Idris dachte nicht daran, zu Klopfen, sondern öffnete einfach die Tür, um das Zimmer der Direktorin zu betreten.
Überrascht blieb er stehen, als er den Mann mit den dunkelblonden Haaren und intensiv grünen Augen hinter dem Schreibtisch erblickte.
Dieser hob den Blick. Seine Lippen zu einer Linie verzogen, als wolle er gleich losmeckern, doch dann erkannte er Idris und entspannte sich ein wenig.
Idris musterte das Gesicht, das seinen in gewissen Zügen sehr ähnlich war. Er musste Lir nicht kennen, um zu sehen, dass er angespannt war.
Idris sah sich suchend um. »Wo ist Mutter?«, wollte er wissen, denn es war nicht normal, dass Lir den Papierkram machte. Er hasste ihn.
»Ihr geht es nicht gut«, gab Lir wenig begeistert von sich, schob die Dokumente von sich und lehnte sich zurück. »Warum bist du hier?«, wollte er wissen, was Idris dazu veranlasste nach links auf das kleine Sofa zuzugehen und sich darauf niederzulassen.
»Dieses Mädchen. Rhana. Sie ist in den Fluren zusammengebrochen. Ich habe sie in ihr Zimmer gebracht«, erklärte Idris mit monotoner Stimme, als würde es ihn nicht stören. Das tat es aber, denn er wusste nicht, ob seine Anwesenheit damit zusammenhing oder nicht. Hatte er sie vielleicht irgendwie verletzt? Dabei hatte er sich Mühe gegeben, sie nicht zu berühren.
»Erzähl mir, was vorgefallen ist«, forderte Lir, der seine Hände ineinander verschlang und sein Kinn darauf ablegte, um Idris zu mustern.
Diese stieß den Atem aus, bevor er ihm Detail beschrieb, was sie getan hatten.
Lir lauschte, nickte ab und an, unterbrach ihn allerdings nicht. Erst, als er fertig war, räusperte er sich. »Es klingt nicht, als wärst du schuld«, bemerkte er, was bei Idris dazu führte, dass er das Gefühl hatte, endlich wieder Luft zu bekommen.
Es war nicht seine Schuld? Er hatte sie nicht unabsichtlich verletzt? Das hätte er dich nie verziehen.
Sie war nicht das erste Mädchen, das hier zur Schule ging, doch sie hatte etwas an sich, das ihn faszinierte. Sie schimmerte wie ein stiller Bergsee, der von der Sonne beschienen wurde. Klar, rein und tief.
»Aber was hat die dann?«, wollte er besorgt wissen und blickte Lir mit seinen sandfarbenen Aigen fast schon verzweifelt an.
»Sie kommt aus einem Wüstenland«, erklärte Lir, der seine Hände wieder löste, um eines der Dokumente zu nehmen. Sein Blick huschte kurz darüber, bevor er ein weiteres griff. »Genau genommen aus Savrana«, fügte er hinzu, als er Rhanas Dokument in den Fingern hatte. »Dort ist es am Tag sehr heiß und in der Nacht klirrend kalt. Überall ist Sand und die Sonne brennt unbarmherzig. Zudem ist die Ebene eher flach.«
Idris nickte neugierig, verstand aber nicht, wie das die Antwort auf seine Frage sein konnte. War ihr vielleicht zu kalt gewesen?
Lir war jedoch noch nicht mit seiner Ausführung fertig. »Sie ist mit einem Drachen hergeflogen. Das allein muss ihr viel Kraft gekostet haben. Die Höhe, die Tunnel, die Brücken. Das alles ist neu für sie und vermutlich hat ihr Körper auf die dünne Luft reagiert.«
DU LIEST GERADE
Die Akademie der Drachen - Das Mal des Todes (Band 1)
FantasyBand 1 der geplanten Dilogie. Rhana ist bald 18 und erbt die Handelsgesellschaft ihres verstorbenen Vaters. Allerdings läuft nicht alles so, wie sie es sich gewünscht hatte. Stattdessen bekommt sie eine Einladung der Königin von Savrana, die sie mit...