Kapitel 48 - Alltag

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Allyssa

Alles war grausam. Hogwarts hatte sich auf einen Schlag geändert. Die Carrows machten alle ihre Drohungen ernst. War man einmal allein auf den Gängen unterwegs wurde man bestraft. Meistens mit dem Cruciatus-Fluch. Aber manchmal auch mit Messern oder Schlägen.

Seamus Finnigan, Neville Longbottom und Dean Thomas hatten es sich zur Aufgabe gemacht, die Carrows zu provozieren. Dafür sahen sie auch ziemlich schlimm aus. Überall blaue Flecken und Schnittwunden. Die Gryffindores sahen sowieso am schlimmsten aus. Letztens sah ich Ginny Weasley mit einem blauen Auge und Cho Chang aus Ravenclaw mit einem tiefen Schnitt an der Wange. Hannah Abbott war letztens im Gang in Tränen ausgebrochen, sie wurde mit dem Crucio gefoltert.

Auch ich wurde nicht verschont. Als einzige Slytherin-Schülerin. Und ich wusste auch warum.


Das Mädchen mit den braunen Locken und den rehbraunen Augen, wie hieß sie noch gleich? Hermine Granger? Ich sah, dass sie Hilfe benötigte. Und ich wusste nicht wieso, aber ich hob meinen Zauberstab den ich mit meiner blutverschmierten Hand umklammerte und schoss zwei blitzschnelle Flüche auf Alecto und Amycus Carrow. Sie fielen wie Statuen um und Hermine drehte sich total überrascht um. Sie zuckte erschrocken zusammen als sie mich erblickte.


Ich wusste noch jedes einzelne Detail dieses Abends, zumindest bis ich Dumbledore getötet hatte. Amycus und Alecto hatten gesehen, dass ich Hermine Granger, einer Muggelstämmigen Gryffindor-Schülerin geholfen hatte. Ich hatte die beiden für eine gewisse Zeit kampfunfähig gemacht.

Jetzt wollten sie das Selbe mit mir machen. Mich kampfunfähig machen oder besser gesagt, mich verletzen und töten.

Es machte ihnen regelrecht Spaß, mich wegen jeder Kleinigkeit zum Nachsitzen zu schicken und dann ihre verdammt vielen Klingen an mir auszuprobieren. Aber ich schrie kein einziges Mal. Ich weinte kein einziges Mal. Ich schloss kein einziges Mal die Augen.

Ein Glück, dass Daphne eine äußerst gute Heilerin war, sie beherrschte die dafür nötigen Zaubersprüche so gut wie niemand anderes. Wegen ihr hatte ich um einiges weniger zu erleiden.

Irgendwann wurde es den Carrows zu langweilig, sie folterten mich mit dem Crucio.

Dafür schloss ich meine Augen und wartete einfach, bis es vorbei war. Aber ich schrie nicht. Diese Genugtuung wollte ich ihnen nicht machen.

Schon etliche Male hätte Draco auch fast eine Strafe bekommen, einfach weil er mich verteidigen und beschützen wollte.

Meine Nerven waren also sowieso schon aufs äußerste gespannt. Und dazu kam noch etwas. Harry Potter und seine zwei besten Freunde hatten sich dieses Jahr natürlich nicht blicken lassen. Und je länger man nichts von ihm hörte, desto größer wurden meine Sorgen, dass er tot sein könnte.

Eines Tages lag ich mal wieder stumm auf meinem Bett und dachte darüber nach.

„Willst du mir nicht endlich erzählen über was du grübelst? Ich merk doch, dass dich was beschäftigt." Daphne setzte sich an meinen Bettrand und strich mir die Haare vom Hals.

Kurz dachte ich darüber nach, aber wenn ich es ihr nicht bald erzähle, würde ich platzen.

Also schwang ich meine Beine auch über die Bettkante und setzte mich neben sie.

„Du weißt doch noch, als Voldemort mich fast umgebracht hätte...", fing ich an und sah, dass Daphne sofort kreidebleich wurde.

„Ich hab ja damals einen Fluch abbekommen, der mir seitdem die Nerven raubt weil er in mir 'lebt' sozusagen. Und ich habe darüber mit Snape gesprochen. Er hat mir erklärt was er herausgefunden hat."

Daphne warf mir einen Blick zu. „Sag schon", flüsterte sie und nahm meine Hand in ihre. Sie war eiskalt.

Ich schnaufte nochmal kurz hörbar, dann sah auch ich Daphne an. „Der Fluch wird immer da sein. Früher oder später wird er mich umbringen. Außer Voldemort wird vorher besiegt. Entweder ich oder Voldemort."

Daphne ließ ihren Kopf sinken, eine Träne rollte über ihre Wange. Ich sah es ihr an, sie hatte soetwas befürchtet.

„Ich war der Meinung Dumbledore wäre meine letzte Hoffnung, aber das stimmt nicht. Snape hat mir die Augen geöffnet", redete ich ruhig weiter.

In den Augen meiner besten Freundin schimmerte Hoffnung, als sie ihren Kopf hob.

„Harry könnt es schaffen. Weil er in der gleichen Situation ist."

„Er oder Voldemort", flüsterte Daphne und in ihrem Gehirn wandelten sich die Fragezeichen wahrscheinlich gerade in Ausrufezeichen um.

„Harry und ich sind also sowas wie Verbündete. Nur weiß er nichts davon..."

„Und deshalb machst du dir jetzt Sorgen er könnte auf seinen geheimen Missionen sterben, denn er ist deine letzte Hoffnung."

Daphne hatte es also verstanden.

„Aber du darfst es nicht Draco erzählen, hörst du?" Ich sah ihr eindringlich in die Augen. „Du weißt, wie sehr er Harry hasst. Er würds nicht verstehen, nicht mal mir zuliebe."

Daphne nickte darauf leicht, dann umarmte sie mich fest. „Wir schaffen das. Wir alle schaffen das!"

Wie gerne hätte ich ihr geglaubt.


~*~


Die Weihnachtsferien über blieb ich in Hogwarts. So schlimm wurde es gar nicht, denn die Carrows widmeten sich zu dieser Zeit wieder ihren Todesseraufgaben und verließen die Schule. Also hatten wir unsere Ruhe. Snape schloss sich im Schulleiterbüro ein und kam die ganzen zwei Wochen nicht mehr heraus. Ich war aber sowieso der Meinung, hätte er Schüler nach 6 Uhr auf den Gängen gesehen, wäre es ihm egal gewesen. McGonagall blühte in den Ferien richtig auf. Sie schmückte mit Professor Flitwick die große Halle wie die andern Jahre zuvor auch und darum erinnerte es irgendwie an die besseren Zeiten in Hogwarts. Alles sah so aus wie früher. Alles duftete wie früher. Alles fühlte sich an wie früher.

Draco wurde nach Hause geholt, aber Daphne blieb bei mir und wir feierten zu zweit ein wunderschönes Weihnachten.

Abends im Bett erinnerte ich mich, dass ich letztes Jahr Weihnachten fast gestorben wäre. Immer noch beschäftigte mich die Frage, ob es nicht besser gewesen wäre.

Aber wer würde dann jetzt Daphne und Draco beschützen?

Schon Anfang Februar schmolz der ganze Schnee einfach so über Nacht und der Frühling setzte ein. Ich fand den Frühling immer am schönsten obwohl wohl eher der Winter die Jahreszeit war, die am Besten zu mir passte. Kalt.

Ich musste mich jedes Mal zwingen, etwas zu lernen, denn ich wurde den Gedanken nicht los, dass wir sowieso keine Prüfungen schreiben würden. Aber Daphne sorgte dafür, dass auch ich mich anstrengte.

Zwei Wochen vor den Osterferien kam ein Brief meiner Mum, dass sie mich gerne wieder mal sehen würde und ob ich in den Ferien nicht nach Hause kommen möchte.

Ich überlegte nicht lange und schrieb ihr, dass ich natürlich kommen würde. Langsam vermisste ich mein Haus, mein Bett, meine vier Wände.

Im Zug war es fast so wie früher, als mein Vater noch lebte, ich noch keine Mörderin war und alles noch nicht so gefährlich aussah. Draco, Daphne und ich plauderten über alles mögliche. Wir redeten und lachten.

Wie konnten wir wissen, dass wir nie wieder so wie jetzt im Zug sitzen würden? Warum hatte uns das Leben nicht gewarnt was passieren würde? Warum sind wir nicht einfach in Hogwarts geblieben?

Dann wäre es nie passiert.



The Slytherin Girl - Kalte AugenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt