Meine Hände, die eben noch gezittert hatten, wurden ruhig und formten sich zu Fäusten und in dieser düsteren Umgebung legte sich doch tatsächlich ein Lächeln auf meine Lippen.
„Hörst du schlecht oder was?!", fuhr mich in diesem Moment jemand an und erst jetzt klärte sich mein Blick und ich begriff, dass seit Minuten jemand auf mich einredete.
Dieser Jemand war – welch Überraschung – Darian.
Sofort wischte ich das Lächeln fort und blickte ihn kalt an.
„Oh ich höre sehr gut.", entgegnete ich. „Allerdings nur, wenn ich der Meinung bin, es wäre wichtig."
Darians Mine verfinsterte sich und ein triumphierender Schimmer trat in meine Augen. Indirekt hatte ich ihm gerade gesagt, dass er unwichtig war.
„Wir reiten weiter!", grummelte er und saugte jeder meiner Bewegungen mit seinem Blick auf.
„Und warum sollte mich das interessieren?", fragte ich und verschränkte die Arme vor der Brust.
„Weil... Warum erkläre ich dir das überhaupt?", brauste er auf und ich musste mir ein Lachen verkneifen.
„Du bist hier nur die Gefangene.", bestimmte er und griff nach meinem Arm.
Ich wich nach hinten aus und starrte ihn herausfordernd an.
„Mag sein, dass ich NUR eine Gefangene bin. Aber ich bin noch immer ein Wesen mit Hirn und Herz, okay? Und solange beides noch intakt ist, werde ich mir von dir nichts sagen lassen. Ist das angekommen?", schleuderte ich zurück und lächelte mutig.
Zufrieden sah ich zu, wie sein kaltes Gesicht sich in ein Fassungsloses verwandelte.
Dann drehte ich mich um und marschierte auf das Pferd von Lucas zu.
Ich konnte alleine reiten.
Sollte Mister „Ich-Bin-Der-Ach-So-Böse-Vampirboss" selber schauen wie er klar kam.
Ich für meinen Teil, hatte keinen Bock mehr auf seine Spielchen.
Offenbar konnte er sich nämlich nicht entscheiden wie er zu mir stand.
Und solange er sich nicht sicher war, ob er ich Freund, Feind oder doch NUR die Gefangene war, konnte er mich mal am Allerwertesten...
Bevor ich das Pferd allerdings erreichen konnte, legten sich ein Paar Arme um meine Brust und zogen mir den Boden unter Füßen weg.
Mein Rücken wurde schmerzhaft gegen einen Oberkörper gedrückt und ich schaffte es nur knapp nicht aufzuschreien.
„Lass mich sofort runter!", keifte ich und trat um mich.
„Sei still!", drohte er nur und schleppte mich zu seinem Pferd.
„Vergiss es!", brüllte ich und wehrte mich mit Leibeskräften.
„Muss ich dir erst den Mund stopfen, damit du endlich die Klappe hältst und tust was man von dir verlangt?", fragte er und hob mich auf den Rücken seines Tieres.
Bevor er selber aufsteigen konnte, sprang ich auf der entgegengesetzten Seite wieder hinab und rannte los.
Bevor ich den Weg jedoch verlassen konnte, fing er mich wieder ein.
Ich begann zu schreien und ihn zu beleidigen und keine Sekunde später drückte er mir seine Hand auf den Mund.
„Ich habe dir gesagt, dass du still sein sollst!", zischte er und ein kalter Schauer lief mir über den Körper.
Irgendwie schaffte ich es mich aus seinem Griff zu befreien.
„Und ich habe dir gesagt, dass du mich nicht anfassen sollst!", keuchte ich und versuchte nicht in die Knie zu gehen.
„Hab ich wohl vergessen.", tat er meine Worte ab, erwischte mich wieder und warf mich über seine Schulter.
Ich spürte wie die Wunden auf meinem Rücken aufrissen und begann laut zu fluchen.
Hätte John zuvor nicht einen extradicken Verband um meinen Körper gewickelt, wäre der graue Pullover spätestens jetzt rot durchtränkt.
Laut fluchte ich auf und versuchte krampfhaft ihn nicht anzuflehen mich runterzulassen.
„Du bleibst jetzt genau da sitzen und wenn du auch nur daran denkst, abzusteigen dann darfst du die nächsten Tage auf dem Bauch liegend vor mir reiten!", drohte er und setzte mich zum zweiten Mal auf seinen Hengst.
Dieses Mal blieb ich tatsächlich sitzen. Aber nicht weil ich Angst vor ihm oder seiner Drohung hatte, sondern weil meine Welt auf einmal unklar verschwamm.
Als würde man bei Regen durch die Frontscheibe eines Autos blicken.
Die verwundeten Stellen auf meinem Rücken und meiner Schulter pulsierten.
Meine Welt schwankte und ich fühlte mich, als würde ich jede Sekunde ohnmächtig umkippen.
Plötzlich bekam ich keine Luft mehr und begann panisch nach Luft zu schnappen.
„Hilfe!", keuchte ich und legte mir die Hand auf den Hals.
Panik überfiel meinen Körper und ich verlor die Kontrolle über meinen Körper.
„Elizabell?", drang Darians Stimme an mein Ohr.
Aber ich hörte ihn kaum. Es war als wäre alles unsagbar weit weg.
„Hilf mir!", japste ich leise und ohne Kraft.
Dann kippte meine Sicht, aber nicht weil ich bewusstlos wurde, sondern weil ich vom Pferd fiel.
Als mein Rücken auf dem Boden aufschlug, schrie ich schmerzgepeinigt auf.
Tausende kleine Steinchen bohrten sich in die Wunden.
Luft bekam ich jedoch noch immer nicht.
Wie in Trance bemerkte ich, wie Arme mich hochhoben und auf etwas Weiches betteten.
Und dann, aus dem Nichts, kamen die Schmerzen.
In meiner rechten Handfläche und von dort zog es hoch in meinen Arm.
Ich schrie und versuchte panisch zu atmen.
Doch mein Körper reagierte nicht.
Angst überflutete mich und vermischte sich mit dem Schmerz zu einer unbeschreiblichen Mischung.
„Mach, dass es aufhört!", brüllte ich und bäumte mich auf.
Etwas Kaltes wurde mich auf die Stirn gepresst.
Wie lange ich mit mir selber kämpfte, wusste ich nicht.
Doch es dauerte seine Zeit.
Irgendwann ergab ich mich und ließ den Schmerzen die Oberhand.
Keine Minute später tauchte ich in das bekannte Schwarz der Bewusstlosigkeit ein.
Das erste das ich bemerkte als ich aufwachte, war ein scharfes Brennen in meiner rechten Handfläche.
Es kostete mich einige Kraft mich aufzusetzen, doch als ich es geschafft hatte, bemerkte ich, dass ich in einem Bett lag.
In einem richtigen Bett. Mit Kissen, Decke und Matratze.
„Wo bin ich?", flüsterte ich heiser und fasste mir an die Stirn.
Ein komisches Zischen ließ mich hellhörig werden und ich senkte meinen Arm wieder.
Vorsichtig begutachtete ich erst meine linke Hand und wandte mich danach der Rechten zu.
Schwarze Muster und Linien schlängelten sich von meiner Schulter über meinen Ellenbogen bis hin zu meinem Handrücken.
Dort verschwanden die feinen Linien zwischen meinen Fingern.
Minutenlang starrte ich darauf und versuchte zu begreifen, was ich da sah.
Schließlich schaffte ich es und drehte meine Hand um.
In meiner Handfläche formten die schwarzen Linien ein Bild.
Aber nicht irgendeins. Sondern einen Wolf.
Oder besser gesagt: Einen Wolfskopf.
Und er sah mir genau in die Augen.
Schwarze Schatten umrahmten sein Gesicht und ich hatte das Gefühl, dass er sich sogar bewegte.
Offensichtlich drehte ich durch.
Das war doch verrückt.
Meine Hand begann zu zittern.
Die Augen des Wolfkopfes blinzelten und er schien mich anzugrinsen!
Das war's! Ich wurde völlig verrückt!
„Was bist du?", fragte ich leise und erstarrte, als der Wolf den Kopf schief legte und mit den Ohren wackelte.
Das konnte doch nicht wahr sein!
Um meine Lage mal kurz zusammenzufassen:
Ich wachte in einem fremden Bett auf.
Hatte keine Ahnung was in den letzten Stunden oder Tagen passiert war.
Dafür hatte ich ein Tattoo, das meinen ganzen rechten Arm verzierte UND so wie es aussah lebte.
Alles in allem hatte ich mich schon in viel schlimmeren Situationen widergefunden.
Ein lebendes Tattoo war doch nun wirklich kein Grund zur Panik!
„So tragisch ist das alles gar nicht.", versuchte ich mir selber einzureden, allerdings klang meine Stimme selbst in meinen Ohren viel zu panisch.
„Du wolltest doch eigentlich schon immer ein Tattoo haben. Ich hab's mir zwar nicht so groß vorgestellt und es sollte eigentlich kein Eigenleben haben, aber hey: Dafür bin ich wohl die Einzige die Ding auf dem Körper trägt. Machen wir also das Beste daraus. Solange du mich in Ruhe lässt, kleiner Wolf, können wir Freunde sein, verstanden?", fragte ich. Eine Antwort bekam ich natürlich nicht. Aber es machte den Anschein, als würde der Wolf sich köstlich über mich amüsieren.
Ich saß also alleine hier in einem unbekannten Raum und redete mit meiner Handfläche.
Wo waren die Männer mit der weißen Jacke mit den netten verschränkten Ärmeln?
„Kein Grund zur Panik.", beruhigte ich mich und ließ die Hand sinken. Ich würde mich wohl daran gewöhnen müssen, dass auf meiner Handfläche nun jemand wohnte.
Ein berechtigter Grund zur Panik war jedoch das laute Knurren meines Magens, dass die Stille schließlich durchbrach.
Matt fuhr ich mir durch die Haare und schüttelte die schön warme Bettdecke zur Seite.
So gut hatte ich schon lange nicht mehr geschlafen, musste ich zugeben. Was wahrscheinlich daran lag, dass mehr eine Bewusstlosigkeit war.
Mit nackten Füßen lief ich durch das kleine Zimmer und blieb schlussendlich vor dem großen Fenster stehen.
Der Raum war relativ klein und ziemlich lieblos eingerichtet.
Es gab einen Kleiderschrank, einen kleinen Schreibtisch, das Bett und eine Tür.
Die Wände waren weiß. Der Boden waren dunkle Holzdielen.
Als ich aus dem Fenster spähte war ich überrascht.
Überall waren Häuser. Eine Häuserzeile neben der nächsten.
Vor mir war eine Art Marktplatz, an dem viele Stände aufgereiht waren.
Ich war in einer Stadt?
Es wirkte zwar alles ein wenig altmodisch, aber dennoch war ich wie verzaubert. So schön war es. Überall liefen Leute in mittelalterlicher Kleidung herum, ähnlich wie Darian und seine Männer.
Behutsam öffnete ich das Fenster und lehnte mich hinaus.
Ich war im zweiten Stock eines großen Gebäudes.
Ein warmer Wind wehte mir um das Gesicht und trieb einen süßlichen Duft zu mir hinauf.
Geschäftiger Lärm drang an mein Ohr und unwillkürlich stahl sich ein Lächeln auf meine Lippen.
Es gefiel mir.
Als ich mich endlich sattgesehen hatte, kehrte ich in mein Zimmer zurück und ging zu dem Kleiderschrank, denn ich hatte bei einem Blick in den Spiegel feststellen dürfen, dass ich nur noch ein großes T-Shirt und meine Unterwäsche trug.
So leise wie es nur ging öffnete ich den Schrank.
Ehrlich gesagt überraschte es mich kaum, dass ich nur männliche Kleidung vorfand, welche mich verdächtig an Darians erinnerte.
Wo war er überhaupt?
Nicht, dass ich ihn vermisste. Nein. Ich war nur überrascht und verwirrt.
Seine Sachen waren hier, was wohl hieß, dass er und ich uns dieses Zimmer teilten.
Die Frage war nur, wo er dann steckte.
Nun gut, ich würde auch ohne ihn überleben.
Nach kurzen Wühlen in seiner Kleidung griff ich nach einer engen dunklen Hose und schlüpfte hinein.
Während ich die Hose zuknöpfte, fiel mir auf einmal auf, dass mein Rücken gar nicht mehr schmerzte.
Konnte es sein, dass die Wunden verheilt waren?
So schnell?
Mit den Händen griff ich über meine Schulter und versuchte etwas zu ertasten, aber ich kam nicht dran.
Schnell zog mir das Shirt über den Kopf und ließ es auf den Boden fallen, so dass ich nun oberkörperfrei im Raum stand.
Danach drehte ich mich so, dass mein Rücken zum Spiegel stand.
So gut es ging, blickte ich nach hinten in den Spiegel.
Die langen Schnitte, die der Schattenwolf mit seinen Krallen hinterlassen hatte, waren verschwunden.
Stattdessen war dort nur makellose Haut, als ob nie etwas gewesen wäre.
Ungläubig starrte ich auf meinen Körper und konnte meinen Augen kaum glauben.
Immer und immer wieder blickte ich über meine Schulter um mich davon zu überzeugen, dass ich nicht einfach nur träumte.
Aber es blieb dabei.
Nichts war mehr zu sehen.
„Verrückt!", flüsterte ich und schüttelte den Kopf.
Plötzlich hörte ich Stimmen und wie ein Schlüssel in einem Schloss herumgedreht wurde.
Zu spät begriff ich, dass der Schlüssel wohl zu diesem Zimmer gehörte.
Bevor ich reagieren konnte, flog die Tür auf und Darian kam herein.
Er lachte, rief etwas in den Flur und schloss die Türe wieder.
Dann drehte er sich herum und wir begannen zeitgleich zu schreien.
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Teufelsherz
FantasyDies ist die Legende über eine verschwundene Prinzessin und eine längst vergessene Welt. Eine Welt, die unter der unseren existiert. Eine Welt in der Blut Macht bedeutet. Elizabell hat alles was sich eine junge Frau wünschen kann: Einen Fre...