Familie

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"Papa?", echote ich und riss ungläubig die Augen auf. "Ich hab mich doch verhört!!"
Die beiden kleinen Umrisse, die gerade auf Adam zustürmten, sagten jedoch etwas anderes. 
Ich konnte es einfach nicht glauben, als ich beobachtete wie der Grauhaarige seine Tasche fallen ließ und die beiden blonden Knäule in seine Arme schloss.
Es war eine herzergreifende Szene und mir klappte - wortwörtlich - die Kinnlade hinunter.
Adam war wohl der letzte, von dem ich erwartete, dass er Kinder hatte. Beziehungsweise eine Familie. Denn Kinder waren ja nicht möglich ohne Seelengefährten.
In diesem Moment kam eine dritte Person aus dem Haus und rannte auf uns zu.
"ADAM!!", rief eine Frauenstimme.
Dieser richtete sich auf und fiel der Unbekannten um den Hals.
Hätte Lucas mich nicht hinter sich hergezogen, würde ich wohl noch immer auf der selben Stelle verharren.
"Lucas!", riefen die beiden kleinen Mädchen nun und stürzten sich auf ihn.
"Hey!", lachte er nur und ließ sich von ihnen zu Boden reißen. "Nicht so stürmisch!"
Kichernd kuschelten die beiden sich an sich. Offenbar waren alle der Männer bereits vertraut mit Adams Familie.
Nur ich nicht.
Unwillkürlich durchzog mich ein komisches Unwohlsein. Ich war nicht gerne die Aussenseiterin. Oder - wie in diesem Fall - die Fremde. Doch daran würde ich mich wohl gewöhnen müssen. Immerhin war das hier nicht meine Welt.
Mit jedem Tag hier, wurde es allerdings schwerer, das nicht zu vergessen.
Ein Zupfen an meinem Ärmel riss mich schließlich aus meinen Gedanken.
"Und du bist eine echte Prinzessin?", fragte eine zarte Stimme mich.
Sofort lächelte ich und ging vor ihr und ihrer Schwester in die Hocke. Die beiden Mädchen mussten im gleichen Alter sein, wenn nicht sogar Zwillinge. Die zwei waren nicht älter als sechs. Sie hatten schulterlange, gewellte blonde Haare. Volle rote Lippen. Und die Augen ihres Vaters. Ein helles Sturmblau. Mit einem grauen Ring um die Iris. Wobei die Augenfarbe des zweiten Mädchens grün war. Dunkelgrün, so wie der Wald um uns herum.
"Ich... " Hilfesuchend blickte ich zu Lucas. Dieser grinste nur.
Also seufzte ich und schloss kurz die Augen. "Ich denke schon.", antwortete ich und lächelte die Kleine an.
"Cool!", sagten sie und ihre Schwester wie aus einem Munde und setzten sich mir gegenüber auf den Waldboden.
"Ich will später auch eine Prinzessin sein!", sagte das zweite Mädchen und sah mich mit großen Augen an.
"Ich ernenne dich einfach zu einer. Du musst mir nur deinen Namen verraten.", grinste ich und konnte kaum glauben, wie süß die beiden waren.
Synchron nickten beide wild. "Ich bin Grace und das ist meine Schwester Hope.", deutete das Blauäugige Mädchen, auf ihre grünäugige Schwester.
"Ich heiße Elizabell. Aber ich zwei dürft mich Liz nennen. Das dürfen nur andere Prinzessinnen.", zwinkerte ich und Grace klatschte begeistert in die Hände.
"Hast du gehört Hope? Wir sind jetzt auch Prinzessinnen!" Mit glitzernden Augen grinste sie ihre Schwester an.
Diese zog jedoch einen Schmollmund.
"Hope? Kann es sein, dass du lieber keine Prinzessin sein willst?", fragte ich sie.
Sie nickte, ehe sie mich mit ihren grünen Augen durchbohrte. "Ich wäre lieber so wie Papa."
Überrascht horchte ich auf. "Wie dein Vater?"
Sie senkte schüchtern den Blick.
"Das ist mutig.", stellte ich fest. 
Jetzt war sie es, die überrascht aufblickte. "Findest du echt?"
"Aber ja. Schließlich brauchte jede Prinzessin jemanden, der auf sie aufpasst und sie beschützt. Und ich glaube, dass kann keiner besser als du.", versicherte ich ihr.
"Papa!", rief sie und sprang auf. "Liz hat gesagt, ich wäre ein toller Prinzessinnenbeschützer!"
"Warte auf mich!", schrie Grace und rannte ihrer Schwester hinterher. "Ich bin schließlich die Prinzessin, die du beschützen musst."
Lachend beobachtete ich, wie die beiden sich auf Adam warfen und ihm alle Details unserer Unterhaltung erzählten.
Aufmerksam lauschte er und ab und an machte er "Ohh." oder "Ach?" Während er Grace auf dem Rücken und Hope auf den Armen ins Haus brachte.
Von Lucas und den anderen Jungs war nichts mehr zu sehen.
Sie kannten sich hier offensichtlich aus. Das galt jedoch nicht für mich.
"Du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Wir haben dich nicht vergessen." Die unbekannte Frau trat auf mich zu und lächelte. Ihr Lächeln war wunderschön.
Ihre Haare fielen in dunklen Wellen über ihre Schultern. Grüne Augen sahen mich ehrlich an. Keine Frage, sie war Hopes Mutter.
"Ich bin Lily.", stellte sie sich vor und legte mir die Hand auf die Schulter. "Und du bist natürlich herzlich Willkommen."
Sie führte mich ins Haus und schloss die Türe hinter uns. "Mach es dir so bequem wie es geht. Viel Platz haben wir nicht, aber wir versuchen das Beste draus zu machen."
John, Lucas, Adam und die Mädchen saßen an einem großen rustikalen Holztisch in der Mitte des Raumes vor einem großen Kamin.
Zwei Leitern führten an je einer der Raumseiten in die Höhe und endeten an einer Art Plattform.
"Da schlafen die Mädchen. Grace auf der rechten Seite und Hope links.", erklärte Lily und deutete auf eine Tür auf der anderen Seite des Raumes.
"Das Zimmer ist für dich und Darian." Sie zwinkerte mir zu.
Woher wusste sie?
"Ich habs gesehen.", lächelte sie geheimnisvoll.
"Meine wundervolle Frau hat eine Gabe.", sagte Adam der sich zu uns gesellt hatte und drückte seiner Frau einen großen Kuss auf die Wange.
Sie kicherte und wurde rot, während Adam seine Arme um sie schlang und liebevoll ansah. Niemals - wirklich niemals!! - hätte ich damit gerechnet Adam so zu erleben. So liebevoll, sanft. So glücklich. So zufrieden.
Für mich war er einfach unberechenbar seit der ersten Sekunde, in der ich ihm begegnet war.
Ihn jetzt also so zu erleben, war eine ganz andere Sache. Aber um ehrlich zu sein, fand ich es wunderschön.
"Was für eine Gabe?", wollte ich wissen.
"Naja sie kann mich immer sehen.", grinste Adam und blickte zu seiner stolzen Frau.
"Ja, ich kann immer sehen, wenn du mit einer anderen flirtest.", zog sie ihn auf.
Gespielt entrüstet gab er ihr einen Klaps auf den Po. "So etwas würde ich nie tun!"
Sie ignorierte ihn und wandte sich mir zu. "Ich bin eine Art Seherin. Gib mir eine Schale mit klarem Wasser und ich kann live mitverfolgen, was wo passiert. Allerdings kann ich nur Personen sehen, zu denen ich eine Verbindung habe. Freundschaft. Hass. Liebe. Völlig egal. So kann ich meinen Mann immer im Blick haben und ihn beobachten, wenn ich möchte. Natürlich habe ich so auch von dir und Darian erfahren."
Es überraschte mich nicht wirklich, dass ich nun auch noch mit Hexerei konfrontiert wurde. Ich meine eine Welt voller Vampire. Ich war eine Halbblut-Vampirprinzessin. Und jetzt noch so etwas.
"Oh...", machte ich nur und fuhr mir übers Gesicht.
"Du bist sicher müde.", deutete Adam richtig. "Das Zimmer auf der Rechten gehört dir. John und Lucas haben ihre Sachen bereits in den Stall geräumt. Ruh dich aus. Schlaf ein bisschen."
"Und ihr?" Wäre ich weniger müde, würde mir mein schlechtes Gewissen mehr zusetzten. Im Moment wollte ich jedoch einfach nur noch schlafen und meinen Beinen eine Pause gönnen. Sie fühlten sich an wie Wackelpudding und ich befürchtete bereits, dass ich nicht mehr lange aufrecht stehen könnte.
Lily blickte ihren Ehemann bedeutsam an und ich hatte bereits verstanden. Die beiden hatten sich eine lange Zeit nicht gesehen. Es war keine Frage, wie sie ihre Zeit verbringen würden.
Ich gönnte es ihnen von Herzen.
"Wenn du etwas brauchst, nimm es dir einfach oder frag einen der Jungs. Die sind hier praktisch zu Hause.", meinte Lily, ehe sie Adams Hand schnappte und aus dem Haus zog.
Die Mädchen saßen bei Lucas am Tisch und alle drei alberten rum.
Ein kleines Lächeln stahl sich auf mein Gesicht.
Es war so ein wunderschön friedliches Bild.
Mühsam unterdrückte ich ein Gähnen.
"Adam hat Recht." John stand neben mir und sah mich mitfühlend an. "Du solltest dich ausruhen. Leg dich zu Darian. Er wird dir dankbar sein, wenn er aufwacht."
Ich nickte nur, schnappte mir einen der Wasserkrüge vom Tisch, lächelte entschuldigend und verschwand durch die Tür, die Lily mir zuvor gezeigt hatte.
Es war dunkel nachdem ich die Tür geschlossen hatte. Nur durch einen kleinen Spalt des geschlossenen Fensters drang schwaches Licht hinein.
Das Zimmer war schlicht eingerichtet. Ein Bett. Ein Schrank. Ein Schreibtisch.
Seufzend entledigte ich mich meiner Kleidung, bis ich nur noch das große Hemd anhatte. Dann schlich ich auf Zehenspitzen ans Bett. Positionierte den Wasserkrug darauf und kroch unter die Decke.
Sie war kratzig, aber warm.
Meine Beine dankten mir und ich atmete erleichtert auf. Mein gesamter Körper schmerzte und erst jetzt bemerkte ich, wie müde ich wirklich war.
Neben mir lag Darian und hatte die Augen geschlossen.
Er war komplett leblos. Vorsichtig rutschte ich näher zu ihm. Mit einer wackeligen Hand fuhr ich über seine Stirn und erschrak.
Er war ganz heiß. Schweiß lief ihm über das Gesicht und er keuchte unregelmäßig.
Fieberträume.
Ächzend richtete ich mich auf und kroch zu dem großen Schrank an der Wand gegenüber. Meine Beine versagten mir bei jedem zweiten Schritt den Dienst und ich musste mich gut festhalten, um nicht zusammenzubrechen.
Schließlich fand ich was ich gesucht hatte. Ein Handtuch. Vorsichtig tränkte ich es in dem Wasserkrug und wrang es aus.
Danach legte ich es behutsam auf Darians Stirn und tröpfelte ihm ein wenig Wasser auf die trockenen aufgeplatzten Lippen.
Mehr konnte ich fürs Erste nicht tun. Ausserdem wusste ich ja, dass es wieder gesund werden würde. Er war immerhin ein Vampir. Er überlebte so etwas. Er konnte gar nicht sterben. Zumindest redete ich mir das ein.
Sanft kuschelte ich mich an seine Seite und fiel kurz darauf in einen traumlosen Schlaf.

TeufelsherzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt