Die Hölle über mir

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"Verdammt!", hörten wir plötzlich eine Stimme schreien. "Du sollst sie doch nicht umbringen!"
Ich stand bis zu den Waden im Fluss und versuchte in der Dunkelheit vor uns irgendetwas zu erkennen, doch es war unmöglich. Zumindest für menschliche Augen.
Anik stand neben mir und hielt meine Hand fest umschlungen.
Vor uns stand Darian und starrte böse in den Wald der wie eine schwarze Mauer vor uns hinauf ragte.
Alles was noch vor wenigen Stunden so friedlich und still gewirkt hatte, hatte sich zu einer tödlichen Falle entwickelt.
Darian bückte sich und zog aus jedem seiner Schuhe einen Dolch.
"Und ich habe ernsthaft an einen ruhigen Abend geglaubt.", knurrte er und ließ die Waffen jeweils einmal um seine Handgelenke kreisen.
"Du tun nicht brauchen zu haben Angst.", versuchte Anik mich zu beschwichtigen und grinste mich zahnlos an. "Prinz tun retten uns." Liebevoll tätschelte er meinen Handrücken.
"Ich hoffe es doch.", antwortete ich leise und versuchte meine Angst zu verdrängen.
"Nein, ich tun wissen.", versicherte er und deutete mit seinem knochigen Zeigefinger auf seinen Kopf.
Ich nickte nur und atmete tief durch. In diesem Moment - in dieser Situation - wollte ich mich nicht auf die Weissagung eines alten Mannes verlassen.
Darian stand geduckt vor uns und ich könnte schwören, dass seine Augen glühten.
Anik summte irgendeine Melodie vor sich hin und schien die ansteigende Spannung um ihn herum nicht zu begreifen.
Der Fluss war eiskalt und meine ersten Zehen waren bereits taub. Aber das nahm ich in Kauf. Gerne sogar. Hauptsache ich musste nicht näher an den Wald heran.
Langsam ließ ich meinen Blick über die Umgebung wandern, als ich ihn sah. Einen großen Schatten an einem der vorderen Bäume.
Ich sah genauer hin. Ein paar bekannte Augen erwiderten meinen Blick kalt.
Erschreckt taumelte ich zurück.
Fast wäre ich ins Wasser gefallen, wenn Anik mich nicht im letzten Moment noch zurückgezogen hätte.
"Noch immer so tollpatschig, Liz?", fragte er und kam kopfschüttelnd aus der Dunkelheit hervor.
Entsetzt sah ich ihn an. "David?"
Darian fuhr in seine Richtung herum und kam näher zu uns.
"Prinzessin." Er verbeugte sich und lächelte spöttisch.
Es fühlte sich an, als hätte mir jemand ein Messer ins Herz gerammt und würde es langsam herumdrehen.
"Das glaube ich nicht." Mutig löste ich mich von Anik und stellte mich neben Darian. "David, das bist doch nicht du."
Mein Kopf wollte einfach nicht begreifen, dass das hier die Wirklichkeit war.
"Wenn du das glaubst, dann solltest du dich fragen, ob du mich jemals richtig gekannt hast." Ein Funken Enttäuschung blitzte in seinen Augen auf. Doch so schnell wie er gekommen war, war er auch wieder verschwunden. "Das bin ich, Liz. Ein Lügner. Ein Jäger. Ein Mörder. Und es war so leicht, dir etwas vorzumachen. Du warst einfach von Anfang an zu gutgläubig, so versessen darauf, dass jemand deine Liebe erwidert. Du hast sie alle geschluckt. Alle meine Lügen. Alle meine Ausreden." Er lachte. "Und die waren nicht einmal besonders gut."
Tränen sammelten sich in meinen Augen. "Ich glaube dir kein Wort."
"Solltest du aber lieber." Seine Stimme war nun drohend. "Hat dir dein geliebter Darian, denn gar nicht erzählt, WER ich bin?" Er blickte Darian hasserfüllt an und gab sich keine Mühe, seine Gefühle unter Kontrolle zu halten. "Hat er dir nicht erzählt, dass ich gefährlich bin? Hat er nicht das kleinste Wort darüber verloren, WIE gefährlich ich bin?" Langsam schloss er die Augen, während ich mit meiner Fassung rang. Als er seine Augen wieder öffnete waren sie rot. Blutrot. Ohne hinzusehen wusste ich, dass ebenfalls seine Eckzähne sich verändert hatten. Sie waren länger, als bei einem gewöhnlichen Menschen.
Und in diesem Moment wurde die Enttäuschung in mir zu Wut. Zu Wut und Hass.
"Sag mir nur ein einziges Mal die Wahrheit." Meine Stimme klang überraschend fest. "Hast du mich jemals wirklich geliebt?"
Neben mir spannte Darian sich unwillkürlich an und blickte mich aus dem Augenwinkel heraus an.
Ein, zwei Minuten blieb David still und sah mich nur an.
"Ja, habe ich." Er senkte den Blick und ich konnte sehen, dass er schluckte "Aber glaub mir, für diesen Fehler musste ich bezahlen."
"Du nennst es einen Fehler, mich geliebt zu haben?!" Mit jeder Sekunde fiel es mir schwerer meine Wut zu kontrollieren.
"Oh ja!", sagte er nur und ich wandte mich schnaubend ab.
"Wenn es alles so schlimm für dich war, warum bist du dann hier?", fragte ich und verschränkte die Arme voreinander.
Herausfordernd erwiderte ich seinen kalten Blick.
"Weil es mein Job ist." Sein Blick wurde ein Stück dunkler und er schien mich förmlich mit seinen Blicken aufzuspießen. "Es ist mein Job, dafür zu sorgen, dass du deinen Vater niemals erreichst."
Und das war der Zeitpunkt, in dem ich komplett abdrehte.
Ich riss Darian einen der Dolche aus der Hand, brüllte auf und wollte mich auf David stürzen.
"Lizabell!", schrie Darian und erwischte mich im letzten Moment am Handgelenk.
Unkontrolliert schlug ich um mich und brüllte ihn an, mich loszulassen.
"Ich werde ihn umbringen!", schwor ich "Lass mich los und ich werds ihm zeigen! LASS MICH LOS VERDAMMT!"
Darian schlang seine Arme um mich und zog mich an sich. "Das glaub ich dir ja auch, aber das ist doch genau das was er will!" Seine Stimme war leise. Leise und so unglaublich beruhigend.
"Er soll bezahlen.", forderte ich und mein Blick blitzte zu dem Mann, den ich einmal geliebt hatte. "Er soll bezahlen für all die Lügen."
"Das wird er.", versicherte Darian. Seine Hand wanderte langsam an meinen Arm hinab und legte sich schließlich um meine Finger, die den Dolch umklammert hielten. "Das wird er. Versprochen."
Ganz langsam erschlaffte meine Gegenwehr und ich ließ zu, dass er die Waffe wieder an sich nahm.
"Ich hasse ihn.", wisperte ich. Jetzt wo der Zorn verflogen war, blieb nichts zurück als Enttäuschung und Trauer und diese Mischung war unglaublich schmerzhaft.
Hinter uns lachte David. "Oh nein Liz." Ein selbstgefälliges Grinsen lag auf seinen Zügen. "Du hasst nicht mich, du hasst dich selber, weil du weißt, dass du mich niemals hassen kannst."
"Du bist ein Monster!", entgegnete ich matt und versuchte die Tränen zurückzudrängen.
"Diese Einsicht kommt ein bisschen zu spät, meine Liebe.", behauptete er und entblößte zwei lange Fangzähne.
"Nenn sie nicht so!", ging Darian dazwischen.
Davids Lächeln wurde breiter und er begann gemächlich vor uns her zu schlendern.
"Fast hätte ich vergessen, dass du etwas in ihr gefunden hast.", schmunzelte er und blickte er zu mir und dann zu Darian.
"Das geht dich gar nichts an.", knurrte er und ich konnte es kurz rot in seinen Augen auffunkeln sehen.
"Und wie mich das etwas angeht. Immerhin ist sie meine Ex. Widert es dich denn gar nicht an, dass alles was du jemals berührst, vorher mir gehört hat?" Provozierend zog er seine Augenbrauen kurz in die Höhe. "Jedes noch so kleine Stück Haut. Jede noch so kleine Stelle. Meins."
Darians Blick zuckte zu mir. Unsicherheit flackerte darin auf.
Ich schüttelte kaum merklich den Kopf. "Hör nicht auf ihn. Seit du da bist, ist es anders. Alles ist anders."
"Genau Darian hör auf sie. Hör auf sie, nimm ihre Hand und reite mit ihr ins Happy End, aber denk immer daran, dass ich das Gleiche schon zuvor mit ihr gemacht hab.", ärgerte David ihn weiter.
Darian schob mich unsanft ein Stück hinter sich und hielt mich dort mit einer Hand zurück.
Seine Körperhaltung war steif und mir wurde klar, dass David auf dem besten Weg war sein Ziel zu erreichen: Er wollte Darian zum Ausrasten bringen, damit er Fehler beging.
Viel konnte ich nicht mehr machen, denn so wie Darian gerade reagiert hatte, war seine Entscheidung bereits klar. Er würde ihn angreifen.
"Halt die Klappe." Darians Stimme war dunkel und bedrohlich.
Tapfer griff ich nach seiner Hand, die mich auf meiner Stelle hielt und verschränkte seine Finger mit meinen. So dass David es nicht sah.
Als Darians Haltung ein wenig lockerer wurde, wusste ich das ich gewonnen hatte.
"Warum sollte ich? Siehst du ihre Lippen?", machte David weiter. Noch immer dachte er, dass er eine Chance hatte. "Diese wollen dunklen Lippen? Stell dir vor du küsst sie, musst aber immer daran denken, dass ich vor dir dort war und meine Zunge in ihren Hals gesteckt habe."
Darian reckte sein Kinn in die Höhe und lächelte triumphierend. "Weißt du was der Unterschied zwischen uns ist?" David machte eine auffordernde Geste und grinste. Er war sich seines Sieges wohl schon sehr sicher.
"Ich kann nicht nur besser Küssen..." Unvollendet ließ er den Satz in der Luft hängen und ich bekam einen roten Kopf.
Verwirrt zog David die Stirn kraus.
Diesen Moment nutzte Darian und stürzte sich auf David.
Und dann brach die Hölle aus.

TeufelsherzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt