Kapitel 9 - Dunkelheit

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Allyssa

Es dauerte, bis ich realisierte, dass mir niemand aufhalf. Ich zog eine Scherbe, so lang wie mein Zeigefinger, aus meiner Schulter und ein paar kleinere aus meinem Unterarm, dann richtete ich mich ächzend auf. Draco lag dort, die Augen geschlossen. Er bewegte sich nicht.

Ich rüttelte an ihm. Mehr Blut drang aus meinen Wunden an den Armen, aber das war mir egal. „Draco!" Ich brüllte ihn an, er solle aufstehen, aber er tat es nicht.

Langsam rappelte ich mich auf, sodass ich stand. Zwar ein bisschen wackelig, aber meine Beine trugen mich noch.

Ich fasste seinen Umhang an den Schultern und schleifte ihn ein Stück zur nächstgelegenen Tür. Er hatte eine dunkelrote Blutlache hinterlassen, dass ich ihn zog, machte es nicht besser. Unsere Blutstropfen vermischten sich auf dem kalten Steinboden und bildeten eine eklige Spur.

Endlich hatte ich es bis zur Tür geschafft, mein Kopf pochte so sehr, ich wusste, dass ich gleich zusammenklappen würde. Ich legte eine Hand an meine linke Seite. Die Platzwunde blutete immer noch wie verrückt und lauter kleine Scherben steckten in meiner Haut.

Aber daran durfte ich jetzt nicht denken.

Mit meinem Fuß stieß ich die Holztür auf. Wir waren wieder in dem runden Raum. Ich ließ Draco mitten liegen und stolperte zu jeder einzelnen Tür, markierte sie, wartete, bis der Raum sich gedreht hatte und probierte dann eine andere. Dass der Raum sich überhaupt drehte machte mein Schwindelgefühl nur noch schlimmer. Fast hätte ich aufgegeben, da erwischte ich die richtige Tür. Ich klemmte meinen Fuß zwischen Tür und Mauer und zog Draco, halb liegend, dass mein Fuß nicht wegrutschte, zu mir. Auf dem Gang draußen schleppte ich ihn und mich in eine Ecke, die erste, die ich mit meiner Wahrnehmung fand und als 'sicher' abstempelte und ließ mich erschöpft an der Wand zu Boden gleiten.

Mein Sichtfeld verschwamm, mein Kopf tat mittlerweile so höllisch weh, dass ich nicht mehr denken konnte. Ich lehnte mich einfach zurück, hob Dracos Kopf auf meine Oberschenkel und strich ihm abwesend durch die Haare.

Durch seine roten Haare. Das Blut saugte sich regelrecht an seine blonden Strähnen. Aber ich realisierte nicht, dass wir apparieren müssten. Wahrscheinlich hätte ich es sowieso nicht geschafft. Es wäre endgültig unser Tod gewesen.

Ich wartete darauf, dass die Dunkelheit über mich hereinbrach und mich verschlingen wollte, aber es passierte nicht.

Ich blieb wach.

Aber ich fühlte nichts mehr.

Irgendwann fing ich an, die Scherben aus meinen Armen zuziehen. Mal große, mal kleine. Ich legte sie ordentlich der Größe nach geordnet auf den Boden neben mich. Immer mehr Blut floss aus meinen Armen.

Eine größere Scherbe in meinem linken Unterarm steckte gefährlich nahe bei meiner Hauptschlagader. Ich entschied mich nach langem Gegrübel, dass mir wie Stunden vorkam, sie steckenzulassen.

Als ich keine Scherben mehr fand, weil mein Blick zu sehr verschwamm, strich ich weiter über Dracos Haare und schloss die Augen.

Ich würde hier sterben. Ich hatte zu viel Blut verloren. Ich würde sterben. Und Draco auch.

Vielleicht war er schon tot. Oder er stirbt gerade.

Wie schön es wäre, jetzt zu sterben. Ich bekam meine Augen nicht mehr auf. Der Schmerz in Armen und Kopf überwältigte mich.

Das bisschen Gehirn, das noch nicht vernebelt war, versuchte mir beizubringen, dass ich kämpfen sollte. 'Wenn du jetzt einschläfst, wachst du nicht mehr auf', flüsterte es mir zu.

„Ich weiß", wisperte ich abwesend.

Nach ein paar Minuten wurde mir klar, dass ich verrückt war. Ich rede mit meinem Gehirn...

Meine Schmerzen und der Blutverlust ließen langsam den einen, noch logischen Teil meines Gehirns, verschwinden.

Fast hatte mich die Dunkelheit geholt, da hörte ich die Stimme meiner Mutter.

Ich hörte nicht auf Dracos Haare zu streicheln, während ich gegen den Nebel in meinem Kopf ankämpfte. Ich drängte ihn zurück, beinahe hatte ich es geschafft meine Augen zu öffnen, da überraschte mich eine noch schwärzere Dunkelheit und verschluckte meinen Verstand.

„Allyssa!"

Ich wollte meiner Mum antworte, wollte nach ihr rufen, wollte den Schmerz rausschreien, aber ich wusste nicht, wie ich schreien sollte. Also ließ ich es. Meine Hoffnung war dahin.

„Allyssa! Wo bist du?!"

Jetzt schrie mein Vater. Auch ihm hätte ich gerne geantwortet, aber ich konnte nicht. Noch weniger als vorher, die Dunkelheit hatte mich übermannt. Ich ließ meinen Kopf zur Seite rollen. Er fiel auf meine Schulter, ohne dass ich etwas mache konnte. Gerade wollte ich loslassen, wollte die Dunkelheit gewinnen lassen, ihr erlauben, dass sie mich nach unten zieht, da spürte ich etwas an meiner Wange.

Ich wurde geschüttelt. Immer und immer heftiger. So heftig, dass ich verwirrt meine Augenlider öffnete. Ich sah unscharf.

Dann sah gar nichts mehr. Meine Kraft verließ mich, ich sackte in mich zusammen.

Wieder dieses Geschüttle.

„Sei stark!" Ich kannte diese Stimme. Mein Vater.

Ich wollte für ihn kämpfen, aber ich schaffte es nicht. Ich würde loslassen. Hauptsache meine Eltern waren am Leben. Sie würden mich vielleicht vermissen, wenn ich sterbe, aber sonst niemand.

Dein Leben ist nur wertvoll wenn du jemanden hast, für den es sich zu sterben lohnt.

Der Satz kam mir ganz plötzlich in den Sinn und er tat mehr weh, als alles andere an diesem Abend.

Ich erinnerte mich nur ungern daran, wer ihn mir einst gesagt hatte.

Aber es war die Wahrheit. Ich hatte niemanden mehr für den ich sterben konnte. Mein Leben war nichts wert.

Plötzlich wollte ich das unbedingt ändern. Ich wollte kein wertloses Leben! Mit einer Kraft, die ich vorher nicht hatte, tauchte ich aus meinem Schattenland auf. Ich schnappte nach Luft und starrte in die grünen Augen meines Vaters.

Er hob mich hoch.

„Draco", flüsterte ich, aber mein Vater nickte mir zu. Mein Kopf war immer noch langsam. Ich verband Kopfnicken, mit 'Es ist alles ok'. Ich hoffte einfach, dass er Recht hatte.

Ich ließ mich in die Arme meines Dads sinken, die Augen jedoch geöffnet. Ich hatte nicht vor sie wieder zu schließen.

„Du bist eine Kämpferin", wisperte er mir zu, Stolz lag in seiner Stimme.

Ich lächelte ihn an, er lächelte zurück.

Eine Sekunde sahen wir uns an. Aber plötzlich bekam mein Vater einen Schlag gegen den Kopf. Er brach zusammen und ließ mich fallen.

Ich krachte mit dem Kopf auf den Boden. Mein Blick verschwamm, und die Dunkelheit verschluckte mich so schnell, dass ich rein gar nichts dagegen tun konnte.





Schwarz.




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Nur Schwarz.







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Alles Schwarz.

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Hello! :)

Danke an alle die meine Geschichte lesen und kommentieren und voten! :**

Ich fahre für eine Woche in den Urlaub und hab dort leider kein Internet. Das nächste Kapitel kommt also erst nächsten Sonntag. Sorry!

Ich wünsch euch eine schöne Woche! :*

The Slytherin Girl - Kalte AugenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt