuche sie hochzuziehen. "Du musst mir schon ein wenig mithelfen." Fordere ich sie auf, damit sie zumindest aufsteht. "Bitte."

"Ich will nur sterben, ohne ihn." Sagt sie und sieht mich schmerzerfüllt an. Die Worte hallen in meinem Kopf. "Ich will nur sterben, ohne ihn." Ich schlucke schwer und verziehe mein Gesicht zu wilden Grimassen, sodass ich nicht anfange unkontrolliert zu weinen. Vergeblich. "Mom, steh endlich auf!" Schreie ich sie an und versuche weiterhin sie hochzuziehen. Diesmal, schaffe ich es. Sie steht. Ich hake mich bei ihr unter und versuche sie so gut es geht heil nach oben in ihr Zimmer zu bringen. Was sich als nicht so einfach erweist, wenn die Person die du stützen musst, nicht nur Sturz besoffen ist und sowieso schon Probleme hat in einer geraden Linie zu laufen, sondern sich auch noch bei jeder Gelegenheit auf den Boden legen will, um noch mehr in elend zu baden. Als wir dann aber mehr oder weniger heil im Schlafzimmer meiner Eltern ankommen, schmeißt sie sich aufs Bett und ich decke sie zu. Ich gebe ihr einen Kuss auf die Stirn und verlasse dann das Zimmer. Erstmal gehe ich die Treppe runter und sehe mich im ganzen Haus um. Nach meinem Dad. Das ist nur ein Traum oder nicht? Er hat sie niemals geschlagen und weg ist er auch nicht! Doch als ich letztendlich als letztes im Arbeitszimmer meines Dads ankomme und er immernoch nicht auffindbar ist, realisiere ich es. Das alles ist kein schlechter Traum. Diese Dinge sind wirklich passiert. Ich lasse mich auf die Knie fallen und sehe mich im Raum um, ehe meine Sicht von Tränen verschwimmt.

*****

Ich habe gehofft, dass meine Eltern wieder in der Lage sein werden, einander zu lieben. So wie es normale Eltern eben tun. Doch ab dem Moment an, als ich vorhin ins Haus gekommen bin. Konnte man förmlich spüren, dass etwas nicht stimmte. Mit jedem Schritt den ich machte, wurde mir mehr bewusst, dass ich mich kopfüber ins Verderben stürze. Die Pogues sind vermutlich gerade dabei die 400 Millionen Euro vom Wrack der Merchant zu bergen und ich sitze hier, immernoch im Arbeitszimmer meines Dads und starre ins Leere. Weinen tue ich nicht mehr. Wie denn auch? Meine Tränen sind aufgebraucht. Das Problem ist, dass es nicht um mich geht. Gott, ich wünschte es ginge um mich. Nicht, weil ich es mir Wünsche würde, dass zu erleben, sondern damit ich meine Mom dafür schützen könnte, das zu durchleben, durch das ich gehen musste. Wenn ich an der Stelle meiner Mom wäre, dann würde ich mich einfach zurückziehen, bis es wie durch ein Wunder besser wird, oder ich einfach abgelenkt bin. So können Depressionen nämlich sein. Sie kommen und gehen und kommen und gehen und du kannst nichts tun um, sie vom kommen zu stoppen, zumindest kann ich das nicht. Das wohl größte Problem ist, dass man einen gewissen Komfort in der Traurigkeit findet. Aus irgendeinem Grund will man nicht, dass es besser wird. Zumindest, will man nichts tun, dass es das wird und somit endet es nicht. Mit seinem Verhalten zerstört man nicht nur seine Mitmenschen, die tagtäglich an einem glauben und hoffen, dass es besser wird, sondern auch einen selbst. Wenn ich eine von diesen Episoden habe, in denen es mir schlecht geht, dann verschwindet meine ganze Kraft und Motivation, wie aus dem Nichts. Wenn ich an die Zukunft denke, dann kann ich nicht lächeln und mich auf irgendwas freuen. Nein, dann ist es wie in einem schwarzen Loch. Hoffnungslos und außerdem herrscht die Dunkelheit. Aber, wenn ich eine gute Phase habe, dann erinnere ich mich wieder daran, wie es ist zu leben. Undzwar, wirklich zu leben. Es ist als ob mich jemand oder etwas aus diesem schwarzen Loch rausholt und mir zeigt, wie es ist wieder etwas zu fühlen. Wie es sein kann, wenn ich mich nicht die ganze Zeit isoliere und dazu auch noch selbst einschränke. Doch zwischen diesen zwei Möglichkeiten liegt ein unglaublich schmaler Grad und die kleinsten Taten und Wörter können mich von einer Episode zur nächsten schubsen und ob ich will oder nicht, ich kann es nicht kontrollieren. Ich weiß das. Meine Mom aber nicht und das ist das Problem.

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My Drug // JJ MaybankWo Geschichten leben. Entdecke jetzt