Kapitel 67 - Im Himmel

3.6K 263 103
                                    

Allyssa

Langsam ließ ich mich auf das weichen Gras sinken und strich mit meinen blutverschmierten Händen darüber. Hier war alles noch grün. Nicht blutgetränkt und niedergetrampelt.

Ich blieb noch kurz sitzen, starrte mit leeren und müden Augen auf den See vor mir.

Müde, ja...

Aber ich war nicht nur müde, weil ich so lange nicht mehr geschlafen hatte.

Ich war müde vom Leben.

Langsam ließ ich mich nach hinten fallen, versuchte meinen schmerzenden Fuß zu ignorieren. Meine Finger ließ ich im Gras vergraben, klammerte mich an die Halme, als wären sie das Einzige, was mich in der Wirklichkeit hielt.

Ich schloss meine Augen und genoss einfach die Sonne auf meinem Gesicht.

Aber plötzlich hörte ich jemanden meinen Namen murmeln und ehe ich irgendetwas kapierte, wurde ich nach oben gezogen. Ich wurde von etwas so Starkem angezogen, dass ich nicht in der Lage war mich zu bewegen oder meine Augen zu öffnen.

Und dann wurde es hell.

Warmer Wind wehte meine Haare umher, ich stand knietief in hohem Gras, dass mich an den Beinen kitzelte.

Verwundert zwickte ich meine Augen zusammen. Nichts. Da war nichts.

Langsam drehte ich mich um.

Und mir stockte der Atem. Fast hätten meine Knie nachgegeben.

Denn ich sah sie.

Ich sah meine große Schwester Rosalie über die riesige Wiese tollen. Ich sah meinen Vater nicht weit von mir, die Arme ausgebreitet. Rose rannte auf ihn zu und schmiss sich um seinen Hals.

Meine Mum betrat die Wiese, einen Kranz aus gelben Dotterblumen im Haar. Ihr langes weißes Kleid wehte im Wind. Sie streckte sich zu Rose und steckte ihr ein Gänseblümchen hinters Ohr. Meine Schwester strahlte Mama an und gab ihr einen raschen Kuss auf die Wange.

Dann sprang sie aus meinem Blickfeld und kam wenig später mit Daphne an der Hand zurück.

Meine Hand wanderte wie von selbst zu meinem Mund, der zu einem stillen Schrei offen stand. Ich wollte weinen.

Weinen und sterben.

Daphnes Haare waren gleichmäßig gelockt und glänzten in der Sommersonne, ihre Augen strahlten wie der blaue Himmel über uns.

Sie trug ein leichtes, hellblaues Kleid, das perfekt zu ihr passte. Als Rose um sie herum tanzte und ihr einen Kranz aus lilanen Krokussen auf den Kopf setzte fing sie an zu lachen.

Endlich hörte ich meine beste Freundin wieder lachen.

Und es klang so wundervoll. Wie das Lachen eines Engels.

Sie drehte sich mit ausgestreckten Armen im Kreis und schrie glücklich gen Himmel.

Ich fing an zu zittern. Mein ganzer Körper zitterte.

Mum und Dad standen dort, hielten sich gegenseitig in den Armen und ihr Lachen hallte über die Wiese.

Ich sah wieder zu Daphne. Sie winkte auf jemanden, kurz darauf rannte Jace auf die Wiese, hob Daphne hoch und drehte sich mit ihr herum. Als beide wieder festen Boden unter den Füßen hatten, drückte Jace seine Lippen liebevoll und zärtlich auf ihre.

Beide lächelten glücklich in den Kuss hinein.


Es war wunderschön hier, doch es verletzte mich zugleich so sehr, dass ich nicht bei ihnen sein konnte. Dass Rose nicht zu mir kam und mir einen Blumenkranz in die Haare setzte. Dass sie mir keinen Kuss auf die Backe gab.

The Slytherin Girl - Kalte AugenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt