»Findet eure Drachen.«
Rhana hätte sich für die zweite Prüfung wirklich etwas weniger Kryptisches gewünscht, doch nun stand sie hier, am Rande der Wüste und blickte hinaus auf den Horizont, während sie versuchte, herauszufinden, was die Worte der Königin bedeuten sollten.
Lewin, der wieder einmal sehr sicher war, dass er die Antwort kannte, hatte ihr angeboten sie mit einer Kutsche Richtung Gebirge mitzunehmen. Immerhin lebten die Drachen dort. Die Wahrscheinlichkeit auf einen zu stoßen war also größer als an anderen Orten.
Allerdings störte dich Rhana an der Formulierung. Die Königin hatte nichtgesagt, dass sie einen Drachen finden sollten, sondern ihren.
Hieß das nicht, dass es zwischen ihnen eine Verbindung geben sollte?
Außerdem glaubte sie nicht, dass es einfach war einen Drachen zu finden. Es gab nur sehr selten Drachensichtungen und die meisten hielten diese Wesen noch immer für Legenden. Dabei war der Drache das Göttertier ihres Clans.
Rhana zog die Haarnadel aus ihrem Haar und betrachtete sie. Noch immer faszinierte die blaue Blume sie sehr.
Ob das Artefakt wohl helfen konnte, ihren Drachen zu finden? Warum sonst sollte sie die erste Prüfung darstellen?
Rhana drehte die Haarnadel zwischen ihren Fingern, um sie besser betrachten zu können.
Königin Suna hatte ihnen nicht gesagt, was die Artefakte konnten, weshalb Rhana sich fragte, wie sie das herausfinden konnte.
Langsam ließ sie ihre Finger über das kühle Material wandern. Obwohl es um sie herum sandig und warm war, war das, was sie berührte glatt und angenehm kühl. Fast so, als würde sie durch das plätschernde Wasser der Oasenquelle fahren.
Rhana schloss die Augen, ließ ihre Finger aber weiter über das Artefakt wandern. Die Wärme, die sie in der Kammer mit den anderen Artefakten durchdrungen hatte, war nicht mehr da. Stattdessen hatte sie nun das Gefühl einer sanften Brise, welche die Wärme der Wüste angenehmer machte.
War das vielleicht die Kraft des Artefaktes? Wind erzeugen oder Wärme?
Aber wie konnte Rhana sie diese nutzen?
Ihre Finger fuhren weiter über das Artefakt, als sie plötzlich einen Stich an ihrem Finger spürte.
Rhana öffnete die Augen und bemerkte, dass sie sich mit der Spitze der Nadel gestochen hatte.
Ein Tropfen Blut quoll hervor und benetzte die Bronze der Haarnadel.
Überrascht sah Rhana zu, wie das Blut förmlich aufgesaugt wurde und die blauen Blätter des Artefakts immer stärker leuchteten.
Rhana zog die Hand zurück und der Blutfluss hörte auf. Das Leuchten der Blume nahm langsam wieder ab, doch Rhana fiel auf, dass der kleine Kristall in der Mitte nun dunkler wirkte.
Stirnrunzelnd legte sie erneut den blutigen Finger an die Nadel. Erneut konnte sie zusehen, wie ihr Blut auf das Metall überfloss und darin zu verschwinden schien.
Blaues Leuchten breitete sich aus und nahm Rhana ein. Fast, wie eine Lichtquelle, die immer stärker wurde.
Allerdings spürte Rhana auch eine gewisse Erschöpfung, weshalb sie den Finger zurückzog. Ihr Blick verschwamm ein wenig und Rhana fiel auf, dass ihr Atem schwerer ging. Sie fühlte sich, als hätte sie gerade etwas Schweres getragen oder wäre lange gerannt.
Was war das?
Hatte die Nadel ihre Kraft aufgenommen?
Benommen fischte sie den Trinkschlauch hervor, den sie eigentlich immer bei sich hatte.
Mit langen Zügen leerte sie diesen in wenigen Sekunden, hatte aber immer noch das Gefühl, nicht genügend getrunken zu haben.
Mit zittrigen Fingern befestigte Rhana den Trinkschlauch wieder an ihrem Gürtel, bevor sie sich langsam erhob. Ihre Hände dabei immer an dem Stein, der ihr so vertraut war.
Rhanas Körper zitterte, während sie versuchte, sich langsam an den Abstieg zu machen. Noch nie war es ihr so schwergefallen wie jetzt. Immerhin war sie eine sehr gute Kletterin, doch ihr Körper schien so schwach, dass sie sich kaum halten konnte.
Sollte sie vielleicht doch warten, bis es ihr besser ging? Aber sie hatte Hunger und Durst. Wenn sie jetzt hierblieb, dann würde sie vermutlich einschlafen. Rhana wusste, dass das in diesem Zustand sehr gefährlich war. Am Tag könnte sie verbrennen und in der Nacht erfrieren. Also durfte sie sich jetzt nicht zurücklehnen.
Darum setzte sie einen Fuß vor den anderen und kletterte ganz langsam Richtung Boden. Zum Glück war der Stein nicht so hoch. Trotzdem kam es ihr gerade vor, wie ein Gebirge, das sie erklomm.
Gerade, als Rhana glaubte, dass sie es fast geschafft hatte, trat sie daneben und rutschte ab.
Obwohl sie sich mit ihren Händen hielt, war sie nicht stark genug, um den plötzlichen Ruck zu stabilisieren. Ihre Finger gaben einfach nach und sie fand sich im freien Fall.
Es dauerte nur wenige Sekunden. Sie fiel nicht aus sonderlich großer Höhe, doch als sie mit dem Rücken im Sand landete, spürte sie, wie ihr die Luft aus den Lungen gepresst wurde. Vor ihren Augen tanzten einen Moment Sterne, bevor die Ränder dunkel wurden.
Rhana atmete schwer, während sie darum kämpfte, bloß nicht das Bewusstsein zu verlieren.
Dabei bemerkte sie neben sich den eine Bewegung. Sand rieselte und bewegte sich unnatürlich.
Bloß kein Skorpion, dachte Rhana, während ihre Sicht komplett ins Schwarze ging.
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Die Akademie der Drachen - Das Mal des Todes (Band 1)
FantasyBand 1 der geplanten Dilogie. Rhana ist bald 18 und erbt die Handelsgesellschaft ihres verstorbenen Vaters. Allerdings läuft nicht alles so, wie sie es sich gewünscht hatte. Stattdessen bekommt sie eine Einladung der Königin von Savrana, die sie mit...