Rhana spürte Nervosität durch ihre Adern fließen, als Idris ihr die Aufgabe gab, mit Kisa loszufliegen.
Die Drachin spannte die Flügel aus, während sich Rhana in die Zügel krallte. Idris saß noch immer hinter ihr, auch wenn sie seine Wärme nicht spürte. Er war da. Wenn sie fiel, würde er sie halten. Das sagte sie sich immer wieder, doch seine Wärme nicht zu spüren, machte sie noch nervöser.
Als Kisa dann plötzlich aufstand, wurde Rhana so sehr durchgeschüttelt, dass sie fast das Gleichgewicht verlor.
Sie schwankte so sehr, dass Idris sie halten musste, damit sie nicht vom Sattel rutschte.
Rhana hörte hinter sich ein leises Lachen, als Idris sie wieder richtig hinsetzte.
Obwohl ihr Herz ihr bis zum Hals schlug und sie vor Panik zitterte, spürte sie doch, wie sie schneller ruhiger wurde, während sie Idris Hände an ihren Armen spürte. Erst, als dieser sie wieder wegnahm, kam die Angst zurück.
Kisa schien sich davon jedoch nicht stören zu lassen. Sie lief schnellen Schrittes weiter und sprang dann von der Klippe.
Panik durchfuhr Rhana und sie stieß einen Schrei aus, während sie sich nach vorn beugte und sich an der Drachin festkrallte, so gut es eben ging.
Erst, als sie Idris Hand beruhigend auf ihren Rücken spürte, erinnerte sie sich daran, dass er da war.
Was hatte er getan, als sie mit Freya geflogen waren? »Nach vorn beugen ist richtig, aber du darfst dich nicht so verkrampfen«, hörte Rhana seine Stimme, die gegen das heftige Klopfen ihres Herzens und das Rauschen des Windes gut ankam.
Nicht so verkrampfen. Das sagte sich so leicht? Noch befanden sie sich im freien Fall, was Rhana so schockierte, dass sie nicht wusste, was sie tun sollte.
Dann breitete Kisa ihre Flügel aus und es ging ruckartig nach oben.
Erneut schrie Rhana auf und krallte sich fester in die Zügel. Ihre Beine pressten sich panisch an den Körper des Drachen, sodass ihre Muskeln vor Anstrengung zitterten.
»Das machst du gut«, beruhigte Idris sie, doch Rhana wusste, dass sie sich schlecht anstellte. Warum hatte sie solche Angst? Sie war doch schon einmal auf Freya geflogen und das hatte sich wunderbar angefühlt. Warum also jetzt nicht? Weil sie Kisa durch den Sattel nicht unter sich spürte? Weil die Angst da war, dass sich der Sattel einfach löste? Rhana wusste es nicht. Sie war so panisch, dass sie sich nicht einmal traute, ihre Augen zu öffnen.
Auch, als der Flug ruhiger wurde, raste Rhanas Herz und ihre Finger schwitzten. »Mach deine Augen auf«, flüsterte Idris.
Rhana konnte sich nicht fragen, woher er wusste, dass sie ihre Augen zusammengekniffen hatten. Sie konnte sich nur auf seine Stimme und die Hand konzentrieren, die er ihr auf den Rücken gelegt hatte.
Zitternd blinzelte sie, wodurch sie zuerst nur Kisas sandfarbene Schuppen erblickte. Wenn sie darauf sah, konnte sie fast die Wüste erkennen. Vielleicht sollte sie einfach ihre Schuppen anstarren und an ihre Heimat denken.
Als Wüstenkind war sie vielleicht einfach nicht dazu gedacht, in der Luft zu sein.
Allerdings spürte Rhana, wie sie Neugier packte. Der Wind wehte ihr zwar immer wieder das schwarze Haar ins Gesicht, doch sie schielte dennoch zur Seite.
Den Boden konnte sie so nicht sehen, doch dafür die weißen Wolken, die sie umgaben.
Außerdem hatte sich der Flug beruhigt, sodass nur der starke Wind und die Kälte daraufhin deutete, dass sie sich in der Luft befand. Ansonsten hätte sie auch auf einem Kamel sitzen können.
»Wie fühlst du dich?«, fragte Idris schließlich, als sich Rhana vorsichtig zurechtsetzte.
»Aufgeregt«, erwiderte sie, doch dass auch Angst in ihren Gefühlen mitschwang, wollte sie ihm nicht sagen. Es war ihr peinlich, wie sie sich verhalten hatte. Gerade, weil es nicht ihr erster Flug war. Sie hatte immerhin gewusst, was auf sie zukommen würde.
»Findest du es mit Sattel gemütlicher als ohne?«, wollte Idris wissen, als würde er herausfinden wollen, ob sein Sattel gemütlich war.
»Gemütlich ja, aber ohne Sattel fliegen ist ... angenehmer«, erwiderte Rhana, was Idris durchaus irritierte. Er hörte sonst immer das Gegenteil.
»Wie meinst du das? Stört irgendwas?«, wollte er wissen. Er war sich sicher gewesen, dass dieser Sattel perfekt für Rhana war.
»Nein, das nicht. Aber ich mag es eher, das ... Leben unter mir zu spüren«, versuchte Rhana zu erklären. Sie konnte schwer in Worte fassen, was sie meinte.
»Verstehe«, murmelte Idris, obwohl sich Rhana nicht so sicher war, ob er das wirklich tat. »Dann versuchen wir es morgen ohne. Heute machen wir aber erst einmal mit den Grundlagen weiter«, erklärte er, bevor Rhana seine Stimme nah an ihrem Ohr hörte.
Mit ruhiger Stimme erklärte Idris ihr, wie sie sich bei welchen Manövern zu bewegen hatte. Bisher führte Kisa, was von Idris gewollt zu sein schien. Rhana sollte ein Gefühl dafür bekommen, wie es war zu fliegen, doch diese hatte Mühe, sich auf Kisa zu konzentrieren, sorgte Idris doch jedes Mal für einen schnelleren Herzschlag, wenn er ihr einen kurzen Moment näher kam.
Rhana mochte ihn, doch sie verstand nicht, warum ihr Körper so auf ihn reagierte. Er war zwar recht anziehend und auch sehr stark, doch sie kannte ihn nicht. Gleichzeitig hatte er ihr auf seine Art in dieser kurzen Zeit schon so oft geholfen, dass sie sich kaum vorstellen konnte, wie es wäre, wenn er plötzlich verschwand.
Als sie den Entschluss gefasst hatte, auf die Schule zu gehen, hatte sie erwartet nach ihren Eltern zu suchen und nicht unbedingt, neue Freunde zu finden. Vielleicht sollte sie ihre Erwartungen ein wenig überdenken.
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Die Akademie der Drachen - Das Mal des Todes (Band 1)
FantasyBand 1 der geplanten Dilogie. Rhana ist bald 18 und erbt die Handelsgesellschaft ihres verstorbenen Vaters. Allerdings läuft nicht alles so, wie sie es sich gewünscht hatte. Stattdessen bekommt sie eine Einladung der Königin von Savrana, die sie mit...