Kapitel 10 - "Du mochtest ihn, während du ihn gehasst hast."

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Allyssa

Als ich meine Augen das nächste Mal öffnete starrte ich an eine kahle weiße Decke. War das der Himmel?

Ich blinzelte langsam. Meine Wimpern blieben an etwas hängen. Ich tastete danach. Ein Schlauch. Was zum Teufel hatte ich da im Gesicht?

Ein lautes Piepsen ließ mich zusammenzucken. Ich setzte mich ruckartig auf, wobei ich mir die Nadel der Infusion noch weiter in meine Armbeuge hinein schob. Ein unheimlicher Schmerz durchzuckte für ein paar Sekunden meinen Arm, dann brannte es nur noch.

Ich sah mich um. Ich war in einem Zimmer das ich nicht kannte. Niemand war da. Niemand konnte mir sagen wo ich war. Ich starrte gerade die Wand vor mir an, überlegte, warum dort nicht ein einziges Bild hing, als die Tür aufgestoßen wurde.

„Allyssa, wie geht es dir?" Eine junge Frau mit schulterlangen blonden Haaren und dunkelbraunen Augen kam auf mich zu und setzte sich auf den Rand des Betts.

Ich nickte nur, nicht vor etwas zu sagen.

Sie hob ihre Hände und kam mir immer näher, ihre Hände auf mein Gesicht gerichtet. Ich zuckte zurück, sodass ich fast auf meinem Kissen saß und starrte sie entgeistert an.

„Ich will dir nur den Sauerstoffschlauch abnehmen, Liebes", lächelte sie mich an.

Liebes... Meine Eltern!

Ich riss mir den Schlauch selbst ab, genauso wie die Infusion und sprang vom Bett. Keine so gute Idee. Mir wurde augenblicklich schwindelig und übel. Ich lief zur Toilette, aber ich musste mich nicht übergeben. Wer weiß wie lange ich bewusstlos war, ich hatte wahrscheinlich nichts im Magen.

Die blonde Frau kam auf mich zu und wollte meine Haare zusammenbinden, aber ich sprang auf und giftete sie nur an: „Lassen sie mich in Ruhe!"

Sie schrak zurück, wahrscheinlich wegen meiner Augen und dem Ton, den ich angeschlagen hatte.

„Alyssa, ich will dir nichts tun, ich bin doch nur deine Ärztin", stotterte sie.

„Ich brauche keine Ärztin, mir geht's gut!"

Mit diesen Worten lief ich an ihr vorbei, raus aus dem Zimmer hinaus auf den Gang. Was ich wollte war eine Treppe. Und um zu dieser zu gelangen musste ich den ganzen Gang nach vorne. Mir wurde schnell klar, dass ich im St. Mungos Hospital war, ich kannte diese Station.

Ich starrte jeden der mir über den Weg lief, genau an, immerhin hoffte ich Mum oder Dad zu finden. Oder Draco.

Die Gedanken an den Kampf kamen zurück. Das Blut. Draco, so regungslos.

Mein Verstand drehte durch. Ich fing an zu rennen. Alle starrten mich an. Warum starrten mich immer alle an. Warum verdammt?!

Ich schlitterte um die Ecke und sprintete die Treppe hinauf. So weit, bis ich vor einer kleinen Türe stand. Sie war offen. Ich trat auf das Dach hinaus.

Schon komisch, dass diese Tür offen war, vielleicht hatte ich einfach Glück, aber mir war das gerade ziemlich egal. Ich brauchte nur endlich frische Luft.

Ich stellte mich an die Mauer, die mir bis zur Hüfte reichte und starrte in den Himmel. Ich erinnerte mich, dass ich Draco gegen seinen Willen ins Ministerium mitgenommen hatte.

Jetzt war er tot.

Ein beklemmendes Gefühl machte sich in mir breit.

„Du mochtest ihn Allyssa. Du mochtest ihn, während du ihn gehasst hast", flüsterte ich leise.

Irgendwie hätte ich es schon lange wissen müssen. Ich hatte mir immer Gedanken gemacht, warum er sich nicht zu uns setzt oder warum es zu diesem Streit kam, nach dem wir endgültig nichts mehr miteinander gesprochen hatten. Er musste erst sterben, dass ich es begriff.

The Slytherin Girl - Kalte AugenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt