Als Rhana die Kutsche verließ, wusste sie nicht, ob sie die richtige Wahl getroffen hatte.
Ihre Finger krallten sich um die Träger der Umhängetasche, die so gar nicht zu ihrem Kleid passen wollte.
Die Tasche war hell und mit Blumenmuster verziert. Man erkannte allerdings, dass es sich um eine selbstgehäkelte Tasche handelte, die zu einen von Rhanas ersten Stücken zählte. Allerdings war das die Einzige, die groß genug war.
»Bitte hier entlang«, erklang die Stimme eines Mannes, der in die typische Uniform eines Bediensteten gekleidet war. Ein einfaches Leinengewand, das sicherlich sehr bequem war.
Rhana nickte und folgte ihm. Dabei stellte sie fest, dass sie gar nicht in den Thronsaal geführt wurde. Stattdessen führte der Mann sie durch einen Garten, der wirklich wunderschön war.
Die großen Palmen waren so gepflanzt, dass sie Schatten für kleinere Blumen und Büsche boten. Rhana hörte leises Plätschern, das auf Wasser hindeutete, auch wenn sie nichts sehen konnte.
Die exotischen Blumen in lebhaften Farben waren Rhana fremd, weshalb sie diese besonders in Augenschein nahm. Die betörenden Düfte hüllten Rhana in einen angenehmen Schleier und ließen sie für einen Moment vergessen, weshalb sie hier war.
Der Mann, der Rhana führte, wartete geduldig und ließ zu, dass Rhana sich hinhockte, um eine besonders schöne, gelbe Blüte zu bewundern. Die Sonne tauchte diese in einen goldenen Schein.
Als Rhana sich wieder erhob, bemerkte sie fein geschnittene Hecken und sogar kleinere, duftende Kräuterbeete.
Das leise Summen von Bienen und das Zwitschern der Vögel ließ Rhana glauben in einer ganz anderen Welt zu sein.
Die Oase von Savrana war schon beeindruckend, doch das hier war noch einmal ganz anders. Wie war das in einer Wüste überhaupt möglich? War da vielleicht sogar Magie im Spiel?
Rhana wusste, dass es diese gab, doch wirklich damit beschäftigt hatte sie sich nie. Das würde sich vermutlich bald ändern.
Schließlich erreichten sie das Ziel. Ein wunderschöner, weißer Pavillon, der das Zentrum des Gartens bildete. Die Säulen, die das große Dach trugen, waren wunderschön verziert und mit saftigen, grünen Ranken bewachsen.
Von der Decke hingen ebenfalls Pflanzen, an denen schimmernde Lampen angebracht waren.
Darunter saß, ganz edel wie immer, Königin Suna.
Der Tisch war für zwei Personen gedeckt. Lecker duftender Kuchen und Tee erwartete Rhana, die einige Schritte vor der Königin anhielt und höflich knickste.
Mit einer Handbewegung deutete sie dem Diener wieder zu gehen und dann Rhana sich zu setzen. »Warst du erfolgreich?«
»Das war ich«, erwiderte Rhana, die sich im Garten umsah. Sie fühlte sich nicht ganz so wohl, doch als sie bemerkte, dass niemand in der Nähe war, der sie sehen konnte, öffnete sie langsam die Tasche.
Dabei bemerkte sie Sunas neugierigen Blick, der erschrocken wurde, als Kaza den Kopf aus der Tasche steckte.
Die Königin stieß die Luft aus, bevor sie sich hektisch erhob. »Ein Baby«, hauchte sie fasziniert und machte mehrere Schritte auf den Drachen zu.
Kaza fiepte erschrocken und sprang dann an Rhana nach oben, bevor sie sich an ihrem Hals unter den Haaren der Frau versteckte.
Rhana spürte, dass sie zitterte, weshalb sie Kaza langsam streichelte. »Ein Baby?«, fragte sie an Königin Suna gerichtet.
Diese hielt sofort inne und lächelte sanft. »Ein Drachenbaby. Es muss erst vor kurzen geschlüpft sein, so klein, wie es noch ist.«
Rhana traute ihren Ohren nicht, denn wie ein Baby hatte Kaza nicht auf sie gewirkt.
»Ich habe Kaza in der Wüste an meinem Lieblingsplatz gefunden«, erklärte Rhana, die sich ein wenig unwohl fühlte. Vor allem, da die Königin noch immer Kaza betrachtete, als wäre sie etwas sehr Wertvolles.
Es schien Suna schwerzufallen, sich von dem Drachenkind abzuwenden, doch sie schaffte es und deutete Rhana erneut, sich zu setzen. »Erzähl mir mehr«, bat sie und ließ sich selbst wieder nieder. Dabei wirkte sie, als würde es ihr schwerfallen oder als hätte sie gar Schmerzen, was Rhana besorgte.
Sie war zwar keine amtierende Königin, doch eine sehr beliebte Frau, die im Volk verehrt wurde.
Hoffentlich blieb sie Savrana und den Südlanden noch lange erhalten.
Rhana ließ sich nieder, bevor sie Suna begann, alles zu erzählen, was vorgefallen war.
Jetzt, wo sie darüber sprach, war das wirklich eine absurde Geschichte. Immerhin hatte der kleine Drache sie vor einem Skorpion gerettet, wenn sie das richtig gesehen hatte.
»Drachen schlüpfen, wenn ein Artefaktträger in der Nähe ist«, erklärte Suna, die einen Schluck Tee trank. »Aber das passiert trotzdem nicht einfach so. Du musst beim Experimentieren genug Magie abgegeben haben, dass das Ei reagiert hat.«
»Aber was macht ein Drachenei in der Wüste?«, fragte Rhana, die sich nicht ganz sicher war, wie das Ei dorthin gekommen sein sollte.
Immerhin suchte sie den Platz schon auf, seitdem sie ein kleines Kind war. Ihr Vater hatte ihr diesen gezeigt und gemeint, er wäre besonders. Trotzdem war ihr das Drachenei nie aufgefallen. Dabei hatte sie als Kind viel im Sand gespielt.
»Das weiß ich nicht. Aber die Direktorin der Drachenakademie wird dir das sicher erklären können«, sagte sie und schob Rhana einige kleine Küchlein zu.
Allerdings war es nicht sie, die danach griff, sondern Kaza, die nach einem Küchlein schnappte. Rhana hielt sie davon ab, denn sie wusste nicht, ob das gut war. Bei Tieren musste man immerhin auch vorsichtig sein, was diese aßen.
Königin Suna lachte leise. »Das ist in Ordnung. Lass sie nur fressen. Drachen bevorzugen zwar Fleisch, aber auch vieles andere ist nicht schädlich.«
Rhana ließ Kaza gewähren, auch wenn sie sich nicht wohl dabei fühlte. Ob sie ihr später eine große Portion Fleisch servieren sollte? Aber wie, wenn sie niemand sehen durfte?
»Da ich nicht damit gerechnet habe, dass ein Drachenbaby im Spiel sein wird, habe ich mich nicht darauf vorbereitet. Das tut mir leid. Ich werde dir ein bisschen rohes Fleisch mitgeben, damit du sie gut füttern kannst«, erklärte Königin Suna, die ihren Blick die ganze Zeit auf den Drachen gerichtet hatte. Sie schien sehr fasziniert von Kaza zu sein.
»Das ist sehr freundlich von Euch«, erwiderte Rhana, die nicht genau wusste, was sie sonst sagen sollte. Sie wusste ja nicht einmal, wie sie mit Kaza umgehen sollte.
»Sollte Lewin seinen Drachen nicht finden, werde ich mich mit der Direktorin in Verbindung setzen, damit sie dich abholen lässt. Gedulde dich aber bitte noch ein paar Tage«, sagte Königin Suna, die mittlerweile eher wie eine neugierige Großmutter wirkte. Auch, wenn sie noch immer elegant und edel wirkte.
»Ich bin zuversichtlich, dass er seinen Drachen findet«, bemerkte Rhana, der es eigentlich lieber wäre, wenn dem nicht so war. Allerdings kannte sie Lewin. Wenn er sich etwas vornahm, dann würde er es auch durchziehen.
DU LIEST GERADE
Die Akademie der Drachen - Das Mal des Todes (Band 1)
FantasyBand 1 der geplanten Dilogie. Rhana ist bald 18 und erbt die Handelsgesellschaft ihres verstorbenen Vaters. Allerdings läuft nicht alles so, wie sie es sich gewünscht hatte. Stattdessen bekommt sie eine Einladung der Königin von Savrana, die sie mit...