Augen im Dunkeln

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Ich wusste nicht, was es war, dass mich weckte. Fakt war jedoch, dass ich mitten in der Nacht hochschreckte und noch bevor ich überhaupt schreien konnte, lag eine Hand auf meinem Mund.
„Ich bin es.", flüsterte jemand an meinem Ohr und ich atmete erleichtert auf, als ich die Stimme als Darians identifizieren konnte.
So gut es ging sah ich mich um. Das Feuer prasselte nur noch leise vor sich hin.
Die anderen lagen auf ihren Nachtlagern und bewegten sich nicht.
Es schien als würden sie schlafen. Aber wie hieß es noch gleich: Der Schein kann trügen. Und das tat er in diesem Fall.
Denn bei genauerem Hinsehen, sah ich, dass alle Männer wach waren und lauschten. Ihre Hände lagen auf ihren Waffen.
„Ich nehme jetzt die Hand von deinem Mund. Du wirst keinen Ton sagen und wenn ich sage renn, dann rennst du und wirst dich nicht umsehen. Verstanden?" Darians Stimme war so leise, dass ich sie nur hörte, wenn ich mich verdammt konzentrierte.
Ich nickte und ließ es zu, dass er mich vorsichtig ein Stück näher an sich zog und sich ein wenig auf mich lehnte. Als würde er im Schlaf meine Nähe suchen.
Ich wollte fragen, was los war. Warum alle so aufmerksam waren? Doch dann sah ich sie auch.
Erst war es nur ein Paar.
Gelbliche Augen im Wald.
Nur wenige Meter von uns entfernt.
Umso länger ich in die Dunkelheit starrte, umso mehr Augenpaare entdeckte ich.
Kalte Schauer liefen mir über die Haut und ich traute mich kaum noch zu atmen. Die Angst war kalt und überfiel mich wie ein ungesehener Albtraum.
So unauffällig wie ich konnte, drehte ich meinen Kopf zu Darian und suchte seinen Blick.
Er sah mich an und erkannte offenbar die Panik in meinen Augen, denn er lächelte matt und kurz darauf spürte ich seine Hand an meiner.
Sofort verschränkten sich unsere Finger ineinander und ich beruhigte mich etwas. Seine warme Haut war wunderschön weich und so verdrängte ich die Blicke die sich in meinen Rücken bohrten.
Sein Atem streifte mein Gesicht und wenn ich wollen würde, könnte ich mit den Lippen sein Kinn berühren. Aber in diesem Moment hatte ich ganz andere Sorgen.
Darians Blick war weich und sagte mir, dass alles gut werden würde. Aber davon war ich nicht wirklich überzeugt.
Irgendetwas lauerte in der Dunkelheit und wartete offenbar nur noch auf den richtigen Zeitpunkt um uns anzufallen.
Ich merkte, dass mein Körper bebte und atmete aus. Mein Puls raste und mein Herz schlug viel zu laut.
„Ich pass auf dich auf.", formte er still mit den Lippen. Aber der Ausdruck in seinen Augen verriet ihn. Er war angespannt.
Ich wusste nicht, was er hörte oder sah, aber es musste etwas schreckliches sein, denn sonst würden er und die anderen niemals so reagieren wie sie es taten.
Ich konzentrierte mich auf mein Atmen und lauschte ebenfalls in die Nacht. Ein gedämpftes Tapsen drang an mein Ohr, ebenso wie schwereres Schnaufen.
Hilflos suchte ich wieder Darians Blick, während ich noch mehr zitterte.
Seine Hand drückte meine aufmunternd, aber ich konnte es nicht erwidern.
Hinter ihm ein Stück vor den ersten Bäumen, die die Lichtung eingrenzten, stand etwas.
Etwas Großes. Etwas mit gelben Augen.
Ein mächtiger schwarzer Schatten stand dort und blickte zu mir herüber.
Seine kalten Augen blickten genau in meine.
Mein Herz blieb stehen.
Schwarzes Fell versank perfekt zu einem mit der Nacht.
Kalter Atem bildete kleine weiße Wolken in der Luft.
Scharfe weiße Zähne zeigten sich, als das Wesen die Lefzen hochzog und knurrte.
Das dunkle Brummen ließ den Boden förmlich erzittern.
Ich wollte schreien! Weglaufen! Weinen!
Doch die Angst lähmte mich. Ich war gefangen in meiner eigenen Panik und schaffte es nicht den Blick von der Bestie abzuwenden.
Das Vieh sah aus wie ein überdimensional großer Wolf, geformt aus Schatten und Dunkelheit. Seine Konturen waren nicht klar auszumachen.
Noch immer schienen seine Augen direkt in meine Seele zu blicken.
Aber ich schaffte es nicht meinen Blick zu lösen.
Selbst wenn ich es gewollt hätte.
Plötzlich legte das Monster den Kopf in den Nacken und stieß ein lautes Heulen aus.
Der Ton ging durch Mark und Bein und ich schlang mir die Arme um den Kopf und schrie.
Was danach passierte bekam ich kaum noch mit.
Ich sah wie noch mehr dieser Bestien aus den Schatten schossen und wie Darians Männer aufsprangen.
Jeder hatte seine Waffen in der Hand.
Doch die Monster griffen nicht sofort an. Nein. Sie waren schlau. Sehr schlau.
Sie bildeten einen Kreis um uns und liefen unruhig ihre Bahnen.
Es waren sieben an der Zahl. Alle hatten schwarzes Fell und beobachteten uns genau.
Vor mir stand Darian und bellte irgendwelche Befehle und die anderen reagierten. Allerdings konnten wir nicht viel machen.
Es wäre leichtsinnig eines der Wesen anzugreifen. Die anderen Wölfe wären bei dem Angreifer bevor wir ihm zu Hilfe eilen konnten.
Zu einem Blutbad würde es ebenfalls werden, wenn es die Jungs gleichzeitig probierten. Denn dafür waren wir einfach zu wenige Leute.
So blieb uns einfach nur die Möglichkeit abzuwarten und zu hoffen.
Ich begriff mit einem Schlag, dass das hier mein Ende sein könnte und so löste ich mich schließlich aus meiner Starre und trat neben Darian.
„Was kann ich tun?", fragte ich und schluckte meine Angst.
Als hätte ich gesagte ich wäre Gott, blickten alle mich an.
Stur blickte ich jedem der Männer ins Gesicht.
Und das war das erste Mal, dass ich Adam lächeln sah. Offenbar gefiel ihm mein spontaner Sinneswandel.
Tapfer erwiderte ich sein Lächeln und wandte mich danach wieder Darian zu.
„Du wirst gar nichts tun!", zischte er und sah mich an, als wäre ich total bescheuert.
Selbstsicher ging ich einen Schritt auf ihn zu. „Ich werde helfen.", stellte ich klar.
Bevor er etwas erwidern konnte, wurde mir von der Seite ein langer Dolch gereicht.
„So langsam gefällt mir die Kleine.", sagte Adam und nickte Darian nur zu.
„Versuch den Hals oder den Kopf zu treffen.", riet er mir und klopfte seinem Boss nur beim Vorbeigehen auf die Schulter.
Ungläubig blickte Darian ihm hinterher.
In diesem Moment war ich Adam unglaublich dankbar. Ich wollte nicht einfach nur rumstehen und nichts tun. Wir brauchten jede Hand die wir kriegen konnten.
Auch wenn es Darian definitiv nicht gefiel.
Ich würde Kämpfen und wenn es das letzte war, was ich tat.
„Hat jemand einen sinnvollen Vorschlag?", fragte John und funkelte einen der Wölfe böse an. Das Tier knurrte nur und machte einen Satz nach vorne.
John holte ihm gleichen Moment aus und dann trafen der großen Schatten und der rothaarige Riese aufeinander.
Erschreckt schrie ich auf, als ich einen schmerzgepeinigten Laut hörte. Doch es war weder von John, noch von dem Wolf mit dem er kämpfte.
Nein, es kam von der anderen Seite.
Genau hinter uns.
Augenblicklich fuhr ich herum.
Der Schrei kam von Lucas.
Eine der Bestien hatte ihn angegriffen, während wir auf seinen Rudelkameraden geachtet hatten.
Ein erschreckendes Bild bot sich mir.
Das Monster hatte sich Lucas Arm geschnappt und schüttelte ihn daran. Immer und immer wieder.
Als wollte er ihn abreißen.
Mir wurde schlecht, als ein widerliches Knacken, an mein Ohr drang.
„Helft ihm doch!", schrie ich Darian die anderen an.
Aber er schüttelte nur den Kopf.
Ungläubig sah ich ihn an. Das konnte doch nicht sein Ernst sein!
„Glaubst du diesen Bestien wird einer von uns reichen?", brüllte ich wütend. „Wir werden alle so enden, wenn wir nichts unternehmen!"
Als ich Johns betretenen Gesichtsausdruck sah wusste ich, dass niemand dieser Vampire etwas unternehmen würde. Aus einem einfachen Grund:
Sie hatten Angst.
„Es sind Schattenwölfe. Gegen sie können wir nichts machen. Sie sind die einzigen Wesen, die uns Vampiren richtig gefährlich werden können. Sie laben sich an uns. Sie trinken unser Blut, fressen unsere Seele und lassen unseren leeren Körper dann irgendwo vergammeln.", erklärte Darian und ich konnte hören, dass die Hilflosigkeit ihn wahnsinnig machte.
„Gerade deshalb müssen wir ihm helfen!", beharrte ich und versuchte die Schreie ihm Hintergrund zu verdrängen. „Kannst du einfach ruhigen Gewissens zusehen wie sie ihn auffressen?" Meine Stimme schraubte sich in die Höhe.
„Ich habe schon längst kein Gewissen mehr.", sagte er leise.
„ICH SCHON!!", tobte ich und blickte mich um. „Du kannst ihn vielleicht einfach so aufgeben. Ich aber nicht!"
„Glaubst du nicht, ich würde anders handeln, wenn ich eine Wahl hätte?", brüllte er endlich zurück und zeigte mir damit doch, dass er ein Herz hatte. „Er ist für mich wie ein Bruder!"
„Dann gib mir Rückendeckung!", befahl ich und stürzte los.
So schnell ich konnte lief ich auf Lucas und das Monster zu. Mit der freien Hand griff ich während dem Rennen, nach einem der letzten brennenden Zweige im Feuer und lief weiter.
Die Idee war mir bereits gekommen, als Darian das Wort „Schattenwölfe" gesagt hatte. War nur noch zu hoffen, dass es klappte.
Schreiend ging ich auf den Schattenwolf los und schlug ihm das Feuer mitten auf die Schnauze. Er jaulte auf und gab Lucas Arm frei.
Auf das Blut das mich dabei traf, achtete ich nicht.
Schützend stellte ich mich vor Lucas, der sich am Boden zusammenkauerte und leise wimmerte.
„Verzieh dich!", brüllte ich und schlug erneut mit dem brennenden Ast auf das Tier. Es jaulte und verschwand im Wald.
Gerade wollte ich erleichtert aufatmen, als ich jemanden schreien hörte.
„Liz pass auf!"
Sofort fuhr ich herum und erkannte aus dem Augenwinkel gerade noch wie ein schwarzer Schatten auf mich zu preschte.
Gelbe Augen starrten mich hasserfüllt an.
Der Wolf knurrte und setzte zum Sprung an.
Ich schrie auf und machte einen Fehler.
Ich ließ meine einzige Waffe fallen.

TeufelsherzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt