Schwarze Wahrheit

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Der Schatten in der Mitte donnerte mit tiefer Stimme irgendwelche Befehle. Ich wusste, dass David gesagt hatte, ich solle warten, aber ich würde nicht abwarten bis man mich fand und dann wie ein Schwein zur Schlachtbank führte.
Vorsichtig wagte ich einen Blick nach draußen, dabei drückte etwas an meinen Knöchel.
Ich lehnte mich zurück und stellte fest, dass ich auf einem kleinen Taschenmesser gesessen hatte.
Es war nicht groß, aber es reichte um jemanden zu verletzten. Vielleicht war das Glück doch auf meiner Seite...
Immerhin fühlte ich mich nun nicht mehr ganz so schutzlos. Langsam stand ich auf und schob das Messer in meine Hosentasche.
Mit klopfendem Herzen wagte ich erneut einen Blick in die Halle. Niemand zu sehen. Der Gang war leer.
Ich hielt den Atem an, als ich wackelig ein, zwei Schritte Richtung Ausgang machte. Doch dann hörte ich wieder diese Stimme.
Um in mein Versteck zurückzukehren, war es zu spät und zum Treppenaufgang würde ich es unbemerkt auch nicht mehr schaffen.
Eine Tür zwischen Aufzug und Fahrkartenschalter erweckte meine Aufmerksamkeit und schien der einzige Ausweg zu sein.
Auf einmal war meine Vorsicht vergessen und ich stürmte darauf zu.
Hinter mir schrie jemand. Sie hatten mich entdeckt!
So schnell mich meine Füße trugen, rannte ich auf die Tür zu. Doch bevor ich sie erreichen konnte, legten sich zwei starke Arme um meine Mitte und zogen mich zurück.
Ich schrie.
Der Mann hielt mir die Hand vor den Mund und ich biss ihm reflexartig in die Finger.
In meinem ganzen Leben hatte ich noch nie so viel Angst verspürt, wie in diesem Moment.
Fluchend wurde ich losgelassen.
Sofort flüchtete ich zu der Tür. Mit aller Kraft zog ich daran, allerdings bewegte sie sich nicht einen Millimeter.
„Sie ist verschlossen.", drang diese dunkle Stimme von zuvor an mein Ohr. Schauer liefen mir über den Rücken. Langsam drehte ich mich um. Mein ganzer Körper bebte.
Nur meine Angst und das dadurch entstandene Adrenalin hielten mich noch auf den Beinen.
„Das sehe ich selber.", fauchte ich und drückte den Rücken durch. Wenn ich schon sterben musste, dann wollte ich zumindest sagen können, dass ich meinen Stolz bis zur letzten Sekunde aufrechterhalten hatte.
Mir gegenüber standen drei Männer. Sie alle trugen eine Rüstung aus schwarzem Leder.
Ich hob das Kinn und erwiderte den Blick, desjenigen der gesprochen hatte. Er war groß, hatte breite Schultern und sein Haar hatte bereits einen gräulichen Schimmer. Ein beeindruckender Mann.
„Sie ist hübsch.", meinte ein anderer. Er hatte blonde Haare und war nicht viel älter als ich. Er war derjenige, der mir am wenigsten Angst machte. In seinen Augen lag zu viel Wärme und Freundlichkeit für einen kalten Mörder.
Der Dritte war ein Hüne von Mann. Er war mindestens zwei Meter groß und seine orangenen Haare, hatte er im Nacken zu einem kleinen Zopf zusammengebunden. Außerdem rieb er sich die rechte Hand. Erkennen breitete sich in mir aus. Ihn hatte ich also gebissen. Mein Blick zuckte von seinen Fingern zu seinem Gesicht. Er zog eine Augenbraue in die Höhe und bedachte mich mit einem strengen Blick. Wer waren diese Männer? Oder besser: Was waren sie? So wie sie gekleidet waren, kamen sie nicht aus dieser Gegend, geschweige denn aus dieser Zeit!
„Was hast du denn auch erwartet? Ihr Vater hat eben einen guten Geschmack.", erwiderte der Riese mit einem schelmischen Grinsen. Aber ihre Worte erschreckten mich viel mehr, als ihre Anwesenheit.
„Mein Vater ist tot.", meinte ich trocken und griff unbewusst an die Kette um meinem Hals.
„Na ich glaube, dass sieht er ein bisschen anders, nicht wahr Lucas?", fragte der Hüne und stupste den blonden Jungen mit dem Ellenbogen in die Seite. Offensichtlicher Weise amüsierte er sich köstlich.
„Deine Mutter hat einen großen Fehler gemacht.", erklärte der Grauhaarige. In meinem Kopf drehte sich alles. Wären nicht diese unzählig viele Fragen, wäre ich bestimmt schon zusammengebrochen.
„Wer zum Teufel seid ihr?", fragte ich um Zeit zu schinden. David müsste jede Sekunde eintreffen.
„Das wirst du noch früh genug erfahren, Prinzessin.", grollte eine tiefe Stimme hinter mir.
Sofort zog ich das Messer aus meiner Tasche, fuhr herum und erstarrte.
Denn das was ich zu sehen bekam, raubte mir den Atem. Ein junger Mann. Mitte Zwanzig. Groß gewachsen, schwarze Haare und eine kleine Narbe, die seine linke Augenbraue etwas teilte und ihm etwas Verwegenes verlieh. Letztlich waren es jedoch seine Augen, die mich in ihren Bann zogen. Dunkelblau wie die tiefsten Tiefen des Ozeans.
Für wenige Augenblicke zeichnete sich so etwas wie Unglauben und Überraschung in ihnen ab. Aber der schöne Fremde hatte sich so schnell wieder unter Kontrolle, dass ich es mir auch nur eingebildet haben könnte.
„Sie ist definitiv Gabriels Tochter.", stellte er fest.
In diesem Moment hörte ich Schritte die U-Bahn-Treppe hinunterpoltern. Die anderen hörten es ebenfalls und noch bevor ich überhaupt reagieren konnte, wurde ich mit einer Hand auf den Lippen hart an die Wand gedrückt. Die beiden Ozeane bohrten sich tief in meine Augen.
Ich konnte seinen Atem auf meiner Haut spüren, so nah war er mir. Die anderen drei standen geduckt und mit Schwertern bewaffnet vor uns. Moment mal: Schwertern?! Das waren wirklich Schwerter! Die waren ja vollkommen wahnsinnig!
„Liz?", fragte jemand leise und sofort richtete sich meine Aufmerksamkeit auf David. Er hatte ja keine Ahnung, dass diese Männer bewaffnet waren. Wenn ihm etwas passierte, war es meine Schuld.
Augenblicklich begann ich zu zappeln und versuchte zu schreien. Vor uns drehte der Grauhaarige sich um. „Bring sie zum Schweigen Darian!", zischte er und sah mich drohend an.
Aber ich dachte nicht daran. Darian – mit den wunderschönen Augen – antwortete etwas, dass ich nicht verstand. Aber ich hatte gerade etwas anderes entdeckt. Etwas, dass mir die Sprache verschlug.
Es waren seine Eckzähne. Darians Eckzähne! Sie waren zu lang und zu spitz. Darian bemerkte, dass ich plötzlich aufgehört hatte, mich wie eine Irre zu benehmen.
Auf seine Lippen schlich sich ein triumphierendes Lächeln, als er erkannte, was mir solche Angst machte.
ER WAR EIN VAMPIR!!!! EIN VERDAMMTER VAMPIR! EIN WESEN, DASS ES EIGENTLICH GAR NICHT GEBEN DÜRFTE!!!
Vor lauter Angst rutschte mir das Messer aus der Hand. Mit einem dumpfen Geräusch kam es auf dem Boden auf. Entgeistert drehten sich drei Gesichter zu uns herum und auch die Schritte kamen nun in unsere Richtung. Sofort war mein Kampfgeist wieder erwacht.
„Liz? Ich bin es nur. David. Du kannst rauskommen. Es ist alles okay."
Irgendwie schaffte ich es Darians Finger kurzzeitig von meinen Lippen zu bekommen.
„DAVID LAUF WEG!", schrie ich und dann brach das Chaos aus. Die drei fremden Männer stürzten in den Bahnhof und Kampfgeräusche drangen an mein Ohr. Darian hob mich ein Stück in die Luft, knallte mich wieder an die Wand und drückte mir seinen Arm auf den Hals. „Bist du verrückt geworden?", brüllte er mich an, während ich nach Luft röchelte und versuchte seinen Arm von meinen Hals zu schieben. In einem Reflex riss ich mein Knie hoch und traf. Er stöhnte auf und ließ mich los. Ich fiel auf den Boden, holte ein paar Mal tief Luft, ehe ich mich aufrappelte und davonlief.
Vor mir herrschte Krieg. David war nicht alleine gekommen. Er und drei andere Jungs, baten den Vampiren die Stirn. Sie waren selbst mit Schwertern ausgerüstet. Schnell bahnte ich mir einen Weg durch die Kämpfenden, bis zur Oberfläche. Der schwarze Himmel begrüßte mich. Es regnete noch immer. An dem Geländer neben mir, glühte eine Zigarette auf. Ich trat einige Schritte näher, ehe ich wieder zurückwich.
„Du?", fragte ich und konnte meine Wut nur schwer zurückdrängen.
„Ach Elizabell, du siehst aus, als hättest du einen Geist gesehen. Geht es dir gut?", stellte er die Gegenfrage und blies kalten Zigarettenrauch in die Nachtluft hinaus.
„Du fragst mich nicht gerade ernsthaft, ob es mir gut geht? Du Bastard!" Ich ballte die Hände zu Fäusten und versuchte nicht auf ihn loszugehen.
„Dann haben sie dich also gefunden.", stellte er fest und grinste idiotisch. „Aber da du bald eine von uns sein wirst, tut es nun auch nichts mehr zur Sache, dass ich ein bisschen nachgeholfen habe, oder?"
Als er lächelte, sah ich die längeren Eckzähne in seinem Mund und auf einmal ergab sein ganzes Verhalten einen Sinn.
„Du bist ein Monster, Casper!", schrie ich und lief in die entgegengesetzte Richtung.
Hinter mir hörte ich wie er mit jemandem anderem sprach. „Sie ist dort lang gelaufen."
Keine Minute später wurde ich zu von etwas zu Boden geworfen. Hart schlug ich auf dem nassen Boden auf und versuchte dem Körper, der auf mir lag, zu entkommen. Doch er war mindestens dreimal so schwer wie ich.
Sein heißer Atem strich an meinem Nacken entlang und ich erstarrte. Seine Lippen fuhren seitlich an meinem Hals entlang.
Er war ein Vampir und Vampire ernährten sich von Blut und er war gerade definitiv zu nah an meiner Halsschlagader.
„Ich kann dein Herz hören.", flüsterte er rau. „Es schlägt viermal schneller als es sollte."
„Das ist normal, wenn man gerade erfahren hat, dass sein totgeglaubter Vater noch lebt und zusätzlich mit der Existenz von Vampiren konfrontiert wird.", konterte ich und versuchte unter ihm rauszukommen. Alles war mir egal, Hauptsache er nahm seine Lippen von meinem Hals. Plötzlich zog er mich hoch und schubste mich in Richtung des Transporters. Er öffnete die Hintertüren und noch bevor ich versuchen konnte, zwei Schritte von ihm weg zu machen, hatte er bereits mein Handgelenk gepackt und riss mich daran zurück.
Ich rutschte auf dem nassen Boden aus und fiel.
Bevor ich aufgefangen werden konnte, schlug ich mit dem Kopf gegen eine der Autotüren. Schmerz durchfuhr meinen Körper und kurz darauf begrüßte mich die Schwärze der Bewusstlosigkeit.

TeufelsherzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt